URI: 
       # taz.de -- Europäische Ausbilder im Kongo: Verdeckter Einsatz
       
       > Private europäische Militärausbilder helfen Kongos Armee im Kampf gegen
       > Rebellen. Sind diese Firmen in Kampfhandlungen verstrickt? Eine
       > Spurensuche.
       
   IMG Bild: Ein Beobachtungsposten von kongolesischen Soldaten und rumänischen Ausbildern außerhalb von Goma, Ende August 2024
       
       Goma, Kinshasa, Bukarest, Sofia und Kampala Ein Kongolese in Uniform liegt
       auf dem Bauch auf einer Plastikfolie, unter ihm vulkanisches Gestein. Er
       hat sein Sturmgewehr im Anschlag. Am Horizont hinter einem Stacheldraht
       erhebt sich majestätisch der gewaltige Nyiragongo-Vulkan. Im Hintergrund
       hört man das Dröhnen der Flugzeuge: Auf der anderen Seite des
       Stacheldrahtzauns erstreckt sich die geteerte Landebahn des internationalen
       Flughafens von Goma. Die Millionenstadt im Osten der Demokratischen
       Republik Kongo – direkt an der Grenze zu Ruanda – ist dieser Tage
       eingekesselt von Rebellen.
       
       „Pass auf den Wind auf, der Wind ist dein Feind“, sagt ein Rumäne in
       Uniform dem kongolesischen Soldaten auf dem Boden und legt ihm eine Münze
       auf den Gewehrlauf: Damit soll er lernen, still zu halten, die Münze darf
       nicht herunterfallen. Der Soldat mit dem Sturmgewehr am Boden drückt ab.
       „So ist es gut, sehr gut“, lobt ihn der rumänische Ausbilder. Der Soldat
       reagiert nicht. Wenn die Münze auf den Boden fällt, muss er Liegestütze
       stemmen.
       
       Im Osten der Demokratischen Republik Kongo herrscht Krieg. Millionen
       Menschen sind auf der Flucht. Die von Ruanda unterstützten Rebellen der M23
       (Bewegung des 23. März) dehnen das von ihnen eroberte Gebiet stetig aus. In
       und um Goma sind Regierungssoldaten, lokale Milizen, Eingreiftruppen aus
       dem südlichen Afrika und UN-Blauhelme aus aller Welt stationiert – aber
       auch bewaffnete Weiße aus Europa, die keiner staatlichen Armee angehören.
       
       Diese privaten, europäischen Militärausbilder machen [1][kongolesische
       Rekruten fit für den Kampfeinsatz]. Ein Teil des Flughafengeländes ist zu
       ihrem Trainingszentrum umfunktioniert. Fünf Monate dauert die
       Grundausbildung. Die Frage ist, ob sich die Ausbilder auch aktiv an
       Kampfhandlungen beteiligt haben. Die EU verurteilt den Einsatz von
       Söldnern. Gemeinsam mit der französischen Tageszeitung Libération und dem
       rumänischen Onlinemedium PressOne ist die taz diesem Kapitel des Krieges
       nun nachgegangen.
       
       „Ein Soldat an der Front muss wissen, wie er seine Waffe benutzt“, erklärt
       Chefausbilder Radu. Der Rumäne will seinen Nachnamen nicht nennen. Das
       Training beinhalte auch Erste-Hilfe-Kurse, Völkerrecht, Umgang mit
       Kriegsgefangenen bis hin zum Schießtraining, sagt er. Neben ihm übt eine
       Gruppe kongolesische Soldaten, Kalaschnikows auseinanderzunehmen und wieder
       zusammensetzen. Eine andere Gruppe sitzt auf dem kantigen Lavagestein im
       Kreis, blaue Notizbücher in der Hand. Daneben steht ein Pick-up mit
       aufgebocktem Maschinengewehr auf der Ladefläche. „Welche Waffe ist das?“,
       fragt ein Ausbilder.
       
