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       # taz.de -- Krieg in der Ukraine: Geschenk mit Eskalation
       
       > International bröckelt die Solidarität mit der Ukraine. Die neue
       > US-Administration könnte für etliche Staaten sogar eine Erleichterung
       > sein.
       
   IMG Bild: Noch ist ungewiss, welchen politischen Ansatz zum Ukrainekrieg Donald Trump verfolgen wird
       
       Diese Woche schien die Woche der Entscheidungen zu sein. Die USA sagten
       nach langem Zögern zu, dass die Ukraine Mittelstreckenraketen
       US-amerikanischer Herkunft auch auf russischem Territorium einsetzen darf –
       wenn auch nur auf dem Kursker Gebiet. Der erste Einsatz folgte unmittelbar.
       Russland antwortete mit Oreschnik, einer experimentellen
       Mittelstreckenrakete, deren Reichweite die Ukraine so sehr übersteigt, dass
       ihr Einsatz offenbar vor allem als Zeichen an den Westen gedacht war.
       
       Die Zusage aus den USA wirkt wie ein Abschiedsgeschenk des [1][noch
       amtierenden US-Präsidenten Joe Biden]. Und fast schon wie Resignation –
       denn die internationale Solidarität bröckelt. Besonders eindrücklich zeigte
       sich dies beim G20-Gipfel in Brasilien. Ein paar dürre Sätze zur Kriegslage
       in der Ukraine schafften es ins Abschlussdokument. Keine fulminante
       Verurteilung der Gewalt durch Russland, kein Appell für eine
       Friedensinitiative, keine Positionierung zu Aggressor und Opfer. Brasilien,
       Indien, Indonesien sehen dies nicht als Topthema auf ihrer politischen
       Agenda.
       
       [2][Treiber der neuen Eskalation] und Diskussion ist die Ungewissheit,
       welchen politischen Ansatz zum Ukrainekrieg Donald Trump verfolgen wird.
       Im Raum steht seine Behauptung aus Wahlkampfzeiten, er werde den Krieg
       [3][„binnen 24 Stunden beenden“]. Wie das gehen soll, bleibt offen.
       
       Die vermutlich klarste Sicht auf einen möglichen Trump-Ansatz bietet ein
       i[4][m April diesen Jahres von dem Trump nahestehenden America First Policy
       Institute veröffentlichter Report]. Die Autoren Keith Kellog und Fred
       Fleitz gehörten beide zum Nationalen Sicherheitsteam der ersten
       Trump-Präsidentschaft. Einerseits kritisieren sie umfangreich die Regierung
       Biden. Die habe vor Beginn der russischen Großoffensive im Februar 2022
       weder ausreichend militärische Hilfe an die Ukraine gesandt, noch harte
       diplomatische Anstrengungen unternommen, um Putin von der Invasion
       abzuhalten.
       
       Anschließend habe sie zu zögerlich, zu langsam und zu wenige Waffen
       geschickt. Vor allem daran habe es gelegen, dass seit Ende 2022 ein
       blutiger Stillstand eingetreten sei, der nunmehr mit immer weiteren
       Waffenlieferungen verlängert werde. Die Analyse hat Plausibilität: Der vor
       wenigen Wochen von dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorgestellte
       „Siegesplan“ stieß bei keinem einzigen westlichen Partnerland auf offene
       Ohren.
       
       Der Vorschlag von Kellog und Fleitz: sofortiger Waffenstillstand,
       Einfrieren des derzeitigen Frontverlaufs, abgesichert durch eine
       demilitarisierte Zone, Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft
       für mindestens 20 Jahre – und gleichzeitig die militärische Ertüchtigung
       der Ukraine, um Russland an erneutem Wortbruch zu hindern. Was genau den
       russischen Präsidenten außer ein paar weniger Sanktionen dazu bringen
       sollte, sich angesichts seiner derzeitigen Geländegewinne auf Verhandlungen
       mit einem derartigen Ergebnis einzulassen, führen die Autoren nicht weiter
       aus.
       
       ## Rolle Deutschlands ist nach Ampel-Aus unsicher
       
       Zwei weitere Aspekte fallen in dem Papier auf: Es wird betont, wie wichtig
       die Unberechenbarkeit Trumps sei, um außenpolitisch etwas zu erreichen. Und
       zweitens: Für eine Trump’sche Außenpolitik sei es essenziell zu verhindern,
       dass sich die Achse zwischen Russland, China, Nordkorea und Iran weiter
       etabliert. Der Biden-Regierung werfen die Autoren vor, den Ukrainekrieg von
       der legitimen Verteidigung zum Stellvertreterkrieg gegen Russland
       verwandelt und damit eine funktionierende Arbeitsbeziehung zwischen den USA
       und Russland verunmöglicht zu haben.
       
       Diese Analyse passt zur aktuellen Stimmung in den USA. Man könne angesichts
       der diversen eigenen Probleme nicht immer weiter Geld in die Ukraine
       pumpen, finden viele. Hinzu kommt, dass die USA ihre eigenen
       Munitionsbestände nicht auf Jahrzehnte ausdünnen wollen.
       Auseinandersetzungen mit China könnten bevorstehen.
       
       Alarmiert durch die Ausführungen Trumps macht der polnische Premier Donald
       Tusk Druck. Kurz nach dem Wahlsieg des erratischen Republikaners kündigte
       Tusk an, sich mit führenden EU-Staats- und Regierungschefs treffen zu
       wollen.
       
       Welche Rolle Deutschland in dieser Runde spielen wird, ist nach dem
       [5][Ampel-Aus unsicher].
       
       Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in puncto Ukrainehilfe ein Riss durch
       Europa gehen könnte. Für die Nachbarn Russlands bleibt es eine
       Herzensangelegenheit, keinerlei [6][russische Gebietsansprüche]
       anzuerkennen – auch für ihre eigene Sicherheit. Andere Länder könnten sich
       [7][hinter Trump verstecken].
       
       Die Perspektive, Millionen Geflüchtete aufnehmen und auf Jahre hinaus einen
       blutigen Stellungskrieg finanzieren zu müssen, ist schlicht nicht
       attraktiv.
       
       23 Nov 2024
       
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