# taz.de -- Angeblich zu „woke“ Videospiele: Gamer:innen gegen Gendergaga
> Eine Liste bewertet über 1.500 Spiele, ob sie „zu woke“ sind – und zeigt
> vor allem eins: Der Kampf gegen Diversität in der Gamingwelt ist absurd.
IMG Bild: Auch auf der Tabu-Liste: Das Spiel „Tell me why“, weil einer der Charaktere trans ist
Sie ist lang, inkonsistent und das vielleicht peinlichste digitale
Schriftstück des Jahres. Seit einigen Monaten kursiert im Internet eine
(wachsende) Liste, die Videospiele nach ganz besonderen Kriterien
rezensiert: die „Woke Content Detector’s Curated List of Games“. Gelistet
sind in dem Google-Sheet mehr als 1.500 Spiele, und knapp die Hälfte ist
mit „not recommended“ bewertet, weil sie angeblich zu woke sind.
[1][„Woke“ – der Begriff kam einst von links] und bedeutete zunächst, dass
man wach ist für Diskriminierungsformen wie Rassismus. Mittlerweile ist das
Wort zum politischen Kampfbegriff der Rechten mutiert und wird benutzt, um
Menschen, die auf Diskriminierung hinweisen, als abgehoben oder pingelig zu
diffamieren.
Das Ziel der Liste sei, zu zeigen, wie stark Spiele politische Botschaften
transportieren, schreibt Furin, der anonyme Urheber der Liste, in seiner
Gruppe auf der Gaming-Plattform Steam. Laut der Liste sollte man – Stand
Sonntag – 54 Prozent der Spiele auf der Liste nicht zocken, weitere 21
Prozent mit Vorsicht. Nur 26 Prozent werden empfohlen.
[2][In „Dragon Age: The Veilguard“] kann man Charaktere mit
Weißfleckenkrankheit erstellen – nicht empfohlen! Und bei „Until Dawn“
spielt ein Pärchen, bestehend aus einem Schwarzen Mann und einer asiatisch
gelesenen Frau, eine Hauptrolle – nicht empfohlen!
Das allerwichtigste Cancel-Thema: LGBTQ+-Content. Die Abkürzung taucht in
der Tabelle 1.004-mal auf. Damit ein Videospiel unten durch ist, reicht es,
wenn bei der Charaktererstellung statt „Mann“ und „Frau“ verschiedene
Körperformen auswählbar sind. Das macht die Spiele für die
Urheber:innen zu gefährlichen Propagandawerkzeugen der woken Bewegung.
## Irritierte Nachfragen
Laut der Liste ist auch woke, was für Klimaaktivismus und ein
Abtreibungsrecht sowie gegen Kapitalismus und Meinungsfreiheit ist.
Konsistent oder nachvollziehbar ist daran nichts, nicht einmal für die
eigene Steam-Community, deren knapp 2.000 Mitglieder fast täglich
irritierte Nachfragen stellen.
Die armen Gamer:innen haben es nicht leicht. Sie wollen einfach nur
zocken und müssen dann dauernd den Anblick von Regenbogenflaggen ertragen!
Die Liste ist ein verzweifelter Versuch, Gaming zu entpolitisieren. Der
wird aber zwangsläufig scheitern, denn sobald Geschichten erzählt werden,
wird es politisch.
Die Liste ist ein peinliches Aufbäumen gegen eine sich schnell verändernde
Gaming-Industrie. Damit tun sich rechte Gamer:innen keinen Gefallen. In
ein paar Jahren können sie gar nichts mehr zocken, weil sie die
Veränderungen, die sich in Videospielen spiegeln werden, nicht ertragen.
Entgegen der Annahmen von Furin und Co. ist der Anteil der queeren
Charaktere in Videospielen unterdurchschnittlich. Etwa jede sechste
Zocker:in ist queer, aber nur 1 von 50 Spielen enthält queeren Content.
Auch andere marginalisierte Gruppen sind unterrepräsentiert. Die
politischen Kämpfe von Feminist:innen, PoCs und Queers müssen in
Videospielen sichtbarer werden.
17 Nov 2024
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Alexandra Hilpert
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