       Was hier hinter dem Stacheldrahtzaun am Flughafen vor sich geht, war lange
       Zeit nicht bekannt. Selbst europäische Diplomaten geben an, nicht zu
       wissen, was genau die Rumänen da treiben. Publik wurde die Anwesenheit
       ausländischer Ausbilder im Januar 2023, als ein Foto in den sozialen Medien
       für Wirbel sorgte. Darauf zu sehen: ein bewaffneter weißer Offizier nahe
       der Frontlinie nördlich von Goma.
       
       Damals zirkulierten Gerüchte, [2][russische Wagner-Truppen] seien im Kongo
       gelandet. Weiße in Uniform hatten sich bereits in einem Hotel in Goma
       einquartiert. Das feuerte die Gerüchte zusätzlich an. Die taz begann zu
       recherchieren. Es stellte sich heraus: Die weißen Uniformierten, die zuerst
       am 22. Dezember 2022 aus einem gecharterten Flugzeug in Goma stiegen, waren
       Rumänen und Moldauer, keine Russen.
       
       Als Felix Tshisekedi 2019 Kongos Präsident wurde, versprach er der
       kriegsmüden Bevölkerung Friede und Sicherheit. Er wollte alles anders
       machen als sein Vorgänger Joseph Kabila, dem es in 18 Jahren nicht gelungen
       war, den Osten zu stabilisieren, wo über hundert Milizen ihr Unwesen
       treiben.
       
       Mit Tshisekedi an die Macht kam auch eine neue Riege Generäle, die anders
       als Kabilas gestandene Militärs keine Kampferfahrung hatten. 2021 begann
       ein erneuter Krieg mit den M23-Rebellen, die 2012 schon einmal gegen Kongos
       Armee gekämpft und sogar kurz Goma erobert hatten. Laut UN-Ermittlungen hat
       Ruanda inzwischen mehr als 3.000 Soldaten entsandt, um die M23 zu
       unterstützen. Die Tutsi-geführten Rebellen kontrollieren einen weiten
       Landstrich rund um Goma, fast so groß wie das Nachbarland, und die
       Millionenstadt ist seit Anfang 2024 eingekesselt.
       
       Im Kampf gegen die M23 musste Kongos Armee zahlreiche Niederlagen hinnehmen
       und verlor teures Gerät wie Hubschrauber und Jets. Doch anstatt sich auf
       Verhandlungen mit der M23 einzulassen, wie 2013, entschied Tshisekedi, alle
       Mittel einzusetzen, um den Krieg zu gewinnen. Laut Angaben des schwedischen
       Verteidigungs-Think-Tank Sipri (Stockholm International Peace Research
       Institute) verdoppelte Kongos Regierung innerhalb nur eines Jahres, von
       2022 auf 2023, die Verteidigungsausgaben. Präsident Tshisekedi lud
       befreundete Truppen aus Burundi und dem südlichen Afrika ein und
       mobilisierte lokale Milizen, um die Armee zu unterstützen.
       
       In der Militärbasis Mubambiro außerhalb der Kleinstadt Sake, 25 Kilometer
       westlich von Goma, sind nun alle Kräfte zusammengezogen, um Goma zu
       verteidigen. Es ist die letzte Frontstadt vor dem Rebellengebiet: Kongos
       Armee, UN-Blauhelme, südafrikanische Eingreiftruppen, lokale „patriotische“
       Milizen, Kämpfer der aus den Tätern des Völkermordes an Ruandas Tutsi
       hervorgegangenen Hutu-Milizionäre – und die weißen Ausbilder, auf sicherer
       Distanz, aber alle im Auftrag des kongolesischen Präsidenten und mit einem
       gemeinsamen Feind.
       
       Der Ukrainekrieg bedeutete für den Krieg im Kongo zunächst jede Menge
       Schwierigkeiten: Kongos veraltetes Kriegsgerät stammt fast vollständig aus
       sowjetischen Beständen. Die Luftwaffe besteht aus zwei alternden
       Sukhoi-Su-25-Kampfjets, während des letzten M23-Kriegs 2012 in der Ukraine
       erstanden, und einigen Mi-24-Kampfhubschraubern. Die staatliche ukrainische
       Rüstungsschmiede Ukroboronprom war bis 2022 auch wichtiger Lieferant von
       Ersatzteilen und Munition. Seit 2022 benötigt die Ukraine ihr Gerät aber
       selbst, und ein Einkauf in Russland ist unmöglich. Also schickte General
       Franck Ntumba, Leiter von Tshisekedis Militärstab, Logistiker um die Welt,
       um Ersatz zu besorgen.
       
