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       # taz.de -- Was Videospiele mit Politik zu tun haben: Zeit, die Playstation wieder aufzubauen
       
       > Der Computerspiel-Klassiker Tetris ist wie die aktuelle Weltlage:
       > deprimierend und unbezwingbar. Es muss die Möglichkeit zum Sieg geben.
       
   IMG Bild: Tetris: Man gibt sich Mühe
       
       An Tetris muss ich in diesen Tagen denken. An dieses Spiel auf dem
       Schwarz-Weiß-Bildschirm des grauen Game Boy, nach dem ich süchtig war, und
       dessen eingängiger Sound manchmal heute noch auftaucht, auf dem
       Nachhauseweg, unter der Dusche, bei der Arbeit, einfach so, ohne
       Vorwarnung, und dann zum Ohrwurm wird: dim, diri dim, diri dim, diri dim,
       diri dim, di rim dim dim dim dim.
       
       Dieses blöde Spiel, bei dem man immer verloren hat, ganz egal, wie viel
       Mühe man sich gab, wie ehrgeizig und ausdauernd man dranblieb. Irgendwann
       wurden es einfach zu viele Balken, Quadrate, Ls und Ts, die viel zu schnell
       vom Himmel regneten, und man keine Lücke mehr fand, in die man sie
       geschickt reinfallen lassen konnte, um neuen Raum zu schaffen für neue
       Formen. Irgendwann quoll der ganze Bildschirm über und man hatte wieder
       einmal: verloren.
       
       Wie die [1][Spiele des glorreichen taz Panter FC] kannte dieses Spiel nur
       ein Ende: die Niederlage. Wieso denke ich ausgerechnet jetzt an Tetris, an
       dieses dumme, ätzende, nervige Spiel?
       
       Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen. Schon wieder. Dabei
       wurde doch so viel über Donald Trump und die Gefahren seiner
       Präsidentschaft geschrieben, gesprochen und davor gewarnt. Die
       Ampelregierung hat sich aufgelöst, im Februar wird auch [2][in Deutschland
       gewählt]. Im Moment aber lässt man sich lieber noch ein bisschen
       unterhalten von den [3][Intrigen der Ampelmänner]. Warum für Netflix
       bezahlen, wenn es dasselbe für umme und in echt gibt?
       
       ## Ein Leben ohne Spiel? Unvorstellbar
       
       Es ist wie eine kindliche Vermeidungsstrategie. Andererseits: Was bringt
       es, schon wieder vor der blaubraunen Gefahr zu warnen? Ohnehin zeigt die
       neue [4][Leipziger Autoritarismusstudie] doch: [5][Rassistische
       Einstellungen nehmen in Westdeutschland zu], nähern sich dem
       Verbreitungsgrad in Ostdeutschland an. Und: Jeder fünfte Deutsche kann sich
       [6][eine Diktatur] vorstellen.
       
       Man gibt sich Mühe. Man bleibt dran, konzentriert und ausdauernd und
       ehrgeizig. Aber der Bildschirm quillt halt über. Irgendwann hatte ich auf
       Tetris keinen Bock mehr und habe diesen hässlichen, unhandlichen und
       deprimierenden Game Boy in irgendeine Ecke geworfen. Aber ich wollte
       unbedingt weiterspielen. Ein Leben ohne Spiel konnte ich mir nicht
       vorstellen. Und ich wusste damals schon: Don’t hate the player, hate the
       game!
       
       In einem großen Elektromarkt, der zur Jahrtausendwende die große Welt in
       mein Kaff brachte, habe ich dann das erste Mal einen Playstation-Controller
       in der Hand gehalten. Mit der Kreistaste dieses Controllers habe ich mein
       erstes Tor bei Fifa geschossen. Und ich habe gewonnen – mit meiner
       Lieblingsmannschaft, dem in allen Aspekten unterlegenen [7][türkischen
       Erstligisten Beşiktaş,] gegen irgendeinen europäischen Topclub, Barcelona
       oder Mailand.
       
       Nach diesem Spiel habe ich viele weitere Spiele gewonnen. Ich habe auch
       verloren. Gar nicht so selten. Aber solange es die Chance gab, zu gewinnen,
       war es völlig okay zu verlieren. Wo der Game Boy heute ist, weiß ich nicht.
       Vielleicht liegt er auf einer einsamen Müllhalde. Meine erste Playstation
       habe ich natürlich aufbewahrt. Vielleicht sollte ich sie mal wieder
       aufbauen.
       
       19 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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