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       # taz.de -- Rechtsextreme Le Pen in Paris angeklagt: Muss Sie ins Gefängnis?
       
       > Im Prozess um die Veruntreuung von EU-Geldern fordern Staatsanwälte eine
       > Gefängnisstrafe. Auch Marine Le Pens Präsidentschaftskandidatur steht auf
       > dem Spiel.
       
   IMG Bild: Steht wegen angeblichen Missbrauchs von EU-Geldern vor Gericht: die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen
       
       Paris taz | Für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2027 rechnete sich
       Marine Le Pen gute Chancen aus, beim vierten Anlauf zu gewinnen und
       Frankreichs nächste Staatschefin zu werden. Die Justiz könnte diese Pläne
       mit einem Urteil beim zu Ende gehenden [1][Prozess wegen der Veruntreuung
       von EU-Geldern] durchkreuzen.
       
       Am Dienstagabend haben die beiden Staatsanwälte nach einem langen und
       ausführlichen Plädoyer eine exemplarisch strenge Verurteilung für [2][die
       Spitzenpolitikerin des Rassemblement National (RN)] gefordert: 5 Jahre
       Haft, davon 3 Jahre auf Bewährung, und 300.000 Euro Buße. Außerdem
       forderten sie den sofortigen Entzug ihres passiven Wahlrechts für die
       kommenden 5 Jahre. Sie könnte in dieser Zeit dann nicht gewählt werden. Das
       würde für sie die Rote Karte mit Platzverweis und vermutlich das Ende ihrer
       Karriere bedeuten.
       
       Neben Le Pen sind auch weitere Parteikolleg*innen angeklagt. Die
       beiden Staatsanwälte sprachen von einem „besonders gravierenden“ Fall der
       Bereicherung einer Partei mit öffentlichen Geldern und einem organisierten
       „System der Veruntreuung“ von mehr als 4 Millionen Euro.
       
       Diese Mittel sollten offiziell der Anstellung und Besoldung der
       parlamentarischen Assistenten von EU-Abgeordneten dienen. Stattdessen
       sollen diese in 46 Fällen von Vertrauten der Familie Le Pen abgezweigt und
       für „nationale Aktivitäten“, nämlich parteipolitische Zwecke, genutzt
       worden seien.
       
       ## Le Pen glaubt an „politischen Prozess“ gegen ihre Person
       
       Die Staatsanwälte sprachen von einer „schweren Verletzung der
       demokratischen Regeln“, die entsprechend streng bestraft werden müsse.
       
       In den Verhandlungen seit Ende September hatten die Angeklagten versucht,
       die Verdachtsmomente zu entkräften. Sie wurden indes mit belastenden
       Dokumenten und Auszügen aus ihrer E-Mail-Kommunikation konfrontiert.
       
       Beim Verlassen des Gerichtssaals nach dem Plädoyer der Anklage wirkte
       Marine Le Pen sichtlich gezeichnet. Sie stellt den Strafantrag als
       politischen Angriff auf ihre Person dar: „Von Beginn an ging es im Prozess
       nur um eines: Marine Le Pen“, sagte sie vor Journalisten.
       
       Falls das Gericht in seinem Urteil dem Antrag der öffentlichen Kläger
       folgt, würde der geforderte Verlust des passiven Wahlrechts auch im Fall
       einer Berufung mit unmittelbarer Wirkung in Kraft treten. Damit würde
       Marine Le Pen aus dem Rennen um die Staatspräsidentschaft geworfen. Nicht
       betroffen wäre dagegen ihr derzeitiges Mandat als Abgeordnete der
       Nationalversammlung.
       
       ## Le Pen „in den Wahlurnen und nicht anderswo“ besiegen
       
       Die Aussicht auf eine solche vom Strafgesetzbuch vorgesehene Zusatzstrafe
       mit weitreichenden politischen Konsequenzen für die nächsten Wahlen sorgt
       für Schlagzeilen. Ein solches Urteil könnte zeigen, dass Marine Le Pen und
       andere Prominente nicht über dem Gesetz stehen, sagen die einen.
       
       Doch nicht nur aus den Reihen ihrer Partei hagelt es Proteste gegen das
       drohende Verdikt einer „politischen Justiz“. RN-Parteichef Jordan Bardella
       argwöhnt, man wolle Millionen Franzosen, die 2027 die RN-Kandidatin Le Pen
       wählen wollten, um ihr demokratisches Recht bringen.
       
       Als „schockierend“ erachtet auch Gérald Darmanin die Vorstellung, dass Le
       Pen von der Justiz als Präsidentschaftskandidatin disqualifiziert würde.
       Darmanin ist der frühere Innenminister von Premier Emmanuel [3][Macron] und
       hat selbst die Absicht, für dessen Nachfolge anzutreten. Er möchte, sagte
       er, die Konkurrentin vom RN „in den Wahlurnen und nicht anderswo“ besiegen.
       
       Die Verteidigung will am Montag einen Freispruch verlangen. Das Pariser
       Gericht plant, Anfang 2025 sein Urteil zu verkünden.
       
       14 Nov 2024
       
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