URI: 
       # taz.de -- Nach Abschiebung aus Frauenhaus: Irgendwo bei Salzburg
       
       > Wie es der jungen Frau geht, die vor zwei Wochen mit ihren beiden kleinen
       > Kindern aus Hamburg nach Österreich abgeschoben wurde, ist unklar.
       
   IMG Bild: Schützte eine junge Türkin nicht vor der Abschiebung: Wohnung in einem Frauenhaus, hier in Duisburg
       
       Bremen taz | Die junge Türkin, die vor rund zwei Wochen aus Hamburg [1][mit
       ihren beiden Kindern nach Österreich abgeschoben] wurde, sucht dort nach
       Hilfe. Das teilte der taz das Hamburger Frauenhaus mit, in dem sie zuletzt
       gelebt hatte. „Wir haben am Wochenende mit ihr telefoniert und ihr zwei
       Beratungsstellen in der Nähe genannt“, sagte am Montag eine Mitarbeiterin.
       Die 28-Jährige sei mit den Kindern (sechs und acht Jahre alt) offenbar in
       der Nähe von Salzburg untergebracht worden. „Sie sagte, dass die Busse in
       die Stadt nur sehr selten fahren.“ Erschwerend komme hinzu, dass es ihr und
       den Kindern psychisch nicht gut gehe, sie spreche nur wenig Deutsch, habe
       weder stabiles Internet noch Geld.
       
       Hilfe braucht die Frau, weil sie in Hamburg mit den Kindern vor ihrem
       gewalttätigen Ex-Partner in ein Frauenhaus geflohen war, dessen Adresse
       geheim ist. Jetzt befindet sie sich in Österreich nach Angaben der
       Frauenhaus-Mitarbeiterin in einer offen zugänglichen Einrichtung. „Ein
       Mitarbeiter hat ihr gesagt, dass ihr ehemaliger Partner dort auch gemeldet
       ist.“ Gesehen habe die Frau ihn noch nicht, aber sie habe Angst, dass er
       ihr etwas antue.
       
       Am vergangenen Donnerstag hatten die autonomen Hamburger Frauenhäuser in
       einer Pressemitteilung auf den Fall aufmerksam gemacht. Danach ist die Frau
       am 28. Oktober bei einem Routine-Termin im Ausländeramt mit ihren Kindern
       von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Noch in der Nacht sei die
       Familie unter Bewachung in einem Bus nach [2][Österreich] gebracht worden.
       Bundesweit hatten Medien berichtet, die Linksfraktion in der Hamburger
       Bürgerschaft hatte das Vorgehen des Hamburger Ausländeramts und die
       Umstände der Abschiebung kritisiert.
       
       Nach Angaben des Hamburger Frauenhauses wollte die Frau, deren Asylantrag
       von Deutschland abgelehnt worden war, ohnehin freiwillig in die Türkei
       zurückkehren. Sie habe das Heimatland auf Wunsch ihres Ex-Partners
       verlassen. Die Abschiebung nach Österreich sei daher ein unnötiger Umweg,
       der das Verfahren nur verzögern würde. „Das Ziel unserer Beratungen war,
       wie die Rückreise am besten gelingen kann und die Kinder am wenigsten
       Schaden nehmen.“
       
       ## Freiwillige Rückkehr geplant
       
       Das Hamburger Amt für Migration kann keine Fehler erkennen. Die junge Frau
       habe zwar im August mitgeteilt ausreisen zu wollen, sei aber im Oktober
       noch in Deutschland gewesen. Außerdem sei sie zwischen dem 11. April und
       dem 18. Juni 2024 „untergetaucht“. Gemeint sei damit, dass „das
       Ausländeramt keine Kenntnis über den Aufenthaltsort der Betroffenen hatte“.
       Welchen Einfluss dieser Umstand auf die Abschiebung im Oktober hatte,
       bleibt unklar.
       
       Erklären lässt sich das „Untertauchen“ mit einem Umzug. Im November 2023 –
       zwei Monate nach ihrer Ankunft in Hamburg – kam sie in eine erste
       Anlaufstelle. Ende Mai dieses Jahres zog sie in das Frauenhaus um, in dem
       sie bis zu ihrer Abschiebung lebte. Das Sorgerecht hatte ihr nach Auskunft
       des Frauenhaus aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Ex-Partners bereits ein
       Gericht in der Türkei zugesprochen.
       
