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       # taz.de -- Antisemitismus-Resolution im Bundestag: Kritik an Antisemitismus-Resolution
       
       > Kurz vor Abstimmung streiten Bundestagsabgeordnete über die sogenannte
       > Antisemitismus-Resolution. Widerstand kommt auch von Teilen der Grünen.
       
   IMG Bild: Kritiker:innen bemängeln die Ankündigung im Text, „repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“
       
       Berlin taz | Kurz bevor der Bundestag am Donnerstag die umstrittene
       sogenannte Antisemitismus-Resolution verabschieden will, kracht es. Die
       Unionsfraktion forderte in einem Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas,
       ihre Vizepräsidentin Aydan Özoğuz möge am Tag der Abstimmung nicht das
       Plenum leiten. Vergangene Woche hatten Unionsabgeordnete bereits ihren
       Rücktritt gefordert.
       
       Die SPD-Politikerin hatte Mitte Oktober einen Zionismus-kritischen Post der
       Organisation „Jewish Voice for Peace“ in ihrer Instagram-Story geteilt.
       Özoğuz hatte sich dafür entschuldigt. Sie habe auf das zivile Leid beider
       Seiten aufmerksam machen wollen. Auf taz-Anfrage heißt es zudem aus ihrem
       Büro, der Sitzungsplan habe von Anfang an Bärbel Bas als Sitzungsleiterin
       vorgesehen.
       
       Die [1][sogenannte Antisemitismus-Resolution] hat das Ziel, jüdische
       Menschen in Deutschland besser zu schützen. Seit dem 7. Oktober 2023 ist
       die Zahl der antisemitischen Übergriffe in Deutschland stark gestiegen. So
       fordert die Resolution etwa, dass keine staatlichen Gelder an
       Organisationen gehen dürfen, die Antisemitismus verbreiten.
       
       ## Umstrittene Definition
       
       Was dabei antisemitisch ist, dafür soll die sogenannte IHRA-Definition
       maßgeblich sein. Diese wird von einigen Regierungen verwendet, ist aber
       umstritten, weil sie Antisemitismus weit fasst. [2][Kritiker:innen
       fürchten], dass sie so ausgelegt werden kann, dass darunter legitime Kritik
       an Israels Regierung fallen könne. Außerdem wird in dem Text ein
       Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Antisemitismus hergestellt und neben
       diesem auch Antiisraelismus als Problem dargestellt.
       
       Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, sieht
       laut einer Mitteilung in der Resolution „ein klares Zeichen, den
       Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen.“
       Kritiker:innen hingegen bemängeln die Ankündigung im Text, „repressive
       Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“.
       
       Auch von den Grünen, der SPD und Opposition gibt es laute Kritik an der
       Resolution. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram teilte mit, dass
       sie gegen den Antrag stimmen werde. Er ignoriere „die Debatte, in der
       Jurist*innen, jüdische Intellektuelle, israelische
       Menschenrechtsorganisationen, Kulturschaffende & Wissenschaftler*innen
       aufgezeigt haben, welche Probleme“ durch die Verabschiedung der Resolution
       entstehen würden. Sie widerspreche wissenschaftlichen Standards. Das
       bestärkten am Mittwoch Wissenschaftler:innen in der
       Bundespressekonferenz.
       
       Vor wenigen Tagen gab es bereits ablehnende Stimmen aus Reihen der
       SPD-Fraktion. Sowohl Isabel Cadematori als auch Nina Scheer forderten eine
       Überarbeitung der Resolution. Cadematori wendete sich mit einem Schreiben
       an die Fraktionsspitze. „Da der Antragstext bis letzten Freitag geheim
       verhandelt worden ist und bis Sonntag der gesamten Fraktion nicht vorgelegt
       wurde, konnte eine notwendige kritische Debatte nicht stattfinden“, heißt
       es darin.
       
       Laut Scheer enthält die Resolution Aussagen, die sie „sowohl in rechtlicher
       als auch politischer Hinsicht für falsch und nicht tragbar“ hält. Auch die
       ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin kritisierte die
       Resolution. In einem Brief an die Fraktionsspitze warb sie dafür, gegen die
       Resolution zu stimmen.
       
       Kritik kommt auch aus der Opposition. Nicole Gohlke, Bundestagsabgeordnete
       der Linkspartei, teilte auf Anfrage der taz mit, dass sie gegen die
       Resolution stimmen würde. Statt Antisemitismus zu bekämpfen, würde sie dazu
       beitragen, die Freiheit von Wissenschaft und Kunst „massiv einzuschränken,
       Vorurteile gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte weiter zu schüren
       sowie [3][Kritik an Israels Regierung] und der Besatzungspolitik zu
       delegitimieren.“ Es sei falsch und gefährlich, die Pluralität der jüdischen
       Community in Deutschland, genauso wie die der israelischen Gesellschaft
       auszublenden.
       
       Die Linkspartei hat indes den Vorschlag gemacht, anstelle des vorliegenden
       Entwurfs den Alternativvorschlag, den eine
       Wissenschaftler:innengruppe Mitte Oktober in der FAZ veröffentlicht
       hatte, zur Basis einer Resolution zu machen.
       
       7 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Baha Kirlidokme
       
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