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       # taz.de -- Pläne für mehr IT-Sicherheit: Angriffsschutz mit Schwachstellen
       
       > Ein neues Gesetz soll für mehr IT-Sicherheit sorgen. Expert:innen
       > kritisieren bei einer Anhörung Lücken – darunter eine zentrale.
       
   IMG Bild: Cyberangriffe sind für Unternehmen und Verwaltung eine ständig wachsende Bedrohung
       
       Berlin taz | Die Bundesregierung muss auf eine EU-Richtlinie hin dafür
       sorgen, dass Unternehmen mehr für ihre IT-Sicherheit tun. Doch
       Expert:innen haben bei einer Anhörung im Innenausschuss das geplante
       Gesetz zur Umsetzung der EU-Regeln scharf kritisiert. „Der Entwurf enthält
       zu viele Schwächen und Unklarheiten, die der Erhöhung des
       Cybersicherheitsniveaus leider nicht förderlich sind“, sagte der
       Sachverständige Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht an
       der Universität Bremen.
       
       Cyberangriffe sind für Unternehmen und Verwaltung ein finanzielles und ein
       Sicherheitsrisiko. [1][Laut dem IT-Verband Bitkom] waren, Stand August, in
       den davorliegenden zwölf Monaten 81 Prozent aller Unternehmen von Angriffen
       auf die IT-Infrastruktur betroffen. Der entstandene Schaden sei von 205,9
       Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum auf 266,6 Milliarden Euro gestiegen.
       
       Die EU will dieses Problem unter anderem mit der Netz- und
       Informationssysteme-Richtlinie (NIS2) angehen. Verabschiedet wurde das
       Regelwerk vor zwei Jahren und eigentlich hätte Deutschland es bis Oktober
       in nationales Recht umsetzen müssen. In Deutschland müssen bislang vor
       allem Unternehmen der sogenannten [2][Kritischen Infrastruktur], zum
       Beispiel Wasser- und Energieversorger, definierte Regeln in Sachen
       IT-Sicherheit einhalten.
       
       Mit der Umsetzung der Richtlinie, [3][so die Einschätzung des Bundesamtes
       für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)], sei mit einer
       „erheblichen Zunahme der Zahl von Unternehmen und Einrichtungen, die
       künftig Registrierungs-, Nachweis- und Meldepflichten gegenüber dem BSI zu
       erfüllen haben“, zu rechnen. Schätzungen gehen von rund 30.000 betroffenen
       Unternehmen aus.
       
       ## Unternehmen ja, Behörden nein?
       
       Zentraler Kritikpunkt in der Anhörung waren die umfassenden Ausnahmen für
       Behörden und Ministerien. „Wir haben eher ein Cyberschwächungsgesetz“,
       sagte der Sachverständige Timo Kob von der IT-Beratungsfirma HiSolutions.
       Man brauche ein einheitliches Sicherheitsniveau, statt Ausnahmen für
       Ministerien und reduzierte Anforderungen für nachgeordnete Behörden.
       
       Von einer „Glaubwürdigkeitslücke“, sprach Bitkom-Vertreter Felix
       Kuhlenkamp, wenn einerseits die Anforderungen für Unternehmen
       hochgeschraubt werden, der Staat sich aber Ausnahmen einräumt.
       
       Die Expert:innen wiesen außerdem darauf hin, dass die Gesetzgebung zu
       Cybersicherheit in Deutschland insgesamt fragmentiert und uneinheitlich
       sei. „Das ist weder effektiv, noch effizient, noch im Sinne der
       Cybersicherheit dieses Landes“, sagte Sven Herpig, IT-Experte vom Thinktank
       interface.
       
       „Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz“, forderte
       IT-Sicherheitsprofessor Kipker. Es gehe nicht nur um Cybersicherheit,
       sondern um digitale Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit von
       Strukturen und Institutionen, [4][wenn es zu einem Angriff oder einer
       Störung kommt].
       
       Herpig forderte zudem mehr Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für
       IT-Sicherheitskräfte. Der Markt sei jetzt schon leergefegt, es brauche
       Fachkräfte, damit die Unternehmen, die von den neuen Regeln betroffen sein
       werden, diese auch umsetzen können.
       
       6 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Wirtschaftsschutz-2024
   DIR [2] /Schutz-von-Kritischer-Infrastruktur/!5896907
   DIR [3] https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Regulierte-Wirtschaft/NIS-2-regulierte-Unternehmen/nis-2-regulierte-unternehmen_node.html
   DIR [4] /Konsequenzen-der-IT-Stoerung/!6022394
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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