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       # taz.de -- Zum Tod von Celeste Martins Caeiro: Das Gesicht der Nelkenrevolution
       
       > Die Portugiesin verschaffte der Nelkenrevolution ihren Namen. Jetzt ist
       > sie im Alter von 91 Jahren verstorben.
       
   IMG Bild: Ein bescheidenes Leben: Bis zu ihrem Tod musste Celeste Martins Caeiro mit 370 Euro Rente über die Runden kommen
       
       Madrid taz | Eine paar Handvoll Menschen sangen vor dem Lokal der
       Kommunistischen Partei Portugals auf der Avenida da Liberdade am
       Sonntagnachmittag das Lied [1][„Grândola, Vila Morena“]. Es ist dieser
       Song, dessen Ausstrahlung einst am 24. April 1974 zum Aufstand eines Teiles
       der portugiesischen Armee gegen die Diktatur rief und damit die Revolution
       auslöste. Sie schwangen rote Fahnen und riefen „25. April immer, Faschismus
       nimmer“.
       
       Es war ihre Art, von Celeste Martins Caeiro Abschied zu nehmen, deren
       Leichnam von einer innerstädtischen Kirche auf den Friedhof überführt
       wurde. Die bescheidene Frau, die am Freitag im Alter von 91 Jahren an
       Atembeschwerden verstorben war, kennt in Portugal jeder. Sie war es, die
       mit einer Geste jener Revolution den Namen gab: [2][Nelkenrevolution.]
       
       Caeiro arbeitete in einem Selbstbedienungsrestaurant in Lissabon, das
       [3][an jenem 25. April 1974] den ersten Jahrestag feierte. Ihr Chef hatte
       Nelken gekauft, um jedem Kunden eine auf den Tisch zu legen. „Als ich zur
       Arbeit kam, schickte er uns angesichts der Armee auf den Straßen nach
       Hause“, erinnerte sich Caeiro in zahlreichen Interviews. Sie nahm einen
       Schwung Nelken mit. Auf dem Heimweg fragte sie die Soldaten, was sie
       vorhatten.
       
       Den Diktator Marcelo Caetano verhaften, antwortete einer und bat um eine
       Zigarette. „Ich rauchte nicht. Um ihm irgendetwas zu geben, schenkte ich
       ihm eine Nelke“, so die Erzählung von Caeiro. Der Soldat steckte die
       Pflanze in seinen Gewehrlauf. Seine Kameraden taten es ihm nach. Die Bilder
       dieser Soldaten, die tatsächlich der seit 1926 andauernden Diktatur ein
       Ende setzten, gingen um die Welt. Der Name „Nelkenrevolution“ war geboren.
       
       ## Alleinerziehend, Arbeiterin, Kommunistin
       
       Aus Celeste Martins Caeiro wurde „Celeste dos Gravos“, die
       „Nelken-Celeste“. Sie lebte ein einfaches Leben. Die 1933 geborene war
       Tochter einer Einwanderin aus der benachbarten spanischen Region Galizien
       und eines portugiesischen Vaters. Als dieser ihre Mutter verließ, wuchs
       Caeiro in unterschiedlichen Heimen auf. Sie ging auf eine
       Krankenschwesterschule. Doch den Beruf übte sie aus gesundheitlichen
       Gründen nie aus.
       
       Stattdessen arbeite Caeiro in Geschäften und Restaurants, wurde selbst zur
       alleinerziehenden Mutter, verlor ihr spärliches Hab und Gut bei einem
       Brand. Bis zu ihrem Tod musste Caeiro mit 370 Euro Rente über die Runden
       kommen. Für ihr Hörgerät hatten Genossen eine Sammlung organisiert.
       
       Celeste Caeiro war ihr Leben lang Mitglied der Kommunistischen Partei.
       Ersten Kontakt mit dem Widerstand gegen die Diktatur bekam sie als
       Jugendliche im Hause ihres Onkels in Südportugal. Bald schon hatte sie auch
       in Lissabon Kontakte. Sie arbeitete in einem Tabakladen, in dem unterm
       Ladentisch Literatur gegen den „Neuen Staat“ – wie die Diktatur offiziell
       hieß – vertrieben wurde. In ihrer Freizeit besuchte sie immer wieder
       Gerichtsverfahren, etwas, was ihren Widerstandswillen bestärken sollte.
       
       ## Armee veröffentlicht Nachricht für Caeiro
       
       Trotz ihrer Bekanntheit wurde Caeiro kaum offiziell ausgezeichnet. Erst vor
       wenigen Monaten bekam sie die Ehrenmedaille ihrer Heimatstadt Lissabon. Der
       Stadtrat beschloss, eine Straße, einen Platz oder eine Einrichtung nach ihr
       zu benennen. Das wird Caeiro, die bei der Gedenkdemonstration am
       diesjährigen 25. April – dem 50. Jahrestag der Nelkenrevolution – ihren
       letzten öffentlichen Auftritt hatte, nicht mehr miterleben. Staatspräsident
       Marcelo Rebelo de Sousa will sie jetzt posthum ehren.
       
       Die portugiesische Armee veröffentlichte eine Trauernachricht für die Frau,
       deren „Erbe in der Geschichte und Erinnerung von uns allen lebendig bleiben
       wird“. Auf den offiziellen Seiten der portugiesischen Armee und in den
       sozialen Netzwerken heißt es: „Celeste Caeiro wurde mit einer scheinbar
       einfachen Geste zum Symbol einer Bewegung, die Portugal für immer
       veränderte.“
       
       18 Nov 2024
       
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   DIR Reiner Wandler
       
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