       Ntumba war auch auf der Suche nach privaten Sicherheitsfirmen.
       Ex-Blackwater-Chef Erik Prince, in Söldnerkreisen eine Ikone, ließ für ihn
       laut einem UN-Bericht von Ende 2023 seine Kontakte spielen und klopfte in
       Kolumbien, Mexiko, Argentinien und Südafrika an. Fündig wurden die
       Kongolesen schließlich in Rumänien und Bulgarien und in französischen
       Kreisen, die seit jeher in Afrika aktiv sind.
       
       Der Rumäne Horatiu Potra, Spitzname „Leutnant Henry“, ist Geschäftsführer
       verschiedener Firmen mit Sitz in Transsilvanien, sowie Vorsitzender des
       Verbandes ehemaliger rumänischer Angehöriger der französischen
       Fremdenlegion (RALF). Laut Webseite trainiert er VIP-Leibwächter, beschützt
       „sensitive Gebiete“, wie etwa Minen in Afrika, und bildet Spezialeinheiten
       aus. Verwiesen wird auf den Ehrenkodex der französischen Fremdenlegion, in
       der Potra in den 1990er fünf Jahre diente – seitdem hat er auch einen
       französischen Pass und kennt viele Exsoldaten mit Kampferfahrung. 2022 zog
       es ihn in die DR Kongo, wo er einen Vertrag zur Bereitstellung von
       Ausbildern für Kongos Armee unterzeichnete.
       
       Eingefädelt hat den Vertrag laut des französischen Onlinemagazins Africa
       Intelligence Patrick Bologna, ein ostkongolesischer Geschäftsmann, der in
       Kinshasa als Honorarkonsul der Ukraine fungiert. Er hat angeblich unter
       seinem Namen die Sicherheitsfirma Congo Protection registriert. Diese nimmt
       die rumänischen Partner unter Vertrag. Auf Anfragen reagiert Bologna nicht.
       
       „Wir arbeiten mit mehreren Partnern zusammen“, bestätigt Kongos
       Armeesprecher General Sylvain Ekenge: „Die Franzosen bilden höhere
       Offiziere aus, die Belgier bilden Kommandos aus und helfen uns auch im
       Hauptquartier.“ Die israelische Firma Fortress trainiere eine
       Spezialeinheit der Präsidentengarde. Ingenieure aus Frankreich, Algerien,
       Georgien und Bulgarien warten am Flughafen von Goma Kongos marode
       Kampfjets.
       
       Neben Potras Verband ist die zweite in Goma präsente Sicherheitsfirma
       Agemira RDC. Die Firma, spezialisiert auf die Wartung von Hubschraubern und
       Jets, beschäftigt rund 100 Leute – Mechaniker und Ingenieure aus Georgien
       und Belarus, Piloten aus Algerien und 20 Mann „Sicherheitspersonal“,
       zumeist Franzosen. Auf Anfrage antwortet Frankreichs
       Verteidigungsministerium: „Kein Kommentar.“
       
       Diese im Kongo registrierte Firma trägt denselben Namen wie die in
       Bulgarien gemeldete Firma Agemira, spezialisiert auf die Wartung von
       Fluggerät. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia hatte Agemira laut
       Handelsregister bis Oktober ihren Sitz an derselben Adresse wie die private
       Rüstungsschmiede Metalika, die mehrfach wegen Brüchen von UN-Waffenembargos
       in Skandale verwickelt gewesen ist. Im Jahr 2023 hat die DR Kongo in
       Bulgarien laut offiziellen Zahlen Kriegsgerät im Wert von 46 Millionen Euro
       eingekauft, vor allem Sturmgewehre, und ist damit Bulgariens bester Kunde
       in Afrika. Auf Anfrage reagiert Metalika nicht.
       
