# taz.de -- Vergewaltigungsprozess um Gisèle Pelicot: Das Trauma der Heldin
> Für die jahrelang vergewaltigte Gisèle Pelicot bleibt nach dem Prozess
> die Bewältigung ihres Traumas. Sie sollte damit nicht allein bleiben.
IMG Bild: Gisèle Pelicot beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in Avignon, an 27. November 2024
Gisèle Pelicot ist mehr. Mehr als eine Ikone, mehr als eine Heldin, mehr
als eine Pionierin. Als solche feiern Feministinnen weltweit die 71-jährige
Französin, die über Jahre von ihrem Ehemann [1][unter Drogen gesetzt,
vergewaltigt und fremden Männern zum Missbrauch angeboten] wurde.
Tatsächlich verdient Pelicot mit ihrer Entscheidung, sich ins Licht der
Öffentlichkeit zu begeben, den höchsten Respekt.
Die Scham muss die Seite wechseln, die Schande gehört den Tätern: Es ist
[2][der Mut dieser außergewöhnlichen Frau], der diese Parole aus dem
Gerichtssaal von Avignon hinaus in die Welt trägt, mitten ins Herz der
patriarchalen Schweigekultur. Aber dieser Mut hat einen Preis. Gisèle
Pelicot zahlt ihn allein. „Wenn man mich so sieht, denkt man: Diese Frau
ist stark“, sagte sie vor Gericht. „Aber in meinem Inneren ist ein
Trümmerfeld.“
Jene, die sich eine übermenschliche Kämpferin wünschen, scheinen den
zweiten Teil überhört zu haben. Sie sei eine „völlig zerstörte Frau“. In
den vielen aktuellen Huldigungen liest man davon: nichts. Das ist ein
Versäumnis. Denn wer vergöttert, entmenschlicht zugleich, mögen die Motive
noch so nachvollziehbar sein. [3][„I need a hero“], ich brauche einen
Helden: Mit Bonnie Tyler ist die Lage gut zusammengefasst.
Europa und die Welt befinden sich mitten in einem antifeministischen
Vormarsch, die Gewalt gegen Frauen spitzt sich zu. Frauenrechtlerinnen
scheinen jetzt endlich eine Gegenerzählung zu wollen, ein Symbol des
Zurückschlagens. Aber sie verschweigen eine zentrale Realität des
Überlebens: den Schmerz. Wenn Pelicot damit genauso offensiv umgeht wie
mit ihrem Kampf vor Gericht, sollten ihre Unterstützerinnen das auch tun.
Anders werden sie dieser außergewöhnlichen Frau schlicht nicht gerecht.
Einer Bewegung, die sonst stets feinfühlig auftritt, Triggerwarnungen groß
gemacht und den Begriff mental health auf die Karte gesetzt hat, steht das
Ignorieren der traumatisierten, der zerstörten Pélicot nicht gut zu
Gesicht.
28 Nov 2024
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