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       # taz.de -- Hype um Black Friday: Shoppen ist kein Sternenhimmel
       
       > Am Black Friday ist alle Kapitalismuskritik grau. Arme könnten da auch
       > mal eine Waschmaschine kaufen. Eine Waschmaschine aber löst das Problem
       > nicht.
       
   IMG Bild: Einkaufen macht mindestens so traurig wie ein Parkplatz im Nebel
       
       Als ich vor vielen Jahren mal ein Seminar mit einer (geschlossenen!) Dose
       Red Bull betrat, sagte der Dozent: „Können Sie ruhig trinken. Dafür ist man
       ja antideutsch – damit man Red Bull trinken kann.“ „Chapeau!“, sagte ich.
       Er hatte wohl mitbekommen, dass ich mit Leuten rumhing, die irgendwie
       „antideutsch“ waren und begriff unser Gedankengut als: Man ist gegen
       verkürzte Kapitalismuskritik, damit man ohne schlechtes Gewissen den
       größten Dreck konsumieren kann.
       
       Natürlich hatten wir 22-jährigen Heinis es halbwegs verstanden – dass es
       keinen ethischen Konsum im Kapitalismus gibt, dass man mit seinem
       Kaufverhalten nichts ändert. Es wird einfach produziert bis zum Get no –
       dem Ende dieses Planeten, wenn wir es nicht zum Kommunismus bringen.
       
       Was aber auch stimmt ist, dass manche Menschen dankbar jede Ausrede
       aufsaugen und vor sich hertragen, um sich bloß nicht gegen den Kapitalismus
       organisieren zu müssen oder überhaupt nur zu fragen, wie und weshalb er für
       manche funktioniert.
       
       Es gibt viele Ausreden: Man profitiert davon, man hat sich darin
       eingerichtet, man hat keine Zeit oder Energie, weil man zu viel arbeiten
       muss oder krank ist – oder man deutet die eigene Passivität zum Empowerment
       um. So geschehen in den vergangenen Jahren auf den nervigsten Plattformen,
       Twitter und Instagram.
       
       Dort geben sich prominente Stimmen allzu gern dem Konsumismus hin
       ([1][Feministinnen machen Werbung für Skincare], Depressions-Aktivisten für
       Lieferdienste, dank derer man nicht mehr raus muss) und verteidigt das um
       jeden Preis, auch indem man die eigenen Verstrickungen irgendwie auf woke
       oder links dreht.
       
       So wird Kritik am Support von umweltschädlichen, rechten, besonders
       ausbeuterischen Konzernen immer öfter als klassistisch weggebügelt. Weil
       vor allem [2][arme Leute auf alle, die Billiges versprechen, angewiesen
       seien]. Arme schleppen diese dicken Tüten aus ’m Primark, Arme lassen sich
       bei Amazon Prime stapelweise Pakete „same day“ liefern, Arme warten das
       ganze Jahr auf den Black Friday, um sich große Fernseher kaufen zu können.
       Arme gehen auf Schnäppchenjagd, Arme shoppen, also können wir auch!
       
       Dabei gibt es gute Argumente gegen einen Tag wie Black Friday: Mehrarbeit
       für Paketboten, noch mehr Stress in den Logistikzentren, das Manipulieren
       von Käufer*innen zu Impulskäufen, die als Retourenmüll in den Meeren
       landen – und das Vorgaukeln von Ersparnissen, die meist gar keine sind. Ich
       höre schon die Kommentar-Tipgeräusche: Aber das Problem ist nicht der Black
       Friday, sondern der Kapitalismus. Ja, aber der Black Friday IST ja der
       Kapitalismus.
       
       Und ist er nicht ein guter Anlass, zu dem wir uns den Wahnsinn mal wieder
       vergegenwärtigen können, der so sehr in alle Lebensbereiche vorgedrungen
       und für viele nur schwer wegzudenken ist – und unsere Bereitschaft, auf
       kapitalistische Versprechen reinzufallen? Die große Kapitalismuskritik und
       jene am Konsumismus, der sich – gerade in den sozialen Netzwerken – dadurch
       zeigt, dass jedes noch so kleine Nischeninteresse sofort in mehrere
       Produktempfehlungen übersetzt wird, das schließt sich nicht aus, sondern
       gehört zusammen.
       
       Der Kapitalismus ist kein Sternenhimmel, unter dem die einzigen aktiven
       Momente, die wir haben, klarkommen und shoppen sind. Überhaupt erinnere ich
       mich nicht daran, dass das Konzept Shopping für uns „Arme“ je ein Ding
       gewesen ist, wir waren davon per se ausgeschlossen.
       
       Viel wichtiger waren Teilhabe, Kino, Café, so was. Und dort, wo wir
       zusammenkommen, kann man sich gegenseitig bestärken, dem Wahnsinn eben
       nicht auf den Leim zu gehen, sondern ihn zu bekämpfen. Und natürlich hin
       und wieder ein Red Bull klauen.
       
       27 Nov 2024
       
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