       Im bulgarischen Handelsregister der Firma, die Anfang Oktober in „Bulgarian
       Global Solutions“ umbenannt wurde, ist als Geschäftsführer der ehemalige
       französische Gendarm Olivier Bazin eingetragen, der ebenso die
       kongolesische Agemira RDC leitet. Unter dem Spitznamen „Colonel Mario“ ist
       Bazin seit Jahrzehnten in Afrika aktiv – zunächst in Gabun, in der
       Elfenbeinküste und in der Zentralafrikanischen Republik. Später zog es ihn
       nach Mali, wo seine Teams Armeehubschrauber warteten. Dann putschten in
       Mali die Generäle und warfen die Franzosen hinaus. Russische Wagner-Kämpfer
       übernahmen den Job.
       
       2021 zog es Bazin in die DR Kongo. Als 2023 Kongos damaliger
       Verteidigungsminister Jean-Pierre Bemba, einst Rebellenführer mit
       Beziehungen in die Zentralafrikanische Republik, erstmals in seiner
       Ministerfunktion an die Front nach Goma flog, war Bazin an seiner Seite.
       
       Auf Anfrage erklärt Bazin, dass zwischen den gleichnamigen Firmen Agemira
       im Kongo und in Bulgarien keine Verbindungen bestünden: „Die beiden
       Unternehmen haben unterschiedliche Aktivitäten, unterschiedliche Aktionäre
       und keine Kapitalbeziehung zwischen ihnen.“ Mit den Geschäftsführern von
       Metalika sei man zwar bekannt, „wir arbeiten jedoch nicht mit diesem
       Unternehmen zusammen“, so Bazin. Er gibt jedoch zu: Agemira RDC übernahm
       bei Verträgen zwischen Kongos Regierung und China, wo die DR Kongo jüngst
       Kampfdrohnen einkaufte, eine „beratende Funktion“.
       
       Die Verträge zwischen Kongos Regierung, Congo Protection, Agemira RDC und
       Potras Verband sind unter Verschluss. Der taz ist es jedoch gelungen,
       jemanden zu sprechen, der diese Abkommen vorliegen hat. Darin sei von
       „Ausbildung“ die Rede. Doch die tatsächlichen Tätigkeiten gehen offenbar
       darüber hinaus.
       
       „Leider haben wir einige Kameraden verloren“, bedauert Potra. In
       khakifarbener Hose und schwarzem Hemd mit dem Logo seiner Firma auf der
       Brust sitzt der Rumäne im Restaurant des Mbiza-Hotels in Goma unweit des
       Flughafens. In seinem Gürtel steckt eine Pistole. Vier rumänische Ausbilder
       seien seit 2022 im Kongo ums Leben gekommen, bestätigt das rumänische
       Außenministerium.
       
       Das Hotel Mbiza mit Konferenzräumen und einem veralteten Fitnessstudio ist
       wie eine Reihe weiterer Hotels in Goma seit Ende 2022 von den Rumänen
       ausgebucht. Ein rumänischer Koch serviert heimische Speisen: „Wenn hier
       Friede wäre, wäre es fast das Paradies“, sagt Potra.
       
       Die rund 800 Rumänen gehören mittlerweile zum Stadtbild. Man sieht sie in
       Geländewagen oder im Supermarkt beim Zigarettenkaufen. „Romeos“ werden sie
       genannt, nach ihrem Funkgerät-Signalcode. Sie treiben sich auch auf der
       Online-Datingplattform Tinder herum. Aber sie dürfen abends nicht ausgehen.
       „Alkohol und Waffen gehören nicht zusammen“, sagt Potra.
       
