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       # taz.de -- Verhaftung der tunesischen Influencerin: Von der gefeierten Influencerin zur Gefangenen
       
       > Die Influencerin Lady Samara, mit bürgerlichem Namen Amel Thamlaoui,
       > wurde in Tunis verhaftet. Der Grund: Mitschuld an der Verwahrlosung der
       > sozialen Medien.
       
   IMG Bild: Lady Samara ist eine bekannte Influencerin, die meistens Schminktipps gibt
       
       Tunis taz | Seit der Wiederwahl [1][von Präsident Kais Saied in Tunesien
       befürchten seine Gegner und Menschenrechtsaktivisten], ins Visier der
       Staatsanwaltschaft zu geraten. Diese Befürchtungen wurden nun bestätigt,
       als Ende Oktober die Polizeiwagen vor der Wohnung der Influencerin Amel
       Thamlaoui – besser bekannt als Lady Samara – vorfuhren, was für große
       Überraschung sorgte.
       
       Lady Samara spricht in ihren TikTok- und Instagram-Videos weder über die
       anhaltende Wirtschaftskrise noch über die Rückkehr zur Autokratie in
       Tunesien, dem einstigen Vorzeigeland des Arabischen Frühlings. Stattdessen
       gibt sie seit 2017 ihrer inzwischen millionengroßen Fangemeinde vor allem
       Mode- und Schminktipps, erzählt von ihren Erfahrungen mit Botox und
       Brustvergrößerungen und teilt Anekdoten aus ihrem bunten Alltag in Tunis.
       
       Mittlerweile wurde die im fünften Monat schwangere Influencerin zu einer
       Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Für viele junge
       Tunesier:innen scheint dies wie ein schlechter Scherz zu sein. Das
       Justizministerium gibt ihr und vier weiteren verurteilten Influencern eine
       Mitschuld an der „Verwahrlosung“ in den sozialen Medien. „Vor allem auf
       TikTok und Instagram nutzen bestimmte Personen diese Plattformen, um gegen
       geltende moralische Werte zu verstoßen und unangemessene Äußerungen zu
       verbreiten“, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. „Dies könnte das
       Verhalten junger Nutzer negativ beeinflussen.“
       
       ## Die schwangere Influencerin wurde zu einer Haftstrafe verurteilt
       
       [2][Neben Thamlaoui wurden die LGBTQI-Aktivistin Choumoukh und drei
       Influencer] um die Instagrammerin Afifa, deren Beziehungsdrama auf TikTok
       millionenfach geklickt wurde, zu Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren
       verurteilt. Die Sittenwächter in konservativen Gegenden sind hochzufrieden.
       Endlich gehe mal jemand gegen den offensichtlichen Verfall der
       Moralvorstellungen der Jugend vor, so ihr Tenor.
       
       Lady Samara ist im ganzen Land bekannt, ihre Kurzvideos finden unter vielen
       Frauen immer mehr Aufmerksamkeit als die Sendungen des staatlichen
       Fernsehens Watanyia. Obwohl die Elite in Vororten wie La Marsa oft
       verächtlich auf die meist aus einfachen Verhältnissen stammenden
       TikTok-Stars herabblickt, wurde Lady Samara mit ihrer offenen Art, auch
       intime Themen anzusprechen, zum Stadtgespräch. Laut einer ihrer Fans, Imen
       Bilel, hat Lady Samara mehr Einfluss auf Jugendliche als der
       Präsidentenpalast. Ihre Erfahrungen auf dem Amt bei der Passverlängerung
       und ihre Diskussionen über ein neues Männerbild hätten sie zu einer
       erfolgreichen [3][Geschäftsfrau gemacht, die mittlerweile auch für
       Beauty-Produkte wirbt].
       
       2021 wurde Lady Samara auf der Buchmesse in Tunis für ihre Rolle als
       selbstbewusste Influencerin auch ausgezeichnet. Allerdings stand sie der
       Liberalisierung nach dem Arabischen Frühling kritisch gegenüber. Nach
       homophoben Äußerungen ihrerseits sperrte Instagram vorübergehend ihr Konto.
       Zudem machte sie abwertende Bemerkungen über Migranten, die unter
       schlechten Bedingungen auf Olivenhainen lebten. Nach einem Gespräch mit
       LGBTQI-Aktivisten reagierte sie jedoch und entschuldigte sich, ebenso wie
       für ihre oft grobe Sprache bei der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft.
       
       Warum aber eine selbstbewusste junge Tunesierin, die am meisten Klicks mit
       ihrer opulenten Hochzeitsfeier im Frühjahr hatte, nun ihr Kind im Gefängnis
       zur Welt bringen soll, darüber rätseln immer noch viele im Land. Aber
       natürlich nur hinter vorgehaltener Hand.
       
       13 Nov 2024
       
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