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       # taz.de -- Demo gegen Kürzungen im Sozialbereich: Der Schlafplatz, ein Sechser im Lotto
       
       > Das Geld reicht sowieso schon nicht, und doch will der Senat auch bei der
       > Obdachlosenhilfe sparen. Betroffene und Beschäftigte sind wütend.
       
   IMG Bild: Leidgeprüft: Berliner Sozialarbeiter*innen und Betroffene demonstrieren gegen Kürzungen in der Obdachlosenhilfe
       
       Berlin taz | Der Graupelschauer kommt wie bestellt. Nach wenigen
       Augenblicken sind die Schlafsäcke der Menschen durchnässt, die zu Dutzenden
       vor dem Roten Rathaus kauern. Eine beklemmende Vorführung: So unwirtlich
       ist der Berliner Winter für Menschen, die ihm ungeschützt ausgesetzt sind.
       
       Die meisten, die hier ausharren, sind freiwillig draußen. Sie arbeiten bei
       der Bahnhofsmission und der Berliner Kältehilfe. Auch einige von
       Obdachlosigkeit Betroffene sind da. Gemeinsam protestieren sie am Mittwoch
       gegen die Kürzungen im Bereich der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe.
       
       Zur Demo aufgerufen hatte die Landesarmutskonferenz (LAK) schon vor
       [1][Bekanntwerden der Streichliste von CDU und SPD]. Inzwischen ist die
       Drohkulisse Wirklichkeit: Rund 5,5 Millionen Euro und damit etwa 7 Prozent
       weniger an Zuschüssen erhalten soziale Einrichtungen kommendes Jahr aus dem
       Topf der Sozialverwaltung.
       
       Welche Angebote konkret berührt sein werden, ist offen, weil die
       Einzeltitel nicht aufgeführt sind. Doch es zeichnet sich ab, dass die
       Kürzungen etwa [2][„Housing first“-Projekte] sowie die
       [3][24/7-Notunterkünfte] treffen. „Viele Angebote sind schon jetzt an der
       Belastungsgrenze“, warnt Friederike Wagner von der LAK. Weitere Kürzungen
       führten dazu, dass mehr Menschen auf der Straße leben müssten.
       
       ## Wut und Galgenhumor
       
       Angesichts dessen mischt sich unter die Wut der Protestierenden auch
       Galgenhumor: An einem selbst gebastelten Glücksrad findet eine
       „Schlafplatzlotterie“ statt – Hauptgewinn ist ein Dach über dem Kopf. Aber
       die Chancen stehen schlecht. Als eine Rednerin daran erinnert, dass sich
       [4][das Land Berlin das Ziel gesetzt hat, bis 2030 Obdachlosigkeit zu
       beenden], entlockt das der Menge nur ein freudloses Lachen.
       
       Wenig Hoffnung machen auch weitere Punkte in der Liste: So werden dem
       Integrierten Sozialprogramm 2 Millionen Euro gestrichen, das
       niedrigschwellige Angebote wie Notübernachtungen fördert. Dazu zählt auch
       das [5][Projekt Frostschutzengel] mit aufsuchender Sozialberatung für
       wohnungslose Menschen in mehreren Sprachen.
       
       ## Betroffen sind ohnehin schon marginalisierte Gruppen
       
       „Es steht einiges auf dem Spiel“, sagt dessen Leiterin Monika Slobodzian
       zur taz. Sie befürchtet, dass sie die Begleitung bei Behördengängen
       zurückfahren muss. Doch die ist für obdachlose Menschen aus dem EU-Ausland
       existenziell: „Wenn Leute allein zu Behörden gehen, werden sie in aller
       Regel weggeschickt“, so Slobodzian, „denn es gibt keine funktionierende
       Sprachmittlung und keine Umsetzung von sozialrechtlichen Ansprüchen.“
       arunter litten die Klienten. „Das sind ohnehin schon marginalisierte
       Gruppen, die dann noch weniger Unterstützung erhalten.“
       
       Auch SPD-Sozialpolitiker Lars Düsterhöft wagt sich ans Mikro. Doch seine
       beschwichtigende Rede stößt auf taube Ohren. Die Isomatten werden
       zusammengerollt. Zurück bleiben kleine trockene Rechtecke.
       
       20 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://www.frostschutzengel.de/index.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanno Fleckenstein
       
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