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       # taz.de -- Hängepartie beim Waldschutz: Entwaldungsfreie Lieferketten auf der Kippe
       
       > Die EVP stimmt im Europaparlament in einem unnötigen Eilverfahren mit den
       > Rechten. Ein Tabubruch. Nur, um die Entwaldungsverordnung zu verzögern?
       
   IMG Bild: Ausbeutung: auch die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet geht in großem Maßstab weiter
       
       Brüssel taz | Das Europaparlament will den Schutz der Wälder auf die lange
       Bank schieben und auch noch weiter abschwächen. Eine Mehrheit der
       Abgeordneten stimmte am Donnerstag in Brüssel für eine Vertagung [1][der
       Entwaldungsverordnung] sowie für zusätzliche, bisher nicht vorgesehene
       Ausnahmeregeln. Nun werden neue Verhandlungen mit den 27 EU-Staaten fällig.
       
       Die Mitgliedsländer hatten sich bereits im Oktober dafür ausgesprochen, die
       Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten um ein Jahr aufzuschieben. Das
       Europaparlament geht aber noch weiter. So soll eine Kategorie von
       Nichtrisikoländern eingeführt werden. Für Produkte dieser Länder würden
       weniger strenge Regeln gelten.
       
       Wegen dieser und anderer Änderungen muss sich erneut der Ministerrat mit
       der Verordnung befassen. Die Gespräche im sogenannten Trilog dürften kurz
       vor Weihnachten stattfinden. Wenn es dort nicht zu einer Einigung kommt,
       könnte die ursprünglich verabschiedete Entwaldungsverordnung, wie geplant,
       schon ab 2025 gelten. Der Waldschutz hängt so in der Luft.
       
       Verantwortlich dafür ist die konservative Europäische Volkspartei, der auch
       CDU/CSU angehören. Sie hat sich für die Änderungen starkgemacht und diese
       in einem Eilverfahren auch mit den Stimmen von Liberalen, Rechtspopulisten
       und AfD-Politikern durchgesetzt. Die anderen Parteien beklagen einen Bruch
       der [2][„Brandmauer“ gegen rechts].
       
       ## Warnung Richtung von der Leyen
       
       Zum ersten Mal habe die EVP bei einem Gesetzgebungsverfahren gemeinsame
       Sache mit den Rechten gemacht, hieß es bei Sozialdemokraten und Grünen.
       Dies sei gegen alle Absprachen und könne auch Konsequenzen haben, wenn es
       [3][um die Bestätigung der neuen EU-Kommission gehe] – sieben designierte
       Kommissare warten noch auf grünes Licht des Parlaments.
       
       Die Verhandlungsführerin der EVP, die CDU-Abgeordnete Christine Schneider,
       wies die Vorwürfe zurück. „Ich habe nicht mit der extremen Rechten
       gespielt“, sagte Schneider. „Wir sind alle ins Parlament gewählt worden, um
       unsere Arbeit zu machen.“ Das Parteibuch dürfe dabei keine Rolle spielen.
       Vielmehr gehe es um die Sache.
       
       Doch auch inhaltlich gibt es deutliche Kritik an der neuen Fassung der
       Entwaldungsverordnung. Das Gesetz sieht vor, dass [4][Produkte wie Kaffee,
       Holz, Soja, Kakao und Palmöl künftig nur noch dann in der EU verkauft
       werden dürfen, wenn dafür nach 2020 keine Wälder gerodet] wurden. „Die
       Änderungen der EVP öffnen die Tür für Greenwashing“, kritisiert die
       Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Einen alten Mischwald abzuholzen und zum
       Ausgleich an anderer Stelle eine Monokultur zu pflanzen sei katastrophal
       für die Biodiversität, so Cavazzini. Doch unter dem von der EVP
       formulierten Vorschlag könnten sich Länder, die als „ohne Risiko“ gelten,
       ein solches Szenario leisten. Auch Deutschland würde in diese Kategorie
       fallen.
       
       Verärgert sind auch die Sozialdemokraten. „Mit ihren unverantwortlichen
       politischen Spielchen verursacht die EVP eine Hängepartie für alle
       Beteiligten“, sagte Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der
       Europa-SPD. Die Linke moniert, dass ein Eilverfahren nur für politisch
       unstrittige Einscheidungen vorgesehen sei. Zudem hätten etliche
       Wahlmaschinen nicht richtig funktioniert. Der Linken-Abgeordnete Jonas
       Sjöstedt fordert, die Abstimmung zu wiederholen. Parlamentspräsidentin
       Roberta Metsola lehnt dies aber ab, sie will lediglich die Ursache des
       technischen Problems ermitteln lassen.
       
       14 Nov 2024
       
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