# taz.de -- Parlamentswahlen in Irland: Vom Räuber zum Politiker
> Gerry Hutch war für einen der größten Raubüberfälle Irlands
> verantwortlich. Nun tritt er bei den Wahlen an – und will sich für mehr
> Polizei auf Dublins Straßen einsetzen.
IMG Bild: Der Polizei immer einen Schritt voraus: Gerry Hutch auf dem Weg zu einer Wahlveranstaltung am 21. November in Dublin
Dublin taz | Falls er [1][bei den irischen Parlamentswahlen] am Freitag
gewählt werde, wolle er sich für mehr Polizisten auf den Straßen Dublins
einsetzen. Das ist ein ungewöhnliches Versprechen für eine der
profiliertesten Figuren des organisierten Verbrechens. Gerry Hutch wurde
allerdings nie wegen schwerer Straftaten verurteilt, er war der Polizei
immer einen Schritt voraus. Hutch wurde 1963 als jüngstes Mitglied einer
achtköpfigen Familie in der nördlichen [2][Innenstadt von Dublin] geboren,
wo er jetzt auch kandidiert. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen und
begann seine kriminelle Karriere schon früh als Mitglied einer Jugendbande,
die sich auf Handtaschendiebstähle und Autoeinbrüche spezialisiert hatte.
Im Alter von 15 Jahren wurde er zum ersten Mal zu einer Gefängnisstrafe
verurteilt.
Hutch gilt als Organisator eines Raubes von 1,7 Millionen Pfund aus einem
Geldtransporter im Jahr 1987. Noch spektakulärer war der Überfall auf ein
Depot der Firma Brinks im Jahr 1995, bei dem 3 Millionen Pfund erbeutet
wurden – einer der größten Raubüberfälle in der Geschichte Irlands. Die
Medien gaben Hutch wegen seines asketischen Lebensstils den Spitznamen „The
Monk“. Zuletzt wurde der Mönch vor allem mit dem tödlichen Streit zwischen
seinem Clan und der kriminellen Kinahan-Gruppe in Verbindung gebracht, aber
sein Freund David Byrne wurde getötet.
Nachdem sein Neffe Gary Hutch von den Kinahans ermordet worden war, soll
Gerry Hutch 2016 einen Anschlag im Regency Hotel inszeniert haben, wo ein
Boxkampf stattfand. Ziel des Attentats war Daniel Kinahan, einer der
führenden Köpfe der Organisation, der jedoch entkam.
Das Gericht sprach Hutch vom Mordvorwurf frei, weil der Zeuge, ein
Stadtrat, vollkommen unglaubwürdig war. Die Tatwaffe stammte jedoch von
Hutch, befand das Gericht, aber er wurde deshalb nicht angeklagt. Er durfte
nach Spanien zurückkehren. Die durch den Regency-Anschlag ausgelöste Fehde
führte zum Tod von 18 Menschen. Viele der Getöteten waren
Familienmitglieder und Mitarbeiter von Hutch. Vorigen Monat wurde er von
der Polizei in Spanien wegen des Verdachts der Geldwäsche verhaftet und am
4. November gegen eine Kaution in Höhe vom 100.000 Euro freigelassen, um
bei den Wahlen in Irland kandidieren zu können.
Harte Konkurrenz
Das spanische Gericht berief sich auf EU-Rechtsprechung, wonach politischen
Kandidaten, die strafrechtlich verfolgt werden, aber noch nicht verurteilt
sind, die Teilnahme an den Wahlen erleichtert werden soll. Sollte er
gewählt werden, würde die spanische Strafverfolgung gegen ihn erschwert
werden. Er tritt als unabhängiger Kandidat an. Bei vier zu vergebenden
Sitzen hat er einige hochkarätige Konkurrenten im Wahlkreis Dublin Central,
darunter Präsidentin Mary Lou McDonald von der republikanischen Partei Sinn
Féin sowie der ehemalige Finanzminister Paschal Donohoe.
Dublin Central gilt als einer der sozial und ethnisch vielfältigsten
Wahlbezirke Irlands und umfasst das Haupteinkaufsviertel und das
[3][Internationale Finanzdienstleistungszentrum], aber auch ein Viertel mit
vielen Methadonkliniken, Obdachlosenunterkünften und Wohnsilos mit hoher
Arbeitslosigkeit. Dort gilt Hutch für viele als eine Art Robin Hood. So hat
er zum Beispiel das Gebäude des Corinthians Boxing Club, wo auch die
zweifache Olympiasiegerin Kellie Harrington trainiert, 1998 gekauft.
Seitdem vermietet er es an den Club für 1 Euro im Jahr.
Laut Umfragen liegt Hutch derzeit bei 8 Prozent. Das würde nicht für einen
Sitz reichen, aber Überraschungen hat es in der Geschichte Irlands schon so
manches Mal gegeben.
29 Nov 2024
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## AUTOREN
DIR Ralf Sotscheck
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