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       # taz.de -- BSW und „Freie Sachsen“: Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
       
       > Im sächsischen Görlitz hat ein BSW-Abgeordneter mit den „Freien Sachsen“
       > für „Frieden“ protestiert. Die Wagenknecht-Partei blinkt weiter nach
       > rechts.
       
   IMG Bild: Rechtsextreme „Freie Sachsen“ schwenken gerne ihre Fahnen, wie hier in Dresden im Oktober 2024
       
       Berlin taz | Es ist die prorussische Querfront, wie Wladimir Putin sie sich
       überall in Deutschland wünschen würde: In Görlitz hat der
       Landtagsabgeordnete Jens Hentschel-Thöricht vom Bündnis Sahra Wagenknecht
       (BSW) auf einer „Friedensdemo“ der extrem rechten Szene und dem
       Coronaprotest-Milieu geredet. Die Demo organisiert hatten das
       verschwörungsideologische Bündnis Oberlausitz, das zusammen mit den
       rechtsextremen „Freien Sachsen“ in Bautzen eine Kreistagsfraktion stellt.
       
       Videos vom Marienplatz in Görlitz zeigen mehrere Dutzend Demonstrierende,
       die letzten Samstag als Querfront der Putinfreunde Friedensbewegung
       simulieren. Sie zeigten dabei Slogans wie „Diplomaten statt Granaten“ –
       aber auch AfD-Herzen, Russland- und Compact-Fahnen, Friedenstauben,
       schwenkten Fahnen der „Freien Sachsen“ oder schlicht eine mit dem Slogan
       „Widerstand“ in altdeutschen Lettern. Laut Polizei nahmen 250 Personen
       teil, während des Aufzugs wurde ein Gegendemonstrant beleidigt.
       
       Während der eher kurzen Rede des BSW-Abgeordneten Hentschel-Thöricht ging
       er nicht auf den Aggressor im Ukrainekrieg ein, wünschte sich aber vom
       Publikum, dass es bei der Bundestagswahl keine „Kriegshasardeure“ wählen
       solle: „Da ist Merz genauso gemeint wie Scholz: alles eine Sippe“, so
       Hentschel-Thöricht.
       
       Seine Rede passte zu anderen Redebeiträgen und dem auch bei den „Freien
       Sachsen“ üblichen Geraune vom „ausländischen Hegemon“. Hetze gegen
       „Brandmauern“, „linksgrüne Regenbogenagenda“ und Geflüchtete durften auch
       nicht fehlen.
       
       Der Elefant im Raum blieb dabei unerwähnt: Dass eine diplomatische Lösung
       vor allem an den Vorbedingungen von Putin scheitert, wie etwa kurz zuvor
       die Gesprächsinitiative von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gezeigt hat,
       der Ende vergangener Woche mit einem einstündigen Telefongespräch an Putin
       [1][abperlte]. Russland reagierte mit heftigen Raketenangriffen [2][auf die
       ukrainische Stromversorgung] und griff damit erneut die dortige
       Zivilbevölkerung an.
       
       ## „Freie Sachsen“ bedanken sich
       
       Die „Freien Sachsen“ schlachteten die Teilnahme des BSW-Abgeordneten
       genüsslich aus und warben damit großflächig auf ihrem Telegram-Kanal mit
       130.000 Followern.
       
       Das BSW hatte kürzlich im Bundestag bereits als einzige andere Gruppe oder
       Fraktion für eine von der AfD vorgeschlagene Tagesordnung gestimmt. In
       Sachsen ließ das BSW gerade die Koalitionsgespräche mit CDU und SPD
       platzen. Der sächsische BSW-Abgeordnete Hentschel-Thöricht selbst hatte im
       Vorfeld der Demo noch relativiert und [3][der Sächsischen Zeitung gesagt]:
       „Extremisten gibt es in etlichen Zusammenschlüssen, dennoch sollten keine
       Pauschalurteile gefällt werden.“ Schließlich schaue sich das BSW ja auch in
       den Parlamenten „Anträge in der Sache an und nicht am Einreicher“.
       Hentschel-Thöricht war früher Fraktionschef der Linken im Zittauer Stadtrat
       und beim Ordnungsamt in der Kleinstadt Seifhennersdorf tätig.
       
       Der BSW-Bundesverband ging auf taz-Anfrage am Montag auf Abstand. Ein
       Sprecher sagte: „Wir haben heute von der Angelegenheit erfahren – und
       bedauern diese sehr. Selbstverständlich verbindet uns rein gar nichts mit
       den Freien Sachsen.“ Auch die Vorsitzende des sächsischen Landesverbands
       Sabine Zimmermann distanzierte sich gegenüber der taz: „Selbstverständlich
       sind die Freien Sachsen keine Partner für uns, eine Zusammenarbeit mit uns
       gibt es nicht. Wir waren leider über die Veranstaltung nicht informiert und
       bedauern das.“
       
       Bemerkenswerterweise klang auch der sächsische BSW-Abgeordnete
       Hentschel-Thöricht am Montag plötzlich recht kleinlaut: „Ich wusste nicht,
       dass auf der Kundgebung ein Redner spricht, der den Freien Sachsen
       nahesteht. Hätte ich das gewusst, wäre eine Teilnahme für mich undenkbar
       gewesen. Es tut mir leid, dass ich hier nicht genauer nachgefragt habe.“
       Blöd nur, dass bereits vor der Kundgebung der Hintergrund des
       Demo-Bündnisses kein Geheimnis war – zumal das Bündnis und seine extrem
       rechten Netzwerke in der Region [4][schon lange bekannt sind].
       
