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       # taz.de -- Verfassungsgericht entscheidet: Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
       
       > Klagen zwecklos: Das Bundesverfassungsgericht überlässt dem Gesetzgeber
       > die Festsetzung der Bafög-Höhe. Ein individueller Anspruch bestehe nicht.
       
   IMG Bild: Wem das Bafög nicht reicht, der kann ja arbeiten, findet das Bundesverfassungsgericht
       
       Berlin taz | Studierende können eine existenzsichernde Bafög-Höhe nicht
       einklagen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer an diesem Mittwoch
       veröffentlichten Grundsatzentscheidung festgestellt, dass sich aus dem
       Grundgesetz kein ausbildungsbezogenes Existenzminimum ergibt.
       
       Das Bafög wurde 1971 eingeführt. Es soll jungen Menschen das Studium
       ermöglichen, auch wenn ihre Eltern nicht über die nötigen finanziellen
       Mittel verfügen. Derzeit bekommt rund ein Fünftel aller Studierenden Bafög.
       Die Zahlung besteht aus einer Grundpauschale, die seit dem Sommer bei 475
       Euro liegt und um einen Wohnungszuschuss von 380 Euro ergänzt werden kann.
       Daneben haben Studierende keinen Anspruch auf Bürgergeld, sondern müssen
       notfalls arbeiten oder sich Geld leihen. Auch die Hälfte des erhaltenen
       Bafögs ist nach dem Studium zurückzuzahlen.
       
       [1][Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig kam 2021 in einem Fall] aus dem
       Wintersemester 2014/15 zum Schluss, dass die damalige Bafög-Grundpauschale
       von 373 Euro verfassungswidrig niedrig war. Die Leipziger Richter:innen
       gingen davon aus, dass bedürftige Studierende einen weitergehenden
       „verfassungsrechtlichen Anspruch auf Ausbildungsförderung“ haben. Da nur
       das Bundesverfassungsgericht Gesetze für verfassungswidrig erklären kann,
       musste jedoch Karlsruhe hierüber entscheiden.
       
       Das Bundesverfassungsgericht wies nun aber die Annahme des
       Bundesverwaltungsgerichts zurück. Aus dem Grundgesetz ergebe sich keine
       individuell einklagbare Bafög-Höhe. Die Bafög-Höhe wird also wie bisher
       ausschließlich vom Bundestag bestimmt.
       
       ## Die können ja arbeiten
       
       Die Verfassungsrichter:innen stellen fest, dass das Grundrecht auf
       ein menschenwürdiges Existenzminimum bei Studierenden nicht passt. Denn
       diese könnten ihre Existenz sichern, indem sie arbeiten. Dass sie dann
       nicht studieren können, verletze nicht ihre Menschenwürde.
       
       Es gebe zwar ein verfassungsrechtliches „Recht auf Teilhabe am staatlichen
       Studienangebot“, das aber laut Bundesverfassungsgericht ebenfalls nicht
       passt. Hiermit können Auswahlverfahren bei Studienplatzmangel überprüft
       werden, aber keine materiellen Leistungen eingefordert werden.
       
       Auch aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ergebe sich kein Anspruch
       auf eine ausreichende Bafög-Höhe, so die Karlsruher Richter:innen. Zwar
       habe der Staat den „Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und
       Ausbildungschancen“. Die staatlichen Mittel seien jedoch begrenzt, auch
       wegen der grundgesetzlichen Schuldenbremse, auf die die Richter:innen
       ausdrücklich verweisen.
       
       Deshalb müsse der Gesetzgeber Prioritäten setzen. Schließlich könne der
       Zugang zu einer Hochschulbildung in vielen Lebensphasen behindert werden,
       nicht nur durch eine unzureichende Bafög-Höhe; so könne schon die mangelnde
       frühkindliche Förderung Lebenschancen abschneiden. Für welche
       Sozialleistung wie viel Steuergeld ausgegeben wird, müsse deshalb der
       Bundestag entscheiden.
       
       Klagen gegen die Bafög-Erhöhung im Sommer, die weithin als unzureichend
       wahrgenommen wurde, haben nun keine Aussicht auf Erfolg mehr.
       
       Vertreter:innen des studentischen Dachverbands fzs reagierten
       enttäuscht. Die Entscheidung sei ein Schlag ins Gesicht für alle
       Studierenden, die auf BAföG angewiesen sind, so Lisa Iden vom Vorstand. „In
       unseren Augen muss allen Menschen der Weg ins Studium offenstehen.
       Studentische Armut als von Studierenden selbstverschuldete Situation
       darzustellen, verkennt das eigentliche Ziel des BAföGs: Chancengleichheit.“
       Man hoffe, dass der Gesetzgeber dennoch zur Vernunft komme und endlich für
       Bildungsgerechtigkeit einstehe.
       
       Az.: 1 BvL 9/21
       
       30 Oct 2024
       
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