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       # taz.de -- Philosoph über linke Ideen: „Oft fehlt die emotionale Infrastruktur“
       
       > Der Philosoph Gustavo Robles ist Co-Autor des Buches „Beyond Molotov“. Er
       > plädiert dafür, linke Ideen emotional aufzuladen, um gegen Rechts zu
       > bestehen.
       
   IMG Bild: Mit Blumen gegen Unterdrückung: Banksys Wandbild „Flower Thrower“ in der derzeit laufenden Hamburger Ausstellung „House of Banksy“
       
       taz: Das Buch, bei dem Sie Co-Autor sind, heißt „Beyond Molotov“. Bedeutet
       das, im Widerstand gegen den Autoritarismus die Militanz aufzugeben? 
       
       Gustavon Robles: Es gibt viele Strategien gegen Autoritarismus,
       rechtspopulistische Bewegungen und Formen von Illiberalismus oder
       Neoliberalismus. Der Buchtitel soll sie nicht leugnen, sondern ergänzen.
       Wir haben uns auf spezifische Strategien konzentriert, die manchmal
       übersehen werden: Solche, die sich auf Emotionalität, Sensibilität und die
       ästhetische Dimension des Kampfes beziehen. Auf die emotionale
       Infrastruktur des Widerstandes. Das soll den Fokus auf Aspekte lenken, die
       nicht unbedingt am effektivsten sind, aber dennoch essenziell.
       
       taz: Wie können solche Strategien aussehen? 
       
       Robles: Ein für mich eindrückliches Beispiel aus dem Buch ist die Arbeit
       der Künstlerin Aylin Kuryel aus der Türkei, die Träume von Menschen
       gesammelt und sie in öffentlichen Räumen präsentiert hat. In einem
       repressiven und zensierten Umfeld hat sie so Unbewusstes in die
       Öffentlichkeit gebracht. Ein anderes Beispiel ist die Verwendung von Farben
       im Aktivismus, etwa die grünen Tücher der feministischen Bewegung in
       Argentinien.
       
       taz: In dem Buch sagen Sie, dass sie das Feld der Affektpolitik nicht den
       Autoritären überlassen wollen. Was bedeutet das? 
       
       Robles: Wir können Autoritarismus nicht auf einen Mangel an
       Rechtsstaatlichkeit oder auf die Beschreibung exotischer Anführer wie
       Trump, Bolsonaro, Milei oder Erdoğan reduzieren. Autoritäre Tendenzen und
       die Wiederbelebung des Neoliberalismus nutzen Emotionen gezielt. Er
       [1][kanalisiert Ängste], Unsicherheiten, Ressentiments und sogar positive
       Gefühle wie Bindung oder Begeisterung. [2][Gegenstrategien] zu entwickeln
       bedeutet, dass auch die Linke auf dieser Ebene des Kampfes aktiv werden
       muss.
       
       taz: Welchen Vorteil bieten derartige Gegenstrategien? 
       
       Robles: Ein Vorteil besteht darin, dass sie die Ideen von sozialer
       Gerechtigkeit und Emanzipation erneuern können. Sie zeigen damit, dass sie
       nicht überholt sind. Diese Ideen brauchen eine emotionale Grundlage, die in
       der öffentlichen Debatte oft keine Stimme findet, sich aber in Kunst oder
       ästhetischen Interventionen zeigt. Wenn wir Utopien verstehen wollen,
       dürfen wir uns nicht nur auf Symbole, Diskurse oder Philosophien
       beschränken. Wir müssen uns auch mit der Ebene von Emotionen und affektiven
       Verbindungen beschäftigen, die den Kampf prägen.
       
       taz: Gibt es denn überhaupt genug Utopien oder fehlen der Linken Visionen
       einer besseren Welt? 
       
       Robles: Utopien existieren – sei es in Kurdistan oder bei den Zapatistas,
       im [3][Feminismus] oder in neueren Sozialtheorien wie dem Post-Humanismus.
       Es bestehen durchaus Utopien einer anderen, besseren Welt. Doch oft fehlt
       die emotionale Infrastruktur, um diese Utopien in politische Bewegungen zu
       übersetzen. Es fehlen nicht Visionen, sondern die Fähigkeit, das Begehren
       der Menschen für sie zu wecken.
       
       taz: Die autoritäre Rechte ist global auf dem Vormarsch, ohne Lösungen
       anzubieten, die das Leben aller verbessern könnten. Wieso schafft es die
       Linke nicht, mit Ihren Visionen zu überzeugen? 
       
       Robles: Im Zeitalter der [4][Fake News] überzeugen nicht nur Logik oder
       empirische Daten, sondern der Wunsch, an ein Argument zu glauben.
       Emanzipation und soziale Gerechtigkeit müssen auch das Begehren ansprechen.
       Dieser emotionale Aspekt spielt eine zentrale Rolle, um Wünsche für eine
       gerechtere Welt zu wecken und Utopien neu zu aktivieren.
       
       28 Nov 2024
       
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