       Der 54-Jährige erklärt die Mission: „Als wir 2022 das erste Mal kamen,
       wurde uns von den Behörden klar vorgegeben, dass wir die Armee ausbilden
       sollten“, so Potra und führt aus: „Wir kamen zunächst mit 300 Mann, nicht
       nur mit Ausbildern, denn unsere Bedingung war, dass wir auch Leute haben
       müssten, die die Ausbilder beschützen. Denn im Falle eines Angriffs der
       Rebellen werden wir nicht als Freunde betrachtet.“
       
       Auf X zirkulierten im Februar dieses Jahres Fotos von zwei toten Rumänen.
       Rumäniens Außenministerium bestätigte später, dass Rumänen ums Leben kamen,
       als M23-Rebellen die Kleinstadt Sake 25 Kilometer westlich von Goma
       angriffen. Der rumänische Afghanistan-Veteran Constantin Timofti, einer von
       Potras Kämpfern, berichtet: „Die Schusswechsel waren intensiv, es dauerte
       etwa 45 Minuten.“
       
       Danach wurde das Training an den Flughafen von Goma verlegt, weg von der
       Frontlinie. Die Rumänen richteten rund auf den Hügeln Beobachtungsposten
       ein. Einer lag rund sieben Kilometer nördlich von Goma, berichtet Potra:
       „Aufgrund des Vormarsches der Rebellen um unsere Position herum waren wir
       gezwungen, uns an den Stadtrand zurückzuziehen, quasi die letzte Stellung
       am Stadteingang.“
       
       Bei einem Mörserangriff auf diesen Hügel wurde im Juni ein weiterer Rumäne
       getötet und drei verletzt, als sie gerade eine Aufklärungsdrohne steigen
       ließen. Einer der Verletzten hatte einen französischen Pass und wurde nach
       Paris ausgeflogen. Ein weiterer starb später in seiner Heimat.
       
       In den Augen der M23-Rebellen sind dies „Söldner“, die sich aktiv in den
       Krieg einmischen. „Die Regierung gibt das ganze Geld diesen Söldnern, und
       diese Osteuropäer kommen nun hierher, um uns Kongolesen zu töten“, regt
       sich M23-Sprecher Lawrence Kanyuka am Telefon auf. Er lacht bei dem
       Hinweis, dass es sich um Ausbilder handelt. „Was machen diese Weißen in
       Uniform an der Front?“, fragt Kanyuka. „Wenn es sich um Ausbilder handelt,
       dann sollten sie im Trainingslager sein.“
       
       Potra reagiert darauf empört: „Die Welt kritisiert uns, es heißt immer
       wieder, rumänische Söldner seien gekommen, um zu töten“, sagt er. „Unsere
       Leute kommen nicht zum Spaß hierher, sondern weil sie Geld verdienen
       müssen, um ihre Kredite oder Steuern zu bezahlen.“ Die meisten Ausbilder
       seien ehemalige rumänische Soldaten, die nun im Kongo bis zu 6.000 Dollar
       im Monat verdienen. Zum Vergleich: Kongos Soldaten verdienen gerade einmal
       150 Dollar.
       
       Potra stellt klar: „Wir haben keinen direkten Kontakt mit der M23, es sei
       denn, wir werden angegriffen.“ M23-Sprecher Kanyuka lässt wiederum keinen
       Zweifel daran, dass er die Ausbilder als Feinde betrachtet. Im Januar traf
       eine Kampfdrohne das Fahrzeug von M23-Geheimdienstchef Oberst Castro
       Mberabagabo nahe der Handelsstadt Kitchanga, 100 Kilometer von Goma
       entfernt. Er war sofort tot. Sein Kamerad Erasto Bahati, zuständig für
       Finanzen, überlebte schwer verletzt. Ein schwerer Schlag für die M23.
       Abgefeuert wurde die Drohne von einem Kongolesen – gesteuert wurde sie
       allerdings von Agemira-Ingenieuren.
       
       Für Agemira RDC ist in Goma der Franzose Romuald Létondot zuständig. Der
       pensionierte Oberstleutnant der französischen Armee sitzt in der Lac Kivu
       Lodge, einem schicken Hotel am Ufer des Kivu-Sees, wo UN-Leute und
       Diplomaten absteigen. Er bestellt Kaffee und Croissants. „Romu“, wie er
       genannt wird, ist ein redseliger Zeitgenosse. „Ich habe den Eindruck,
       nützlich zu sein“, sagt er. Während des Völkermords an den Tutsi 1994 sei
       er in Ruanda gewesen, „ich half bei der Evakuierung von Franzosen. Diesen
       dreißigjährigen Krieg würde ich gerne abschließen“, erklärt er seine
       Mission. Als sein alter Freund Bazin, den er „in Mali getroffen“ habe, ihm
       vorschlug, an einem „Abenteuer“ teilzunehmen, habe er nicht gezögert.
       
