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       # taz.de -- Neues Album von Levin Goes Lightly: Levin goes Amour fou
       
       > Das unterschätzte Stuttgarter Indiepopprojekt Levin Goes Lightly und sein
       > neues Album „Numb“ formt große Gefühle zu magischen Songmomenten.
       
   IMG Bild: Ist ein echtes Highlight: Levin Stadler
       
       Levin Stadler hat es nicht leicht. Seit über zehn Jahren liefert der in
       Stuttgart beheimatete bayerische Künstler ein spitzenmäßiges Album nach dem
       nächsten ab – mit dem Neuling „Numb“ sind es derer bereits fünf –, doch die
       deutsche Pop-Öffentlichkeit schafft es in geübter Bräsigkeit, den
       androgynen, campen Chic Stadlers unter seinem Alias Levin Goes Lightly zu
       ignorieren.
       
       Dabei zeigt die mittlerweile zur Gruppe aus Stadler, Paul Schwarz (Drums)
       und Thomas Zehnle (Gitarre) gewachsene Kombo Levin Goes Lightly auch auf
       ihrem neuen Album, das gerade beim Hamburger Indielabel Tapete erschienen
       ist, was sie so wunderbar eigensinnig in der hiesigen Poplandschaft
       aussehen lässt.
       
       Songs, [1][die klingen, als wären die frühen, lustvollen Depeche Mode] und
       A Flock of Seagulls in die Kiste gesprungen; Texte wiederum, die von einem
       leidenschaftsvollen Begehren berichten, das sich nicht in „Ich liebe dich,
       du liebst mich nicht“-Dada erschöpft, sondern Höhen und Tiefen einer Amour
       fou beschreibt, einer verrückten Liebe, die verzehrend und auch schmerzvoll
       ist.
       
       ## Gewaltige Lust
       
       Ja, [2][in solch Momenten scheinen die Artschoolbriten Roxy Music durch den
       illustren Nebel in Synthwave-Disco-Farben durch]. „Numb“, genauso wie seine
       Vorgänger „Nackt“ und „Rot“, fühlt sich an wie das Konzentrat dessen, was
       die besten Filme des italienischen Regisseurs Luca Guadagnino ausmacht:
       eine Lust, so gewaltig, dass nicht nur der bloße Gedanken – und ein paar
       Fingerübungen – zum Orgasmus führen, sondern eine, in der man komplett in
       der angebeteten Person aufgeht.
       
       Der 35-jährige Levin Stadler braucht sich deswegen auch gar nicht erst in
       klaren Geschlechtszuschreibungen, weder beim „Ich“ noch beim „Du“, zu
       verheddern, sondern vertraut klugerweise darauf, dass dieses menschliche
       Begehren blind ob allzu schlichter Binaritäten und Normen ist.
       
       Unterdessen hat Levin Goes Lightly Anpassungen über die letzten Jahre
       durchgeführt: [3][Nach ersten Erfolgen, unter anderem als Vorgruppe für die
       damals allmählich durchstartenden Grungenoiser von Die Nerven], und
       anerkennenden Worten vom US-Altmeister Iggy Pop in dessen Sendung beim
       britischen Radiosender BBC, wechselte der antizyklisch-denkende Stadler auf
       Deutsch als bevorzugte Text- und Gesangssprache.
       
       ## Ekstatische Kompositionen
       
       [4][Das erschwerte zwar die internationale Vermarktbarkeit, ermöglichte
       gleichzeitig eine Verdichtung der Sprache – weg von
       David-Bowie-Songwriting, hin zu jenem ekstatischen Komponieren, das ihn
       zwischen den glatten Jüngelchen des Indiepop hervorhebt].
       
       Dass es sich dabei nicht um ein Dogma handelt, bewies er mit dem Album
       „Rot“, auf dem er lukullisch „Knowing Me, Knowing You“ von ABBA coverte. Wo
       wir bei einem neuen Problem für Levin Stadler sind, denn: Der bereits beim
       euphorischen ABBA-Cover präsentierte Stil ließe sich leicht mit jener
       Geschmacksverirrung verwechseln, die dieser Tage als Neue Neue Deutsche
       Welle ihr Unwesen in Charts und großen Hallen treibt.
       
       Als wäre deren erste Inkarnation nicht schon fad und stillos genug gewesen,
       verirren sich erneut Leute in diese schrecklich biederen Konzerten. Levin
       Goes Lightlys Song „Allein“ vom neuen Album klingt indes nach dem
       hierzulande unerreichten Pop von New Order und den Pet Shop Boys und eben
       nicht nach Schlagerfuzzis wie Markus oder Frl. Menke.
       
       Das neue Levin Goes Lightly Album „Numb“ ist mit seinen ganzen Referenzen,
       die von Stadler im Übrigen erfrischenderweise umarmt, statt peinlich
       abgelehnt werden, ein ganz großes Pop-Highlight aus Deutschland. Damit
       macht man es sich vielleicht nicht immer leicht, dafür reagieren jene, die
       sich darauf einlassen, umso leidenschaftlicher.
       
       8 Nov 2024
       
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