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       # taz.de -- Dachgesetz zu kritischer Infrastruktur: Unternehmen sollen sich besser schützen
       
       > Schon lange wird gedrängt, kritische Infrastruktur besser zu schützen.
       > Nun beschließt die Ampel hierzu ein Dachgesetz. Doch Kritik bleibt.
       
   IMG Bild: Auch die Deutsche Bahn gehört zur kritischen Infrastruktur in Deutschland: Wird sie ausreichend geschützt?
       
       Berlin taz | Gefahren durch [1][Überschwemmungen wie im Ahrtal], durch
       [2][Sabotage- oder Terrorakte]: Schon länger gibt es ein Drängen, die
       kritische Infrastruktur in Deutschland besser zu schützen – Krankenhäuser,
       Energieversorger oder die Verwaltung. Bereits im Sommer 2023 legte
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) [3][dafür einen Gesetzentwurf
       vor], das Kritis-Dachgesetz. Nach teils deutlicher Kritik wurde der Entwurf
       nachgebessert – und am Mittwoch nun im Kabinett der Ampelregierung
       verabschiedet.
       
       Mit dem Gesetz wird eine EU-Richtlinie umgesetzt. Künftig werden bestimmten
       deutschen Unternehmen erstmals Auflagen für den physischen Schutz
       kritischer Infrastrukturen erteilt – für die IT-Sicherheit gibt es diese
       bereits. Die Betreiber sollen nun zu Mindeststandards verpflichtet werden
       und Resilienzpläne vorlegen. Das kann Objektschutz sein, eine
       Notstromversorgung, die Einrichtung von Notfallteams oder im Bereich
       Hochwasserschutz der Einbau von Dichtungen. Dazu kommen Maßnahmen, um nach
       einem Vorfall die Arbeitsfähigkeit zügig wiederherstellen zu können. Diese
       Maßnahmen müssen die Unternehmen bis spätestens Mai 2027 umgesetzt haben.
       
       Gelten soll das Gesetz für kritische Infrastruktur in elf Sektoren, die als
       unentbehrlich definiert werden, um die Versorgung der Bevölkerung zu
       sichern: Energie, Transport und Verkehr, Finanzwesen, Leistungen der
       Sozialversicherung, das Gesundheitswesen, Wasser, Ernährung,
       Informationstechnik und Telekommunikation, Weltraum, Abfallentsorgung und
       öffentliche Verwaltung. Insgesamt betrifft dies bis zu 1.500 Unternehmen.
       Wenn ein Betrieb mehr als 500.000 Menschen versorgt, zählt er automatisch
       zur kritischen Infrastruktur.
       
       Kommt es zu Vorfällen, gilt zudem künftig eine Meldepflicht innerhalb von
       24 Stunden, übermittelt an ein Onlineportal des Bundesamt für
       Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Das Amt soll im Zweifel
       auch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen anordnen können. Werden diese nicht
       ergriffen, drohen Bußgelder von 50.000 bis zu 500.000 Euro.
       
       ## Mehr Freiheiten
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, Deutschland werde mit
       dem Vorhaben „widerstandsfähiger und krisenfester“. Durch die russische
       Aggression, Terroranschläge oder Naturkatastrophen müssten sich die
       Unternehmen stärker wappnen. „Das sind herausragend wichtige Maßnahmen für
       den Schutz der Menschen in Deutschland, für eine sichere Versorgung und
       eine schnellere Bewältigung von Krisen, wenn sie eintreten“, so Faeser.
       
       Kritik an dem Gesetz kam schon vorab von den Unternehmen: Für sie war
       ungeklärt, wie die Maßnahmen praktisch umgesetzt werden sollen – und welche
       Kosten diese verursachen werden. Die Regierung besserte das Gesetz
       daraufhin nach. Sie lässt den Unternehmen nun Freiheiten, wie genau sie den
       Schutz ihrer Anlagen sichern. Bei den Kosten geht die Bundesregierung von
       einmaligen 1,7 Milliarden Euro für die Wirtschaft aus. Danach werden 500
       Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
       
       Die AG Kritis, die für eine bessere Versorgungssicherheit der Bevölkerung
       eintritt, kritisiert dagegen „viele Auslagerungen an die Länder“ in dem
       Gesetz. Auch die Bundesverwaltungen würden nur „sehr lückenhaft“
       berücksichtigt, was diese weiterhin Risiken aussetze, sagte Sprecher Manuel
       Atug der taz. Zudem würden die Betreiber kritischer Anlagen einfach
       „pauschal“ ausgewählt, was nicht ausreiche. Offensichtlich sei das Gesetz
       „mit heißer Nadel gestrickt“ und bleibe ein „Fleckenteppich“, so Atug.
       „Erhebliche Nachbesserungen sind zwingend erforderlich, denn die nächsten
       physischen Bedrohungen stehen im Zuge des Klimawandels schon Schlange.“
       
       6 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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