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       # taz.de -- Proteste bei Nan Goldin: Logiken des Boykotts
       
       > Wer lässt wen nicht ausreden? Bei einer Ausstellungseröffnung in der
       > Neuen Nationalgalerie brüllten gegen Israel Protestierende den
       > Museumsleiter nieder.
       
   IMG Bild: Biesenbach, Direktor Neue Nationalgalerie, wurde bei der Ausstellungseröffnung zu Nan Goldin von Boykotteur*innen niedergebrüllt
       
       Man kann es amüsant finden, wenn eine international erfolgreiche Künstlerin
       eine Initiative gutheißt, die sich für den Boykott deutscher
       Kulturinstitutionen einsetzt, sich aber gleichzeitig von genau so einer
       Institution in der deutschen Hauptstadt eine große Retrospektive
       ausrichten und bezahlen lässt.
       
       Es wäre amüsant, wäre die Lage nicht so ernst. Im Nahen Osten herrscht
       Krieg, von dem niemand weiß, wie er enden soll. Es gäbe viel zu reden über
       diesen Krieg, seinen gern vergessenen Auslöser, über den Anstieg von
       Antisemitismus und Islamophobie weltweit.
       
       Doch ernsthafte Versuche, ins Gespräch zu kommen, werden immer wieder
       untergraben; zuletzt, als sich bei einem geplanten Symposium anlässlich
       besagter Retrospektive [1][die Absagen derer mehrten, die regelmäßig das
       Fehlen israelkritischer Stimmen beklagen.]
       
       „Warum kann ich nicht sprechen, Deutschland?“, fragte auch jene
       [2][international erfolgreiche Künstlerin, Nan Goldin], bei ihrer
       Ausstellungseröffnung in der Neuen Nationalgalerie. Wo sie natürlich auch
       sprach: Vor vollem Haus hielt Goldin eine Rede, in der sie auf die Gräuel
       des Kriegs in Gaza und im Libanon verwies, die sie an die Pogrome
       erinnerten, vor denen ihre Großeltern geflohen waren. Und überhaupt: „Es
       war Landraub von Beginn an“, stellte sie die Rechtmäßigkeit Israels
       infrage. Ihre Rede wurde von Jubel begleitet.
       
       Wer im Anschluss indes wirklich nicht sprechen konnte, war Klaus
       Biesenbach. Der Leiter der Neuen Nationalgalerie wurde [3][niedergebrüllt].
       Erst als die Protestierenden das Haus verließen, konnte Biesenbach erneut
       beteuern, dass er mit Goldin nicht übereinstimme, ihr Recht auf
       Meinungsäußerung jedoch unterstütze.
       
       Im Grunde ist der Abend also verlaufen wie von allen erwartet: Ein bisschen
       Protest, ein bisschen kalkulierte Provokation, kurzzeitig talk of the town,
       so läuft das eben dieser Tage im Kulturbetrieb. Nur über die Realität im
       Nahen Osten spricht man wieder nicht. Und wenn schon über die Frage, wer
       hier eigentlich wen reden und ausreden lässt, derart große Unklarheit
       herrscht, ist davon auf absehbare Zeit wohl auch nicht mehr auszugehen.
       
       24 Nov 2024
       
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