# taz.de -- Rechtspopulistinnen in Europa: Rechts, weiblich, erfolgreich
> Auffallend viele Frauen kämpfen sich mit rechten Parolen nach ganz oben –
> und machen damit den Antifeminismus erst so richtig salonfähig.
IMG Bild: Treten immer wieder wie Freundinnen auf: Giorgia Meloni (l) und Ursula von der Leyen
Giorgia Meloni in Italien, Marine Le Pen in Frankreich, Alice Weidel in
Deutschland, Katalin Novak in Ungarn, Martina Šimkovičová in der Slowakei,
Sylvi Listhaug in Norwegen – seit Jahren sind Frauen in
rechtspopulistischen Parteien überaus erfolgreich. Was vor nicht allzu
langer Zeit noch unvorstellbar schien, ist Normalität geworden: Frauen
lenken ihre Parteien und sogar gleich das ganze Land, sie lösen den
Gender-Gap im politisch rechten Spektrum auf und verändern auf diese Weise
scheinbar friedvoll die Geschlechterverhältnisse.
Wie kann es sein, dass Frauen ausgerechnet in maskulinistisch geprägten
Strukturen einen so deutlichen Einfluss gewinnen und teilweise sogar ganz
das Sagen haben? Dass sie an Männern vorbeiziehen und von ihnen respektiert
werden?
Ein Blick auf die Karriere der italienischen Ministerpräsidentin kann
Aufschluss geben. Giorgia Meloni ist seit 2014 Vorsitzende der
postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI). In ihrem Programm steht
eine rigide Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Abtreibung lehnt die
Partei ebenso ab wie gleiche Rechte für queere Menschen oder eine
allgemeine Impfpflicht.
Meloni hat es geschafft, in einem Land ganz nach oben zu kommen, in dem
nicht einmal die Hälfte der Frauen berufstätig ist und junge Männer
möglichst lange im „Hotel Mama“ bleiben. Ein Land, in dem noch immer das
Bild der Sekretärin trägt, die ihrem Chef den Kaffee serviert. Ein Land, in
dem Kinderbetreuung Sache der Mütter und Großmütter ist. Ein Land, in dem
der Frauenanteil im Parlament mit 31 Prozent der niedrigste seit 20 Jahren
ist. Und ein Land, das – nicht zuletzt dank Meloni – Einwanderung stärker
als bisher begrenzen will. In Italien prägen Nationalismus, Rassismus und
Misogynie das gesellschaftliche wie kulturpolitische Leben.
## Meloni steht für ein traditionelles Familienbild
Und die Frauen? Halten sich meist raus. Dagegen ankämpfen? Das war einmal.
Gerade weil Meloni für ein traditionelles Familienbild steht und sich
trotzdem als Frau in einer Männerwelt durchgesetzt hat, ist sie für Frauen
wählbar. Sie zeigt den Frauen, dass es möglich ist, Frau, Mutter und
Regierungschefin eines Landes zu sein. Zudem bedient sie die Furcht vor den
Folgen einer scheinbar aus dem Ruder geratenen Identitätspolitik: Sie hat
dafür gesorgt hat, dass Geburtsurkunden von Kindern, die in queeren
Familien leben, jetzt angefochten werden.
Meloni verkörpert etwas, wofür der Feminismus immer gekämpft hat: Sie hat
sich in der italienischen Testosterongesellschaft scheinbar leichtfüßig
durchgesetzt, als Frau und als Mutter. Karriere und Familie passen durchaus
zusammen – und das ganz ohne Frauenquote. Am Ende sogar ohne ihren Partner.
Den hat sie nach frauenfeindlichen Sprüchen kurzerhand abserviert. Sie
spricht vier Sprachen, ist professionell in den sozialen Netzwerken
unterwegs, und sie weiß die eigene Weiblichkeit geschickt einzusetzen:
nicht zu feminin, aber immer noch feminin genug, um nicht männlich zu
wirken.
Für die Rechten in Italien ist sie die beste Personalie seit Jahren und
dazu eine, die auf internationalem Parkett zu punkten weiß. Meloni und
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treten häufig so auf, als
seien sie ziemlich beste Freundinnen. Sie lachen, umarmen sich, sind verbal
ausgewogen. Warme [1][Schwesterlichkeit] hat harte Männerkomplizenschaft
abgelöst.
Meloni ist nur eine von vielen, denn da sind noch all die anderen rechten
Frauen, die steile Karrieren hingelegt haben und die allesamt zeigen: Der
Führungsanspruch in rechtsradikalen Parteien ist längst keine Männerdomäne
mehr, der einstige „Far Right Gender Gap“, die Geschlechterlücke bei den
Rechten, hat sich aufgelöst. Für linke Feministinnen ist das ein Dilemma:
Die Gleichstellung von Frauen und Männern schreitet voran – trotz oder vor
allem wegen Meloni und Co. Die einst so feste Gewissheit, dass Frauen nicht
rechts sind, schon gar nicht rechtsextrem, ist überholt. Tatsächlich aber
machen Frauen wie Meloni und Co mit ihren augenscheinlich feministischen
Lebensentwürfen den [2][Antifeminismus] erst so richtig salonfähig.
## Tradwifes und ihr Leben als Mutter, Ehe- und Hausfrau
Unterstützt werden sie dabei von Frauen, die sich des feministischen
Narrativs bedienen, demzufolge Feminismus ist, wenn jede Frau so leben
kann, wie sie will: den [3][Tradwives], den sogenannten traditionellen
Hausfrauen, die als Influencerinnen ihr Leben als Mutter, Ehe- und Hausfrau
propagieren. Sie backen Kuchen, umsorgen ihren Mann und sind rund um die
Uhr für ihre Kinder da. In den Videos ist das Leben rosa, friedlich,
entschleunigt. Eine Sehnsucht, die nicht wenige, insbesondere junge
Menschen umtreibt. Die reale Gesellschaft bleibt in den
[4][Tradwife-Videos] draußen: Ungleichheit und Ungerechtigkeiten,
Gender-Pay- und [5][Gender-Pension-Gap], [6][Gewalt an Frauen] und
Femizide. Den [7][Gender-Care-Gap] haben die Tradwifes für sich gelöst:
klare, klassische Aufgabenverteilung.
Das ist mehr als nur der vermeintliche Rückfall in die 1950er Jahre, das
ist zutiefst toxisch, frauenverachtend und politisch rechts. Davon
profitieren Meloni und Co und das befeuern sie intensiv mit ihren eigenen
Biografien. Meloni gelingt etwas, das nicht viele können: Sie gibt sich
umgänglich, kommt sympathisch rüber und ist gleichzeitig ein knallharter
Machtmensch, empathielos gegenüber Geflüchteten, kaltherzig gegenüber
Queeren und Arbeitslosen. Mit ihrer Reformidee, die oder den
Ministerpräsidenten künftig direkt vom Volk wählen zu lassen, würde sie
ihre Macht massiv festigen und die Befugnisse des Parlaments einschränken.
„Wollen Sie selbst entscheiden oder es den Parteien überlassen?“, fragt
sie. Das ist so populistisch wie geschickt und gefährlich.
Meloni hat das Zeug dazu, Italien noch weiter nach rechts und
schlimmstenfalls in die nächste Autokratie in Europa zu führen – eigentlich
egal, ob so jemand ein Mann oder eine Frau ist.
28 Nov 2024
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## AUTOREN
DIR Simone Schmollack
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