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       # taz.de -- Wohnraumkrise: Ungewöhnliches Bündnis fordert Baupolitik heraus
       
       > Der Deutsche Mieterbund und die Lobby privater Eigentümer fordern
       > gemeinsam einen Kurswechsel. Die Linkspartei geht einen Schritt weiter.
       
   IMG Bild: In einem ehemaligen Woolworth-Haus in Oberhausen werden Mietwohnungen gebaut
       
       Dass Mieter:innen und Vermieter:innen Kämpfe zusammen führen, ist
       selten. Ihre Klassenstandpunkte sind eigentlich gegensätzlich. Doch genau
       das ist an diesem Montag in Berlin passiert. Der Deutsche Mieterbund und
       die Interessengemeinschaft privater Haus-, Wohnungs- und
       Grundstückseigentümer:innen, „Haus & Grund“ haben einen gemeinsamen
       Forderungskatalog an die Bundesregierung vorgestellt, um den Wohnungsbau
       wieder anzukurbeln.
       
       Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, betonte dabei die
       Relevanz von gefördertem Wohnraum. Eigentlich hatte Bundesbauministerin
       [1][Klara Geywitz] bei ihrem Amtsantritt angekündigt, 100.000 geförderte
       Wohnungen jährlich bauen, dazu nochmal 300.000 nicht geförderte. Dieses
       Versprechen hat die Ampelkoalition nicht eingehalten, inzwischen gebe es
       beim Neubau sogar einen Abwärtstrend. Allerdings spielen hierbei auch die
       Folgen des Ukrainekriegs eine Rolle, die den Hausbau verteuert haben.
       
       Kritik kommt auch von der neuen Bundesvorsitzenden der Linkspartei, Ines
       Schwerdtner. „Es war ein offensichtlicher Fehler, dass die Ampel-Regierung
       dabei auf die Privatwirtschaft gehofft hat, [2][statt den Wohnungsbau
       selbst] in die Hand zu nehmen“, sagte sie auf Anfrage der taz.
       
       In dem Positionspapier finden sich fünf Forderungen. Die erste ist ein
       Zinsverbilligungsprogramm für den Wohnungsbau, da neben den Preisen für
       Rohstoffe auch die Bauzinsen gestiegen sind. Zudem müsse Bauland
       mobilisiert werden. Hier seien die Preise zwischen 2012 und 2022 um
       durchschnittlich 83 Prozent gestiegen.
       
       ## Man brauche mehr als Bauerleichterungen
       
       Auch eine Reform der Grunderwerbsteuer soll helfen. Denn große
       Immobilienkonzerne würden diese momentan mit sogenannten Share-Deals
       umgehen. Dadurch würden Ländern und Kommunen 1 Milliarde Euro an
       Steuereinnahmen fehlen. Siebenkotten bezeichnete das als einen Skandal. Die
       Ampelregierung habe sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, an diese
       Praxis heranzugehen.
       
       Zudem fordern die Interessenverbände, dass Bürokratie, Abgaben und Steuern
       reduziert werden und nicht notwendige technische Standards und DIN-Normen
       abgeschafft werden.
       
       Schwerdtner ist vorsichtig optimistisch ob des ungewöhnlichen Bündnisses.
       „Die vorgeschlagenen Maßnahmen kann man im Einzelnen durchaus diskutieren,
       sie können sowohl für Wohnungsbaugenossenschaften als auch für einzelne
       Häuslebauer eine Hilfe sein. Um dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu
       begegnen, sind aber mehr als Bauerleichterungen notwendig“, sagte sie auf
       Anfrage der taz. Es brauche einen bundesweiten Mietendeckel. Neben dem
       Neubau bezahlbarer Wohnungen in genossenschaftlicher Hand müssten
       öffentliche Träger zudem selbst in größerem Umfang bauen.
       
       Sebastian Schipper von der Frankfurter Goethe-Uni findet die Punkte im
       Papier ebenfalls nicht verkehrt. Sie würden allerdings den kleinsten
       gemeinsamen Nenner der beiden Akteure darstellen. Der Professor für
       geografische Stadtforschung vermisst allerdings Aspekte wie mehr
       Mieterschutz, dauerhaft gebundene Sozialwohnungen und die Ausgestaltung
       einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit.
       
       ## „Miethaie müssen enteignet werden“
       
       Auf der Pressekonferenz waren auch die Bonner Caritas und Diakonie
       anwesend. Sie stellten eine neue Genossenschaft vor, die in Bonn 55
       barrierearme und preisgebundene Wohnungen errichten wolle. Dieses Vorhaben
       stoße bereits auf ein hohes Interesse, auch in anderen Gemeinden.
       
       Das bewertet Schipper positiv. „Genossenschaften zu gründen, ist immer eine
       gute Idee. In diesem Fall ermöglicht durch eine Kooperation der beiden
       Verbände; das ist schon bemerkenswert und spannend. Gerne mehr davon.“
       
       Zudem müssten [3][Wohnungskonzerne] vergesellschaftet werden, sagte er der
       taz. Letzteres fordert auch Schwerdtner: „Die großen Miethaie wie Vonovia &
       Co müssen enteignet werden.“ Spätestens bei diesen Forderungen dürfte die
       Einigkeit von Mieter:innen und Vermieter:innen ein jähes Ende haben.
       
       4 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wohnungskrise-in-den-Staedten/!6023899
   DIR [2] /Desaster-in-der-Wohnungsbaupolitik/!6009181
   DIR [3] https://www.fr.de/wirtschaft/vergesellschaftung-ist-moeglich-92374906.html
       
       ## AUTOREN
       
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