       „Unsere ersten Leute kamen im Juni 2022“, berichtet er. „Es gab eine Zeit,
       in der wir den Krieg hätten gewinnen können“ sagt er. „Aber die ruandischen
       Truppen wurden mit neuer Ausrüstung ausgestattet.“ Ferngesteuerte Raketen,
       Flugabwehrbatterien, Flugabwehrradare: Damit konnte die M23 mit ruandischer
       Hilfe zwei der in China eingekauften Kampfdrohnen der kongolesischen Armee
       abschießen, eine dritte kollidierte auf dem Rollfeld mit einem
       Feuerwehrauto. „Wir haben die Drohnen verloren, jetzt müssen wir das
       Waffenarsenal weiter aufrüsten“, so Létondot: „Wir versuchen, die
       Schlagkraft der Armee zu erhöhen.“
       
       „Agemira RDC und Congo Protection intensivierten ihre strategische und
       taktische Unterstützung der Gegenoffensive“, bestätigt ein
       UN-Expertenbericht Ende 2023. „Congo Protection beriet bei den
       Artillerie-Angriffen auf M23-Stellungen“, Agemira RDC leiste „strategische
       Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Operationen“, darunter
       „Bodenaufklärung in Echtzeit sowie Waffenlieferungen.“
       
       In ihrem jüngsten Report vom Juli 2024 publizierten die UN-Experten Fotos,
       wie der lokale ostkongolesische Milizenchef Guidon Shimiray, ein
       berüchtigter Kriegsverbrecher, der derzeit die Armee unterstützt, in einen
       Armeehubschrauber steigt, den eine Agemira-Crew fliegt. In seiner
       Stellungnahme erklärt Bazin ausdrücklich: „Agemira RDC unterhält keine
       Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppen.“ Bei diesem „einmaligen Vorfall“
       wurde „unseren Mitarbeitern die Identität des von Ihnen genannten
       Passagiers nicht mitgeteilt“, so Bazin. Dieser habe eine Uniform der
       kongolesischen Armee getragen. Bazin stellt klar: „Seit diesem Vorfall
       wurden unsere Besatzungen angewiesen, die Identität von Passagieren in
       Transportflugzeugen zu überprüfen und Personen, die möglicherweise
       bewaffneten Gruppen angehören, das Einsteigen zu verweigern.“
       
       ## Über die Grauzonen im Klaren
       
       „Das fällt in die Grauzone, die wir mit Söldnerakteuren in Verbindung
       bringen“, erläutert Jovana Ranito, Chefin der Arbeitsgruppe des
       UN-Menschenrechtsrats für Söldnerangelegenheiten. „Wenn sie sich auf dem
       Schlachtfeld befinden, wenn sie in direkte Kampfhandlungen verwickelt sind,
       gelten sie für uns nicht mehr nur als private Sicherheitsfirma. Das wären
       Söldner oder mit Söldnern verbundene Akteure“. Dies gelte auch, wenn sie
       „beispielsweise die Drohnen auf dem Schlachtfeld steuern“.
       
