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       # taz.de -- Grüne nach Ampel-Aus: Wahlkampf in der Einarbeitungsphase
       
       > Für die Grünen kommt das Aus der Ampel-Koalition zu einem ungünstigen
       > Zeitpunkt: schlechte Umfragewerte, neuer Vorstand, inhaltliche
       > Uneinigkeit.
       
   IMG Bild: Don’t look back in Anger: Vizekanzler Robert Habeck bei seinem Statement zum Ampel-Ende Mittwochnacht
       
       Berlin taz | Wann sagt er denn nun, dass er Kanzlerkandidat der Grünen
       wird? Am Donnerstagmittag, als sich Robert Habeck in seinem
       Wirtschaftsministerium noch mal zum [1][Ende der Ampelkoalition] erklärt,
       will er die Frage wieder nicht beantworten. Er stehe als Minister hier,
       sagt Habeck. Alles Parteipolitische werde man „zu gegebener Zeit“ erfahren.
       
       Viel Zeit bleibt nicht mehr. Schon ab kommende Woche Freitag treffen sich
       die Grünen zu ihrem Parteitag in Wiesbaden. Geplant war schon länger, dass
       Habeck dort offiziell zum Kandidaten gekürt wird. Seine Bewerbung, das war
       schon vor dem Koalitionsbruch klar, muss er mit ausreichend Vorlauf
       verkünden. Was seit Mittwochabend neu ist: Nach dem Parteitagsbeschluss
       wird es keine lange Übergangszeit mehr geben. Dann muss er unmittelbar in
       den Wahlkampfmodus umschalten.
       
       Von den drei Koalitionsparteien waren die Grünen wohl diejenigen, die das
       am wenigsten wollten. Zunehmend genervt waren zwar auch sie von der FDP und
       Finanzminister Christian Lindner. Rapide sank schon in den letzten Tagen
       unter den Grünen die Hoffnung darauf, dass die Koalition bis zum regulären
       Wahltermin hält.
       
       Aber während es die FDP mit ihren Forderungen auf den Bruch anlegte und der
       Kanzler ihr die Pistole auf die Brust setzte – für die Ukrainehilfe müsse
       nach der US-Wahl die Schuldenbremse gelockert werden –, traten die Grünen
       bis zum Schluss und darüber hinaus konzilianter auf. „Es gab verschiedene
       Optionen zur Schließung der Haushaltslücke, die auf dem Tisch waren“, sagt
       Habeck bei seinem Auftritt am Mittag. „Man hätte sich auch ohne
       Überschreitungsbeschluss einigen können.“
       
       ## Mitten im Umfragetief
       
       Ein Grund, den die Grünen öffentlich vor sich hertragen: die
       staatspolitische Verantwortung. Während die Welt im Chaos versinkt und
       [2][Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht], dürfe Deutschland
       eigentlich nicht führungslos dastehen. Oder zumindest nicht: ohne gültigen
       Haushalt für das nächste Jahr. Dazu kommt möglicherweise auch: Wahltaktisch
       kommt das Ende für sie zum ungünstigsten Zeitpunkt.
       
       Da wäre zum einen das Umfragetief. Ob es bis zum regulären Wahltermin im
       September überwunden worden wäre? Unklar. Nun bleibt für die Trendwende
       jedenfalls weniger Zeit. Und: Die Parteizentrale ist mitten im Umbruch. Der
       bisherige Vorstand ist zurückgetreten, die Neuen werden erst auf dem
       Parteitag gewählt, mit ihnen wechseln wohl auch Mitarbeiter*innen. Der
       Wahlkampf startet mitten in ihrer Einarbeitungsphase.
       
       Die Grünen selbst beteuern am Donnerstag zwar, gut vorbereitet zu sein. Die
       Personalfragen seien geklärt; der Vollzug auf dem Parteitag komme genau zum
       richtigen Zeitpunkt. Und tatsächlich liefen ja schon umfangreiche
       Vorbereitungen auf das Szenario vorgezogener Wahlen. Seit dem letzten
       Haushaltsstreit im Sommer, als die Situation schon einmal knapp war, konnte
       sich die Partei auf die Option einstellen. Und doch: Zentrale inhaltliche
       Fragen sind bislang ungeklärt. Eigentlich hätte es gereicht, sie bis zu
       einem Programmparteitag im nächsten Frühjahr zu klären. Nun muss dieser
       zweite Parteitag auf den Januar vorgezogen werden.
       
       Auf dem ersten Parteitag in der nächsten Woche wird es natürlich auch schon
       um Inhalte gehen. Die Konfliktpunkte sind seit Wochen offen an den Anträgen
       und Änderungsanträgen ablesbar. Es geht zum Beispiel um
       Richtungsentscheidungen in der Migrationspolitik und um das grüne Profil
       bei der sozialen Gerechtigkeit. Konsens ist es, dass es in Deutschland
       fairer zugehen müsse. Strittig ist der Weg dorthin – etwa, ob es wieder
       eine Vermögenssteuer geben soll.
       
       Nun wird die Parteitagsdebatte unter veränderten Vorzeichen geführt werden.
       In der Partei kursiert die Hoffnung, dass der Wahlkampf unmittelbar
       bevorsteht, könnte zusammenschweißen. Das Interesse an offenen Konflikten
       sinke. Fragt sich nur, was das angesichts der zuletzt wieder hochgekochten
       Flügelkonflikte heißt: Machen die linken Grünen der Harmonie zuliebe
       Abstriche an ihren Forderungen – oder wird Realo Habeck auf sie zugehen, um
       im Wahlkampf alle motiviert an Bord zu haben?
       
       Parallel zum Wahlkampf bleiben zudem noch die Regierungsgeschäfte
       weiterzuführen. Ein Spagat: Im Werben um Wählerstimmen geht es um maximale
       Profilierung. Angesichts der Weltlage und der Probleme im Land wollen sich
       die Grünen auf der anderen Seite um punktuelle Mehrheiten mit der Union im
       Bundestag bemühen. Er erwarte da „keine große Verbrüderung“, so Habeck.
       Zumindest über Gespräche würde er sich aber freuen.
       
       7 Nov 2024
       
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