       Das Ausländeramt teilt weiter mit, dass den österreichischen Behörden im
       März „übermittelt“ wurde, „dass die Betroffene sowie ihre beiden Kinder in
       einem Frauenhaus untergebracht sind, dem Kindsvater eine Kontaktsperre
       ausgesprochen worden ist und eine gemeinsame Überstellung nicht
       beabsichtigt ist“. Als Überstellung werden Abschiebungen in den
       europäischen Staat bezeichnet, in dem jemand zuerst als Asylsuchende:r
       registriert wurde.
       
       ## Sicher vor dem Ex-Partner?
       
       Deshalb, so die Ausländerbehörde, gehe man davon aus, dass die Frau in
       Österreich sicher vor ihrem Ex-Partner ist. „Anhaltspunkte dafür, dass die
       österreichischen Behörden nicht Willens oder außerstande sind, gegen
       derartige Übergriffe im Rahmen der geltenden Gesetze vorzugehen und den
       Schutz der Betroffenen zu gewährleisten, bestehen nicht.“
       
       Bestätigen lässt sich diese Einschätzung nicht. Weder das Hamburger
       Ausländeramt noch das Frauenhaus wissen, in welcher Einrichtung sie
       untergebracht ist und welche staatliche Stelle für sie zuständig sein
       könnte. Eine Sprecherin des österreichischen Bundesinnenministeriums sagt,
       selbst wenn sie heraus bekommen würde, wo sich die Frau aufhält, dürfte sie
       aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben. Die taz hat bei den beiden
       Beratungsstellen für Geflüchtete in Salzburg nachgefragt. Mit Stand vom
       Dienstag hatte die Frau sich dort noch nicht gemeldet.
       
       Die Tatsache, dass die junge Türkin um Adressen gebeten hat, wo sie sich
       Hilfe holen kann, spricht dagegen, dass sie sich so geschützt fühlt, wie es
       das Hamburger Ausländeramt nahe legt.
       
       Andrea Kothen, frauenpolitische Referentin der Organisation Pro Asyl,
       erinnert daran, dass sowohl Deutschland als auch Österreich nach der
       Istanbul Konvention gesetzlich verpflichtet sind, Frauen und Mädchen in
       allen Lebensumständen vor Gewalt zu schützen, [3][beispielsweise in
       Gemeinschaftseinrichtungen.] „Dazu gehört auch, dass sie eine Beratung in
       Anspruch nehmen kann, um das Erlebte aufzuarbeiten.“
       
       15 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abschiebung-aus-dem-Frauenhaus/!6047871
   DIR [2] /Oesterreich/!t5007889
   DIR [3] https://www.proasyl.de/news/grevio-bericht-was-deutschland-zum-schutz-gefluechteter-frauen-und-maedchen-tun-muss/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
       ## TAGS
       
   DIR Asyl
   DIR Gewalt gegen Frauen
   DIR Abschiebung
   DIR häusliche Gewalt
   DIR Hamburg
   DIR Frauenhaus
   DIR Social-Auswahl
   DIR Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
   DIR Pflege
   DIR Frauenhaus
   DIR Lisa Paus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Frauenfeindlichkeit: Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich
       
       Mitarbeitende von Gerichten und Jugendämtern hegen Vorurteile gegen Mütter.
       Dies schwächt den Schutz der Kinder, wie eine neue Studie zeigt.
       
   DIR Pflegehelfer sollen abgeschoben werden: Wichtig aber nicht gewollt
       
       Ein Heim für Demenzkranke bei Bremen fürchtet, schließen zu müssen. Ein
       Drittel der Pflegekräfte kommt aus Kolumbien und soll abgeschoben werden.
       
   DIR Abschiebung aus dem Frauenhaus: Schutzraum nicht mehr sicher
       
       Die Bewohnerin eines Hamburger Frauenhauses ist mit ihren beiden Kindern
       abgeschoben worden. Autonome Frauenhäuser sprechen von „Zäsur“.
       
   DIR Hilfe bei häuslicher Gewalt: Ministerium bringt Gewalthilfegesetz auf den Weg
       
       Einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung soll das Gewalthilfgesetz
       bringen. Das Familienministerium gab den Entwurf nun in die Ressorts.