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       # taz.de -- Gesetz für neuen Wehrdienst: Präsentiert Stift und Papier!
       
       > Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst
       > beschlossen. Junge Männer werden verpflichtet, einen Fragebogen
       > auszufüllen.
       
   IMG Bild: Die Bundeswehr will mehr: Rekruten bei der Grundausbildung bei einem Panzergrenadierbataillon in Mecklenburg-Vorpommern
       
       Berlin dpa | Grünes Licht für die Wehrdienst-Pläne von Boris Pistorius: Das
       Bundeskabinett hat gesetzlichen Änderungen für die Einführung eines neuen
       Wehrdienstes in Deutschland zugestimmt. Erklärtes Ziel des
       SPD-Verteidigungsministers ist es, dass alle jungen Männer, die vom
       kommenden Jahr an 18 Jahre alt werden, in einem digitalen Fragebogen
       Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst geben
       müssen. Junge Frauen können dies dagegen freiwillig machen.
       
       „Das Gesetz zum Neuen Wehrdienst ermöglicht uns, die Wehrerfassung wieder
       zu installieren, die es seit Aussetzung der Verpflichtung zum
       Grundwehrdienst 2011 nicht mehr gibt. Wenn es morgen zum Verteidigungsfall
       käme, wüssten wir nicht, wen wir einziehen könnten, weil es keine
       vollständige Datengrundlage gibt“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen
       Presse-Agentur. „Mit der Aussetzung des Wehrdienstes sind Wehrerfassung und
       Wehrüberwachung zerschlagen worden, obwohl der Staat gesetzlich dazu
       verpflichtet ist.“
       
       ## Zahl der Soldaten war zuletzt weiter im Sinkflug
       
       Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister
       Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam
       einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn gleichzeitig
       wurden praktisch alle Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst.
       
       Im Wehrpflichtgesetz ist aber weiter festgelegt, dass die Wehrpflicht für
       Männer auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall
       feststellt, ohne dass es nach 2011 noch konkrete Vorbereitungen für eine
       solche Situation gab. Personalsorgen der Bundeswehr haben zuletzt
       zugenommen und die Zahl der Soldaten war mit Stand Juni sogar unter 180.000
       Männer und Frauen gesunken. Es gibt zudem rund 60.000 beorderte – also fest
       eingebundene – Reservisten.
       
       ## Deutschland braucht im Ernstfall 460.000 Soldaten
       
       Wegen der veränderten Sicherheitslage ist der Bedarf Deutschlands für die
       Nato-Ziele aber ganz anders. „Der deutsche Beitrag zur Bündnisverteidigung
       erfordert langfristig einen Verteidigungsumfang von insgesamt rund 460.000
       Soldatinnen und Soldaten. Ein großer Teil davon, nämlich rund 260.000, muss
       aus der Reserve aufwachsen können“, sagt [1][Pistorius].
       
       Dazu ein paar Zahlen: In der Bundeswehr gibt es aktuell etwa 15.000 Plätze
       für die Ausbildung freiwillig Wehrdienstleistender, von denen regelmäßig
       5.000 unbesetzt sind. Das ist der Startpunkt, den es zunächst zu füllen
       gilt. Der Plan: Jedes Jahr sollen 3.000 Ausbildungsplätze zusätzlich
       aufgebaut werden. Ein Jahrgang in Deutschland zählt etwa 650.000 Menschen,
       also mehr als 300.000 junge Männer.
       
       Die Militärplaner sind überzeugt, mit dem Prinzip des verpflichtenden
       Fragebogens und einem [2][freiwilligen Dienst] auf eine ausreichende Zahl
       an Bewerbern kommen zu können. Von einer Wehrpflicht – wie sie im
       Kriegsfall wieder in Kraft treten würde – bleibt damit wenig übrig. Die
       Regierung baut aber wieder Strukturen auf und macht auch Frauen ein
       Angebot, ohne das Grundgesetz zu ändern.
       
       ## Das Grundgesetz kennt eine Wehrpflicht nur für Männer
       
       „Wir versenden einen digitalen Fragebogen. Junge Männer, die 18 Jahre alt
       werden, sind verpflichtet, ihn auszufüllen. Damit erheben wir die nötigen
       Daten, die wir für eine Erfassung brauchen. Die Musterung eines ganzen
       Jahrgangs ist nicht nötig“, sagt Pistorius. „Auch die gleichaltrigen Frauen
       bekommen den digitalen Fragebogen. Sie sind allerdings nicht verpflichtet,
       ihn auszufüllen, da es im Grundgesetz nur eine Wehrpflicht für Männer,
       nicht aber für Frauen gibt.“
       
       Dabei soll die Basisausbildung für den neuen Wehrdienst sechs Monate dauern
       – mit der Option, für Spezialisierungen auf bis zu 23 Monate verlängern zu
       können. Im Raum steht ein Sold von mindestens 1.800 Euro, den Umständen
       nach auch bis zu 200 Euro mehr.
       
       Der weitere Zeitplan ist ambitioniert und im Verteidigungsministerium hofft
       man, dass er nicht unter den Trümmern einer möglicherweise
       auseinanderbrechenden Ampel-Koalition verschüttet wird. Mit dem neuen
       Wehrdienst befassen sich Bundestag und Bundesrat. Als möglich gilt, dass
       das Gesetz dafür im Mai kommenden Jahres in Kraft treten könnte.
       
       6 Nov 2024
       
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