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       # taz.de -- Papstwahl als Polit-Thriller im Kino: Ohnmacht, Opulenz, Ränke
       
       > Edward Berger inszeniert in „Konklave“ eine Papstwahl als packenden
       > Polit-Thriller. Statt Glaubensfragen stehen Machtspiele im Vordergrund.
       
   IMG Bild: Vatikan kann schon erdrückend sein: Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) in „Konklave“
       
       „Je mehr Licht man in die Kirchengeschichte bringt, desto dunkler wird’s“,
       hat der Schweizer Schriftsteller Heinrich Wiesner einmal treffend
       formuliert. Womöglich ist das einer der Gründe, weshalb der neue Film von
       Edward Berger, obwohl er ausschließlich innerhalb der Mauern des Vatikans
       spielt, sich nicht für ihre Historie interessiert.
       
       Denn „Konklave“ hat es weder auf eine Bewältigung der jüngeren oder älteren
       Vergangenheit der Kurie noch auf einen Kommentar zu ihrem gegenwärtigen
       Zustand abgesehen.
       
       Stattdessen hat [1][Edward Berger, dessen Kriegsdrama „Im Westen nichts
       Neues“ im vergangenen Jahr mit vier Oscars ausgezeichnet wurde], einen
       überaus spannenden Thriller um eine Papstwahl inszeniert. Basierend auf
       einer Romanvorlage des britischen Autors Robert Harris („München“), erzählt
       „Konklave“ von der gleichnamigen Versammlung der Kardinäle, die hinter
       verschlossenen Türen zusammenkommen und sich von der Außenwelt abriegeln,
       um den nächsten Nachfolger Petri zu bestimmen.
       
       Der Prunk der römisch-katholischen Kirche, ihre traditionsreichen Riten und
       ihr strenges Protokoll dienen dem Film als überaus imposantes Setting
       beziehungsweise narrativer Rahmen für eine im Kern sehr weltliche
       Geschichte um Macht, Intrige und Verschwörung. Denn mit dem Tod des
       reformistischen [2][Papstes], der offen für Liberalisierungen eintrat,
       beginnt nicht nur der Streit um die Deutungshoheit darüber, was die
       Glaubensgemeinschaft ausmacht und in welche Richtung sie steuern sollte.
       
       Auch ein an individuelle Herrschaftsinteressen geknüpftes Gerangel um den
       Heiligen Stuhl wird in Gang gesetzt. „Jeder Kardinal hegt die Ambition,
       Papst zu werden, und hat sogar heimlich den Namen gewählt, unter dem er
       bekannt sein möchte“, flüstert Kardinal Bellini (Stanley Tucci), der als
       einer der aussichtsreichsten Anwärter auf das Pontifikat nach Rom gereist
       ist, seinem Freund Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) zu. Er, der als Dekan
       gleichsam für die Organisation des Konklaves zuständig ist, bestreitet
       derlei Bestrebungen.
       
       ## Mit seinem Glauben hadern
       
       Aus Lawrences Sicht, und damit vom Standpunkt eines Geistlichen aus, der
       mit seinem Glauben hadert und seine verantwortungsvolle Aufgabe als letzten
       großen Dienst an der katholischen Kirche betrachtet, blickt der Film auf
       die Geschehnisse. Die bedächtig agierende Kamera von Stéphane Fontaine
       („Ammonite“) folgt ihm in roter Soutane, mit Kreuz und Zucchetto bei
       zahlreichen Zeremonien, wie dem feierlichen Versiegeln der päpstlichen
       Gemächer nach dessen Tod oder beim weihevollen Durchschreiten heiliger
       Hallen.
       
       Dabei entstehen eindrückliche Bilder, die „Konklave“ eine ähnliche
       Wirkung verleihen, wie sie die Prachtbauten der katholischen Kirche
       besitzen, die für den Film in den Cinecittà-Filmstudios in Rom mit
       Detailtreue nachgebaut wurden: Beide, Bauten wie Bilder, strahlen eine
       monumentale Opulenz aus, die sowohl erhaben als auch erdrückend wirkt.
       
       Die ehrfurchtgebietenden Einstellungen werden allerdings immer wieder
       gekonnt gebrochen, etwa indem die Kardinäle auch bei profanen Tätigkeiten,
       mit E-Zigarette und Smartphone, zu sehen sind. Ohnehin ist das, was sich
       unter den Klerikern ereignet, oft alles andere als weihe- oder würdevoll.
       Kaum angekommen, teilt sich die Geistesgemeinschaft in unterschiedliche
       Fraktionen, in vielversprechende Kandidaten und ihre jeweilige Gefolgschaft
       auf.
       
       Neben besagtem Bellini, der den liberalen Kurs seines Vorgängers fortsetzen
       möchte und damit Lawrences Unterstützung genießt, buhlt auch Goffredo
       Tedesco (Sergio Castellitto) um die Gunst der anderen Kardinäle. Er wettert
       gegen eine Modernisierung der Kirche, fordert die Wiedereinführung der
       lateinischen Messe und findet damit vor allem unter konservativen Kräften
       Zuspruch.
       
       ## Zahlreiche Wahlgänge nötig
       
       Während der nigerianische Anwärter Joshua Adeyemi (Lucian Msamati) noch
       reaktionärere Töne anschlägt und offen gegen Homosexualität hetzt, gilt
       Joseph Tremblay (John Lithgow) wiederum als ein gemäßigter Kandidat der
       Mitte.
       
       Da es für die Ernennung zum Papst einer Zweidrittelmehrheit aller Stimmen
       bedarf, zeichnet sich schnell ab, dass zahlreiche Wahlgänge nötig sein
       werden. Zwischen ihnen fokussiert sich „Konklave“ nicht nur auf die
       Gespräche, die Lawrence mit seinen Verbündeten führt, um eine möglichst
       mächtige Koalition zu schmieden.
       
       In seiner Funktion als Dekan muss er auch Hinweisen auf mögliche
       Bestechungen und etwaige Ränkespiele, die das Zeug zum öffentlichen Skandal
       besitzen, nachgehen. Die unerwarteten Wendungen und Überraschungen
       verflicht Edward Berger virtuos zu einem politischen Kammerspiel.
       
       ## Stellvertreter des Herrn auf Erden
       
       Mehr als packende Unterhaltung aber entsteht daraus nicht. Größere Themen,
       wie die persönliche Glaubenskrise seines Protagonisten oder die
       [3][Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche] werden nur benannt,
       nicht aber verhandelt. Die Diskussionen zwischen den unterschiedlichen
       Fraktionen verharren wiederum zu sehr an der Oberfläche, um die
       gegenwärtigen Auseinandersetzungen innerhalb der Kurie, welche Richtung die
       Kirche nun nehmen soll, tatsächlich abzubilden.
       
       Indem „Konklave“ den eigentlich interessanten Fragen seines Settings
       ausweicht, haftet dem Film auch eine gewisse Mutlosigkeit an. Beinahe wirkt
       es so, als hätte die Opulenz des Vatikans auch Edward Berger, respektive
       Drehbuchautor Peter Straughan, ein wenig in Ohnmacht versetzt. Umso mehr,
       als selbst das Ende der Erzählung einer finalen Konfrontation ausweicht und
       suggeriert: Mögen sich die Stellvertreter des Herrn auf Erden auch verirren
       – eine glückliche Fügung wird es schon richten. Oder ist es sogar eine
       göttliche?
       
       20 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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