       ## Protest gegen Rüstungskonzern
       
       Versammelt hatten sich der BSW-Abgeordnete und das Bündnis für Oberlausitz
       unter dem Titel „Oberlausitz für Frieden und Abrüstung“ vor allem gegen die
       Verlegung der Rüstungsproduktion des Konzerns KNDS in das dortige, von
       Schließung bedrohte Werk des Alstom-Konzerns. Möglich ist etwa, dass sich
       dort die Waffenfirma ansiedelt, um [5][Radschützenpanzer Boxer zu bauen].
       
       Nun ist es per se alles andere als verwerflich gegen Rüstungskonzerne zu
       demonstrieren. Absurd wird es jedoch, wenn man sich anschaut, mit wem der
       BSW-Abgeordnete bei der Kundgebung auf der Bühne stand und für „Abrüstung“
       protestierte. So sprach auch Marcus Fuchs aus Arnsdorf, Kopf der
       Querdenken-Demos in Dresden, auf der Veranstaltung. Der wurde im Mai für
       die Verbreitung russischer Propaganda sogar zu einer Geldstrafe von 50
       Tagessätzen á 30 Euro verurteilt, weil er laut Gericht den öffentlichen
       Frieden durch Billigung eines Angriffskrieges gestört habe. Fuchs hatte im
       Oktober 2022 [6][Russlands Krieg als „Verteidigungs-Spezialoperation“
       verharmlost], die angeblich laut UN-Charta „explizit erlaubt“ sei.
       
       Die damalige Demo war wiederum [7][direkt von den Freien Sachsen
       angemeldet]. Die Rechtsextremen lehnen die Demokratie offen ab und wollen
       das sächsische Königshaus zurück. Nach dem Überfall auf die Ukraine
       demonstrierten sie mit Putin-Masken und russischen Fahnen. Auch die
       Corona-Proteste heizten sie an, was nicht zuletzt dazu führte, dass
       Protestierende mit Fackeln vor Privathäuser von Politiker*innen zogen.
       Ebenso gab es in der Szene Ermittlungen wegen [8][Mordplänen gegen den
       Ministerpräsidenten Michael Kretschmer] (CDU).
       
       ## Antrag mit AfD geht trotzdem
       
       Das Bündnis Oberlausitz ist bei den letzten Kommunalwahlen zusammen mit den
       Freien Sachsen angetreten. Die Organisatoren veranstalten seit 2021 bereits
       als „Mahnwache Bautzen“ verschwörungsideologische Demos, bei denen auch
       etwa Martin Kohlmann, der Vorsitzende der Freien Sachsen, aber auch
       AfD-Politiker sprachen. Kohlmann hatte schon 2018 bei den extrem rechten
       Unruhen in Chemnitz zu Selbstjustiz aufgerufen.
       
       Die Grünen im sächsischen Landtag kritisierten das Auftreten des
       BSW-Abgeordneten: „Der Vorgang zeigt, dass das BSW relativ skrupellos ist
       und ganz grundsätzlich Abgrenzungen nicht verstanden hat oder nicht
       verstehen will“, sagte Parlamentarische Geschäftsführer Valentin Lippmann
       der Bild.
       
       An der Querfront nach Rechtsaußen wird unterdessen in Sachsen
       weitergestrickt: In der Zwischenzeit hat BSW-Chefin Sabine Zimmermann
       angekündigt, einem Antrag der AfD gegen die Stationierung von
       amerikanischen Mittelstreckenraketen zustimmen zu wollen. Die AfD gilt in
       Sachsen sogar laut Verfassungsschutz ebenfalls „gesichert rechtsextrem“.
       
       19 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesschau.de/inland/scholz-telefonat-putin-100.html
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-luftangriffe-stromnetz-100.html
   DIR [3] https://www.saechsische.de/lokales/goerlitz-lk/goerlitz/goerlitzer-bsw-demonstriert-gemeinsam-mit-den-freien-sachsen-GGBSSHO5TBHM7A4PDGJW4YDKZM.html
   DIR [4] https://www.saechsische.de/lokales/bautzen-die-stadt-der-protest-der-voelkische-christ-3F4NXCC433UYP2LAJAYMYI6ULU.html?authId=1*jzx9jd*_a*ZVoxY245ZU9pUVJtTU00eDIwODFObkN3NjYwRXZJX3BhMmlVYWo4TmY1ajhDcmFwSm0tcHQ4bUtNM2FRdHNScQ
   DIR [5] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/ruestungskonzern-investor-alstom-werk-interesse-100.html
   DIR [6] https://www.saechsische.de/lokales/dresden/urteil-in-dresden-propaganda-maerchen-russlands-verbreitet-2QV6Z23KSQB6KWBTA5QPF3UOJM.html
   DIR [7] https://www.saechsische.de/lokales/bautzen-lk/kreistagswahl-bautzen-2024-wer-steht-hinter-dem-buendnis-oberlausitz-IDRQB2PQVXLKJJAYJHEXOY3WAA.html
   DIR [8] /Mutmassliche-Drohungen-auf-Telegram/!5822460
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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