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       # taz.de -- Geschlechtsspezifische Gewalt: Fast jeden Tag ein Femizid in Deutschland
       
       > Gewalt gegen Frauen nimmt zu, letztes Jahr wurden 360 Femizide
       > registriert. Ministerin Paus setzt auf das Gewalthilfegesetz. Offen ist,
       > ob die Union mitmacht.
       
   IMG Bild: Zahlen, die erschüttern: Familienministerin Lisa Paus, gefolgt von Nancy Faeser und Michael Kretschmer am Dienstag in Berlin
       
       Berlin taz | Fast jeden Tag wird in Deutschland ein Mädchen oder eine Frau
       getötet. 2023 gab es fast 1.000 versuchte Femizide, 360 Mal starben ein
       Mädchen oder eine Frau dabei. Das geht aus dem aktuellen Lagebild
       [1][„Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“] hervor, das
       Lisa Paus (Grüne) und Nancy Faeser (SPD), die Bundesministerinnen für
       Frauen und Inneres am Dienstag vorgestellt haben. „Es entsetzt mich, diese
       Zahlen zu sehen“, sagte Faeser bei der Präsentation, bei der auch der
       Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA), Michael Kretschmer, dabei war.
       „Die Frauen werden Opfer, weil sie Frauen sind“.
       
       Das Lagebild zeigt, dass immer [2][mehr Frauen in Deutschland von Gewalt
       betroffen sind]. Dabei geht es zum Beispiel um Hass im Netz,
       Sexualstraftaten, Menschenhandel und häusliche Gewalt. Die Zahl der Opfer
       häuslicher Gewalt etwa stieg um 5,6 Prozent auf 180.715 Fälle pro Jahr. Mit
       mehr als 70 Prozent sind hierbei überwiegend Mädchen und Frauen betroffen.
       
       Die angezeigten Fälle digitaler Gewalt haben sich innerhalb von fünf Jahren
       auf mehr als 17.000 Fälle verdoppelt. Auch bei Sexualstraftaten verzeichnet
       das BKA einen Anstieg: Vergangenes Jahr waren 52.330 Mädchen und Frauen
       betroffen. Die Hälfte der Opfer war dabei jünger als 18 Jahre. Man gehe
       generell von einem hohen Dunkelfeld aus, sagte Kretschmer.
       
       ## Recht auf ein gewaltfreies Leben
       
       Alle Frauen hätten das Recht auf ein sicheres und gewaltfreies Leben, sagte
       Paus. „Das sollte in Deutschland selbstverständlich sein, aber die Realität
       ist eine ganz andere.“ Paus kündigte an, das lange erwartete
       Gewalthilfegesetz nächste Woche ins Kabinett einzubringen. Das Gesetz soll
       einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung in Gewaltfällen sowie den
       Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen festschreiben. Die Kosten für
       den Bund belaufen sich von 2027 bis 2036 auf mehr als zwei Milliarden Euro.
       
       Mit Finanzminister [3][Christian Lindner] (FDP) habe es lange keine
       Einigkeit über die Finanzierung gegeben, sagte Paus. Mit Lindners
       Nachfolger Jörg Kukies (SPD) gebe es die. Unklar bleibt dennoch, ob die
       nötige Mehrheit für das Gesetz im Parlament zustande kommt. Zwar hat die
       Union jüngst einen eigenen Antrag zum Thema Gewaltschutz vorgelegt. Der
       weist Ähnlichkeiten zu Paus' Gesetz auf, kann aber auch eine Vorarbeit für
       kommende Legislatur sein. Dass die Union noch gemeinsame Sache mit den
       Grünen macht, ist jedenfalls fraglich. Paus jedoch zeigte sich
       „zuversichtlich“, mit dem Gesetz zügig voranzukommen.
       
       Katja Grieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und
       Frauennotrufe (bff) forderte, das Gewalthilfegesetz noch diese Legislatur
       zu beschließen. „Wir brauchen jetzt keine Sonntagsreden, sondern eine
       fraktionsübergreifende Mehrheit des Bundestags und einen mutigen Bundesrat,
       der gewillt ist, geschlechtsspezifische Gewalt wirksam zu bekämpfen“, sagte
       sie.
       
       „Das Lagebild weist auf ein Ausmaß an Gewalt gegen Frauen hin, das wir als
       Gesellschaft nicht hinnehmen können“, sagte Sylvia Haller aus dem Vorstand
       des Deutschen Frauenrats. Die Forschung zeige, dass die angezeigten Fälle
       nur einen Bruchteil der erlebten Gewalt ausmachten. „Die Daten müssen ein
       Weckruf an alle demokratischen Parteien sein“, um in Gewaltschutz zu
       investieren und diesen gesetzlich abzusichern. Gökay Akbulut von der Gruppe
       der Linken forderte zudem, dass die geplante Koordinierungsstelle zur
       Umsetzung der [4][Istanbul-Konvention] gegen Gewalt gegen Frauen endlich
       ihre Arbeit aufnehme.
       
       19 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/11/lagebild-geschlechtsspezifische-gewalt.html
   DIR [2] /Gewalt-gegen-Frauen/!t5014588
   DIR [3] /Christian-Lindner/!t5007550
   DIR [4] /Istanbul-Konvention/!t5574951
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
       ## TAGS
       
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