       Létondot ist sich über die Grauzone im Klaren. „Im vergangenen Sommer
       wollten wir die Roméos in Kitchanga stationieren“, sagt er. Doch dann
       rückte die M23 auf den Ort, rund 100 Kilometer von Goma entfernt, vor. „Man
       hätte uns vorwerfen können, dass wir an einer Offensive teilnehmen“, so
       Létondot. „In diesem Fall hätten wir dann tatsächlich als Söldner
       fungiert.“
       
       Die EU verurteilt den Einsatz von Söldnern und kritisiert die Aktivitäten
       der russischen Wagner-Kämpfer in Afrika. Auch in Frankreich sind Söldner
       illegal. Deswegen befragen ihn die französischen Geheimdienste regelmäßig,
       wenn er aus Goma nach Hause zurückkehrt, so Létondot. Sie wollen
       sicherstellen, dass es sich nicht um Söldneraktivitäten handelt. Man habe
       ihm gesagt, er handle „gegen die Interessen Frankreichs“, berichtet er.
       „Manchmal sage ich ihnen: Wenn wir abziehen, übernimmt Wagner.“
       
       Die Recherche wurde durch ein Stipendium des Investigative Journalism for
       Europe (IJ4EU) unterstützt.
       
       27 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Europaeische-Soeldner-im-Kongo/!5904737
   DIR [2] /Wagner-Nachfolger-in-Afrika/!5998414
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreea Câmpeanu
   DIR Patricia Huon
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR M23-Rebellen
   DIR Tutsi
   DIR Ruanda
   DIR GNS
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Gabun
   DIR Ruanda
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Verhaftungen in der DR Kongo: Präsident Tshisekedi „säubert“ seine Armee
       
       Mehrere Generäle sitzen in Haft. Freunde von Expräsident Kabila und die
       ruandische FDLR-Miliz werden ersetzt von Sicherheitsfirmen aus Israel und
       USA.
       
   DIR Präsidentschaftswahl in Gabun: Putschist Oligui bleibt an der Macht
       
       Ein 90-Prozent-Sieg bei der Wahl festigt das Militärregime in Gabun auf
       Dauer. Doch das Wahlergebnis sorgt für Zweifel, dabei scheint es
       realistisch.
       
   DIR Ruanda und die DR Kongo: Verfeindete Nachbarn
       
       Der Krieg im Osten Kongos ist eng mit Ruanda verknüpft – vor allem wegen
       des Völkermordes an den Tutsi. Nirgends zeigt sich das klarer als in Goma.
       
   DIR Krieg im Osten der DR Kongo: Weiterer Erfolg für Kongos M23-Rebellen
       
       Die Distrikthauptstadt Masisi im Osten der DR Kongo fällt an die von Ruanda
       unterstützten Aufständischen. Kongos Regierung lehnt Gespräche weiter ab.
       
   DIR Friedensgespräche in Angola geplatzt: Krieg in Kongo flammt wieder auf
       
       Das Gipfeltreffen für ein Abkommen mit Ruanda fand nicht statt. Im Osten
       der Demokratischen Republik Kongo steht deren Armee den Tutsi-Rebellen M23
       gegenüber.
       
   DIR Rumänische Militärausbilder in DR Kongo: „Söldnerführer“ Horatiu Potra festgenommen
       
       Der Chef der rumänischen Ausbilder von Kongos Armee kommt in Rumänien in
       Haft. Er soll Gewalt für Rechtsradikalenführer Georgescu geplant haben.
       
   DIR US-Präsident in Angola eingetroffen: Rückendeckung für Vermittlung zwischen DR Kongo und Ruanda
       
       Zu seiner einzigen Afrikareise als US-Präsident besucht Joe Biden Angola.
       Pünktlich dazu flammen Kämpfe in der DR Kongo auf, wo Angola vermittelt.
       
   DIR Demokratische Republik Kongo: Streit um Ruandas Völkermörder
       
       Die Demokratische Republik Kongo will sechs frühere ruandische Völkermörder
       aufnehmen, die ihre Strafe abgesessen haben. Ruanda ist empört.
       
   DIR Ruanda und der Krieg in der DR Kongo: UNO sieht „direkte Rolle“
       
       Mit Tausenden Soldaten und Unterstützung hat Ruanda die Erfolge der
       M23-Rebellen in der DR Kongo möglich gemacht, haben UN-Experten
       festgestellt.
       
   DIR Europäische Söldner im Kongo: Kongos geheime weiße Armee
       
       Erst suchte die Demokratische Republik Kongo Russlands Hilfe gegen die
       M23-Rebellen. Nun stehen in Goma Söldner aus Rumänien. Eine taz-Recherche.