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       # taz.de -- Nutri-Score und Tierwohl-Label: Verloren im Label-Dschungel
       
       > Ist der Käse nun von glücklichen Kühen, oder nicht? Labels, die im
       > Supermarkt für Orientierung sorgen sollen, haben mitunter den
       > gegenteiligen Effekt.
       
   IMG Bild: Ob die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) beim Einkaufen auf den Nutri-Score achtet?
       
       Verwirrt starre ich vor dem Kühlregal auf das Stück Käse, das ich kaufen
       will. Hatte der nicht beim letzten Einkauf eine deutlich bessere Bewertung
       beim Nutri-Score? Also bei dieser Skala, die auf der Verpackung deutlich
       machen soll, was man seinem Körper antun wird, nimmt man den
       Verpackungsinhalt zu sich.
       
       Nicht, dass ich an Hand des Scores entscheiden würde – aber verwirren tut
       es mich trotzdem. Ein paar Sekunden später der Aha-Effekt: Ich schaue nicht
       auf den [1][Nutri-Score], sondern auf das [2][Tierwohl-Label]. Und während
       beim Nutri-Score die beste Kategorie fett und grün links steht, ist es beim
       Tierwohl-Label umgekehrt: Hier ist am besten, was fett und grün rechts
       steht. Außerdem geht der Nutri-Score von A bis E, während das
       Tierwohl-Label von 1 bis 4 reicht. Gab es nicht mal Regeln, die solch
       verwirrendes Design verbieten? Ach nein, das war bei Cookie-Bannern im
       Internet.
       
       Vielleicht waren Lebensmittelindustrie und Politik irgendwann die ewige
       Debatte über die Irrlogik von Mehrwertsteuersätzen leid geworden. Wieso
       will es der Bevölkerung einfach nicht einleuchten, dass auf Trüffel 7
       Prozent anfallen, auf Windeln aber 19 Prozent? Warum für Babynahrung mehr
       fällig ist als für Tiernahrung und für die Brille mehr als fürs Hörgerät?
       Schon klar – das mal grundsätzlich zu reformieren, würde in eine
       Lobbyschlacht ungesehenen Ausmaßes ausarten. Daher musste eine andere
       Lösung her. Und die war? Etwas Neues, ähnlich Unlogisches, an dem Menschen
       mit Hang zum Detail sich abarbeiten können.
       
       Dürfen wir also vorstellen: der Nutri-Score. Soll einen Weg durch den
       Lebensmittel-Dschungel schlagen, schlingt aber leider nur ein paar neue
       Lianen um die Bäume. Zum Beispiel: Im Regal stehen Weißmehlbrötchen mit
       einem grünen A. Etwas weiter kommt das Olivenöl nur auf ein gelbes C. Und
       das Schoko-Müsli trägt ein B. Wahrscheinlich, weil sich seine 3 Zuckerarten
       nur auf 14 Gramm pro 100 Gramm Müsli verteilen und nicht auf 22 Gramm wie
       bei seinem Nachbarn.
       
       ## Nussmischung oder Tiefkühlpizza?
       
       Die etwas erratische Einstufung hat viel damit zu tun, dass die Berechnung
       zwar diverse Nährwerte, aber nicht den Verarbeitungsgrad von Produkten
       berücksichtigt. Und dass positiv bewertete Nährwerte nachteilige teilweise
       wettmachen können. Also: Etwas mehr Proteine und Ballaststoffe würde im Öl
       zwar keinen Sinn ergeben – aber einen besseren Nutri-Score. Dieses Prinzip
       kann schon mal dazu führen, dass die Tiefkühlpizza besser abschneidet als
       die Nussmischung. Ob das der gewünschte Effekt ist? Denn dass die Skala
       eigentlich nur einen Vergleich innerhalb einer Produktgruppe erleichtern
       soll, also [3][Pizza] mit Pizza – Hand hoch, wer hat’s gewusst?
       
       Aber keine Angst: Falls es irgendwann doch mal alle verstanden haben und
       sämtliche Produkte den Nutri-Score tragen, gibt es bestimmt schöne neue
       Ideen. Vielleicht eine Länge-des-Transportwegs-Skala in senkrecht und mit
       Schulnoten von 1 bis 6? Oder eine CO2-Bilanz in Form eines Fußabdrucks?
       Nein, das wäre wahrscheinlich schon wieder zu sinnvoll.
       
       4 Nov 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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