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       # taz.de -- Gewalthilfegesetz im Kabinett: Frauen müssen bangen
       
       > Die Regierung will kurz vor knapp ein Gesetz zum besseren Schutz vor
       > Gewalt beschließen. Doch die Chancen auf die Mehrheit im Parlament sind
       > gering.
       
   IMG Bild: Trauermarsch zum Gedenken an die in Deutschland gewaltsam getöteten Frauen am 17. November vor dem Brandenburger Tor in Berlin
       
       Berlin taz | Folgen den Worten nun Taten? Zwei Tage nach dem
       internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen will die rot-grüne
       Bundesregierung am Mittwoch ein Gesetz beschließen, das Frauen besser
       schützt. Der Entwurf des Gewalthilfegesetzes sieht einen Rechtsanspruch auf
       Schutz und Rat in Gewaltfällen sowie den Ausbau von Frauenhäusern und
       Beratungsstellen vor. Die Kosten für den Bund belaufen sich von 2027 bis
       2036 auf mehr als 2 Milliarden Euro.
       
       Mit Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte es lange keine
       Einigkeit über die Finanzierung gegeben. Nachfolger Jörg Kukies (SPD) gab
       zwar grünes Licht. Unklar bleibt aber, ob nach der Verabschiedung im
       Kabinett die nötige Mehrheit im Parlament zustande kommt.
       
       Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wirbt für eine Verständigung über
       Parteigrenzen hinweg. „Den bedrohten, geschlagenen und um ihr Leben
       fürchtenden Frauen ist es vollkommen egal, wer regiert“, sagte Paus am
       Montag. Auch die SPD-Fraktion appellierte an die Union, noch vor der
       Neuwahl im Februar die Verabschiedung des Gesetzes zu ermöglichen. Doch aus
       der Union kommen bislang eher ablehnende Signale.
       
       Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei
       sagte der taz: „Wir verschließen uns einem solchen Gesetz nicht, stellen
       uns aber auch nicht auf den Kopf.“ Die Ampel habe es schließlich drei Jahre
       nicht fertig gebracht, ein solches Gesetz vorzulegen. Auch
       Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte dies in seinem aktuellen
       Newsletter #MerzMail beklagt und zugleich gefordert: „Gewalt gegen Frauen
       darf in Deutschland keinen Platz haben.“
       
       ## 80.000 Unterschriften gegen Gewalt an Frauen
       
       Mitte November hatte die Union einen eigenen Antrag zum Thema Gewaltschutz
       vorgelegt. Der weist erstaunliche Ähnlichkeiten zu Paus’ Gesetz auf, kann
       aber auch eine Vorarbeit für die nächste Regierung sein. Die
       familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher, hatte
       vergangene Woche [1][gegenüber dem Spiegel erklärt]: „Es ist doch
       lächerlich: erst über Jahre nichts hinbekommen und dann uns im Parlament
       sagen: Ihr müsst jetzt das Gesetz retten!“ Breher findet, der Bundestag
       könne das Konzept der Union „gern in der nächsten Legislatur beschließen“.
       
       Doch Vertreter:innen der Zivilgesellschaft machen Druck. Am Montag
       hatten der Deutsche Frauenrat und UN Women gemeinsam mit Prominenten einen
       Brandbrief mit dem Titel „Stoppt Gewalt gegen Frauen – jetzt!“ an die
       Bundesfamilienministerin übergeben. Rund 80.000 Menschen fordern per
       Unterschrift, das Gewalthilfegesetz zu beschließen.
       
       „Die Gesellschaft ist nicht länger bereit, das hohe Ausmaß an Gewalt gegen
       Frauen zu akzeptieren. Das Gewalthilfegesetz muss dringend verabschiedet
       werden. Jede weitere Verzögerung kostet Frauenleben“, sagte Sylvia Haller,
       Vorstandsmitglied im Deutschen Frauenrat. Der Deutsche Frauenrat fordert
       alle demokratischen Parteien auf, für das Gewalthilfegesetz zu stimmen.
       
       ## 14.000 fehlende Plätze in Frauenhäusern
       
       Fast jeden Tag stirbt in Deutschland ein Mädchen oder eine Frau, jeden
       zweiten Tag ist der Täter der Partner oder Ex-Partner. Bundesweit fehlen
       laut der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur
       Bekämpfung gegen Gewalt gegen Frauen, rund 14.000 Plätze in Frauenhäusern.
       
       Ganz aus dem Blick geraten derweil Geflüchtete. Pro Asyl beklagt, der
       rot-grüne Gesetzentwurf sei zwar prinzipiell zu begrüßen, vergesse aber das
       Schicksal geflüchteter Frauen. Um ihnen besseren Schutz vor Gewalt zu
       garantieren, müssten unter anderem die Wohnsitzauflagen gekippt werden.
       
       Die verbieten es Asylbewerber*innen, außerhalb bestimmter Orte zu
       wohnen, wodurch der Aufenthalt in Frauenhäusern unmöglich wird. Außerdem
       brauche es Schutzstandards für die Unterkünfte und ein Ende der
       Meldepflichten. Diese halten Frauen ohne Aufenthaltspapiere oft davon ab,
       Hilfe zu suchen.
       
       26 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gewalthilfegesetz-soll-im-kabinett-beschlossen-werden-stimmt-die-union-zu-a-2528afb7-c0ba-4a75-bb11-62d57cbcc538
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
   DIR Patricia Hecht
   DIR Anna Lehmann
       
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