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       # taz.de -- Antritt bei der Bundestagswahl: Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang wird CDU-Kandidat
       
       > Seit sechs Jahren führt er den Verfassungsschutz an, warnt vor
       > rechtsextremen Gefahren. Nun will Thomas Haldenwang für die CDU in den
       > Bundestag.
       
   IMG Bild: Wird für die Wuppertaler CDU für den Bundestag kandidieren: Thomas Haldenwang
       
       Berlin taz | Erst wenige Tage ist es her, da war [1][Thomas Haldenwang] zu
       Gast bei einem „Kamingespräch“ eines Wuppertaler Vereins. Der 64-Jährige
       erzählte dort aus seinem Alltag als Präsident des Bundesamts für
       Verfassungsschutz: die Terrorgefahr, der Kampf gegen Fake News. Dann wurde
       er nach seiner bevorstehenden Pensionierung gefragt. „Sie erleben mich
       hier als engagierte Person“, zitiert ihn die Westdeutsche Zeitung.
       „Vielleicht werden Sie mich hier in Wuppertal demnächst auch wieder in
       anderer Weise wahrnehmen.“ Das aber sei „Zukunftsmusik“.
       
       Nun ist es keine Zukunftsmusik mehr: Haldenwang, [2][seit sechs Jahren Chef
       des Bundesamts für Verfassungsschutz], wird in wenigen Tagen abtreten – und
       dann für die Wuppertaler CDU für den Bundestag kandidieren. Das bestätigte
       CDU-Kreischef Johannes Slawik der taz. Haldenwang habe sich mit Nachdruck
       für die Demokratie eingesetzt, sei ein ausgewiesener Sicherheitsexperte und
       in Berlin bestens vernetzt, frohlockte er. Zugleich sei er als langjähriger
       Wuppertaler bodenständig geblieben.
       
       Tatsächlich ist der Protestant seit Geburt Wuppertaler, lebt im grünen
       Osten der Stadt. Und er ist langjähriges CDU-Mitglied. Slawik sagte, die
       Entscheidung sei kurzfristig gefallen, nach einem längeren Gespräch mit
       Haldenwang. Tatsächlich gab es bereits eine andere CDU-Anwärterin für die
       Kandidatur, die nun zurückstecken muss.
       
       Haldenwang äußerte sich zunächst nicht selbst. In direkten Gesprächen
       kritisierte er aber zuletzt auch die Ampel, forderte eine bessere
       Regierungspolitik ein. Die kennt er seit 1991: Damals fing er als Referent
       im Bundesinnenministerium an, wechselte 2009 zum Verfassungsschutz. Seine
       Ernennung als Amtspräsident erfolgte noch unter CSU-Mann Horst Seehofer.
       
       Nun informierte Haldenwang Innenministerin Nancy Faeser (SPD) über seinen
       Rückzug. Schon zuletzt hatte er recht offen angedeutet, dass er demnächst
       aus dem Amt scheiden würde, dafür wurden gesundheitliche Gründe angeführt.
       Dass er nun für den Bundestag kandidiert, ist außerhalb der Wuppertaler CDU
       für viele eine Überraschung.
       
       ## Feindbild in der rechtsextremen Szene
       
       Im Verfassungsschutz war Haldenwang ein kleines Kunststück gelungen. Nach
       dem NSU-Desaster und der Amtszeit seines nach rechts außen abgedrifteten
       Vorgängers Hans-Georg Maaßen war der Ruf des Amts ruiniert. Haldenwang,
       zuvor Vizepräsident, schlug einen anderen Ton an. Er erklärte den
       Rechtsextremismus zur größten Gefahr für die hiesige Demokratie, [3][sprach
       von einem Versagen seines Amts beim NSU].
       
       Dann nahm er sich die immer weiter radikalisierte AfD vor, stufte sie erst
       als rechtsextremen Prüffall, dann als Verdachtsfall ein – [4][und bekam
       damit vor Gericht recht]. Das Umfeld der Partei – [5][die Identitären oder
       das Institut für Staatspolitik] – gilt inzwischen als „gesichert
       rechtsextrem“. Zugleich warnte Haldenwang, dass sein Amt auch in den
       anderen Extremismusfeldern „unter Volllast“ fahre, dass der Nahost- und
       Ukrainekrieg „mit voller Wucht“ auch die deutsche Sicherheitslage treffe.
       
       Im politischen Berlin verschaffte Haldenwang sich und seinem Amt damit
       wieder Standing. Der Jurist habe das Amt umsichtig geführt und in Zeiten
       verschärfter Bedrohungslagen erfolgreiche Arbeit geleistet, hieß es am
       Dienstag in Regierungskreisen.
       
       In der rechtsextremen Szene avancierte Haldenwang dagegen zum Feindbild.
       Haldenwangs Bundestagskandidatur ließ AfD-Chefin Alice Weidel entsprechend
       über „Parteifilz und staatsnahe Institutionen“ ätzen. Noch vor Jahresende
       wollte Haldenwang verkünden, [6][ob die AfD bundesweit als „gesichert
       rechtsextrem“ hochgestuft wird]. Das wird nun vorerst nicht geschehen, auch
       weil die Entscheidung zu nah an die Bundestagsneuwahl heranrückt.
       
       ## Den Wahlkreis holte zuletzt die SPD
       
       Wer Haldenwang nachfolgt, ist offen. Infrage kommen seine zwei
       Stellvertreter, Silke Willems und [7][Sinan Selen] – die das Amt nun
       kommissarisch führen werden. Gehandelt wurde auch [8][die frühere
       Vizepräsidentin Felor Badenberg]. Die aber verabschiedete sich zuletzt nach
       Berlin, ist dort nun für die CDU Justizsenatorin. Offen ist auch, ob Faeser
       die Nachfolgeentscheidung noch selbst trifft – oder dem oder der neuen
       Bundesinnenminister*in überlässt.
       
       Unklar ist auch, ob ein Bundestagseinzug für Haldenwang überhaupt klappt:
       Zuletzt gewann den Wahlkreis der Sozialdemokrat Helge Lindh. In der CDU
       gibt man sich aber angesichts des Bundestrends für die eigene Partei sehr
       zuversichtlich. Lindh dagegen sagte der taz, er sei „fest gewillt“, den
       Wahlkreis zu verteidigen. „Ich habe sehr viel für Wuppertal erreicht, war
       permanent vor Ort. Herr Haldenwang ist ein guter
       Verfassungsschutzpräsident. Aber das heißt nicht, dass er auch ein guter
       Wahlkreisabgeordneter wäre.“
       
       Falls es für Haldenwang tatsächlich nicht klappt mit dem Mandat, hätte er
       immerhin Zeit, mal wieder seinen Hobbys nachzugehen: Opernbesuche,
       Tanztheater, Motorradfahren.
       
       12 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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