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       # taz.de -- Haushalts-Pläne nach Ampel-Ende: Integrationskursen droht Shutdown
       
       > Nach dem Ampel-Aus greift die vorläufige Haushaltsführung.
       > Integrationskurse könnten ausfallen, das Afghanistan-Aufnahmeprogramm
       > sogar komplett enden.
       
   IMG Bild: Wichtig für Geflüchtete und andere Zuwanderer*innen: Integrationskurse
       
       Berlin taz | Der Zusammenbruch der Ampel droht die [1][Integrationskurse
       für Geflüchtete und andere Zuwanderer*innen] zum Stillstand zu
       bringen. Weil mit dem Ende der Bundesregierung auch die Pläne für den
       Haushalt hinfällig sind, könnte den Trägern der Kurse das Geld abgedreht zu
       werden. Und auch das eigentlich gerettete Bundesaufnahmeprogramm für
       afghanische Menschenrechtler*innen ist dadurch wieder in Gefahr.
       
       In Momenten, in denen es kein Haushaltsgesetz für das kommende Jahr gibt,
       greift [2][die vorläufige Haushaltsführung]. Dadurch kann der Staat seinen
       Aufgaben weiter nachkommen und weiter Geld ausgeben – allerdings mit
       deutlichen Begrenzungen. So dürfen nur bestehende Institutionen und
       gesetzlich beschlossene Maßnahmen finanziert werden. Außerdem dürfen noch
       rechtliche Verpflichtungen erfüllt werden und ohnehin laufende Projekte
       weiter Geld erhalten. Es bleibt also beim Status Quo.
       
       Offen ist derzeit aber, was die Grundlage für die vorläufige
       Haushaltsführung für 2025 werden soll. In Frage kommen entweder der
       Haushalt für 2024 oder aber die Entwürfe für den Haushalt 2025, welche die
       Ampel noch ausarbeiten konnte, [3][bevor sie zerbrach]. Und hier wird es
       gefährlich für die Integrationskurse, die Zugewanderten die deutsche
       Sprache beibringen und Grundwissen über die deutsche Gesellschaft
       vermitteln sollen.
       
       Während es vergangenes Jahr noch rund eine Milliarde Euro für die Kurse
       gab, strich das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD) diesen
       Posten [4][in einem ersten Entwurf für den Haushalt 2025 auf 500 Millionen
       zusammen]. Eigentlich sollte darüber später noch einmal verhandelt werden –
       doch dazu kam es nicht mehr. Sollte dieser Entwurf nun Grundlage für die
       Haushaltsplanung werden, gäbe es für die Integrationskurse im nächsten Jahr
       also zunächst nur noch halb so viel Geld. Das hätte dramatische Folgen.
       
       ## „Integration wird kaputt gespart“
       
       Sascha Rex vom Volkshochschulverband sagt der taz: „Unseren Berechnungen
       nach reichen die für Integrationskurse eingeplanten 500 Millionen Euro
       nicht einmal aus, bereits seit diesem Jahr laufende Kurse zu Ende zu
       führen.“ Geplante Kurse, die erst noch anfangen, müssten deswegen durchweg
       abgesagt werden. Auch viele Berufssprachkurse müssten deshalb ausfallen.
       „So wird die Integration in Deutschland kaputt gespart“, so Rex.
       
       Er warnt, dass damit 180.000 Geflüchteten Integrationskurse vorenthalten
       werden könnten. „Dabei sind die dort erworbenen Sprachkenntnisse
       unentbehrlich für den Berufseinstieg und das Alltagsleben in Deutschland.“
       Schon jetzt warteten Geflüchtete im Schnitt ein halbes Jahr auf einen Kurs
       – mit den Kürzungen drohten es bis zu anderthalb Jahre zu werden.
       
       Und auch wenn eine noch zu wählende neue Bundesregierung rasch einen neuen
       Haushalt beschließt, droht durch die zeitweilige Kürzung dauerhafter
       Schaden. „Allein an Volkshochschulen werden dann über 10.000 Fachkräfte
       nach dem Ende der laufenden Kurse keine neuen Verträge mehr erhalten“,
       befürchtet Rex. Und die könnten sich dann beruflich umorientieren. „Diese
       Abwanderung wird das effiziente und international anerkannte
       Sprachlernsystem für Zugewanderte in Deutschland dauerhaft beschädigen.“
       
       Die Lage beim Bundesaufnahmeprogramm für Afghan*innen ist noch etwas
       komplizierter. Das Innenministerium kürzte im ersten Entwurf für den
       Haushalt 2025 alle Mittel für das Programm. Ohnehin gab es Vorwürfe, das
       Ministerium [5][verschleppe die Umsetzung der Evakuierungen], die
       afghanische Menschenrechtler*innen sowie andere bedrohte Personen vor
       den Taliban retten sollen.
       
       ## Kompromiss steht auf der Kippe
       
       Erst vergangenen Mittwoch – wenige Stunde bevor die Ampel kollabierte –
       einigten sich die Haushaltspolitiker*innen von SPD, Grünen und FDP
       dann aber auf einen Kompromiss, [6][der das Aufnahmeprogramm retten
       sollte.] Rund 27 Millionen Euro sollte es 2025 geben: genug, um das Projekt
       am Laufen zu halten. Doch nun, nach dem Ende der Ampel, ist unklar, ob
       dieser Kompromiss für die vorläufige Haushaltsführung noch Beachtung
       findet. Auch hier hängt wieder alles daran, welcher Entwurf Grundlage wird.
       
       „Ein Ende des Programms würde tausende gefährdete und aufnahmeberechtige
       Afghan*innen ihrem Schicksal überlassen“, sagt Lara Massó vom
       Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Und Alema Alema von ProAsyl sagt der
       taz: „Die Menschenrechtslage in Afghanistan ist katastrophal.“ Die
       Bundesregierung habe über 15.000 Personen ausgewählt, die derzeit noch in
       Afghanistan, Pakistan und Iran auf die Evakuierung warten. „Diese
       Versprechen müssen gehalten werden.“
       
       Auch Eva Beyer von der Organisation Kabul Luftbrücke spricht gegenüber der
       taz von einem „Worst-Case-Szenario“, sollte die Finanzierung auslaufen.
       „Das wäre ein erneuter Verrat an den Afghan*innen.“ Beyer hofft, dass dann
       aber zumindest ungenutzte Mittel aus dem laufenden Jahr umgewidmet werden
       können, um das Aufnahmeprogramm vorerst am Leben zu halten.
       
       Dagegen dürfte das Innenministerium innerhalb der Bundesregierung eher
       darauf drängen, dass es bei den Kürzungen bleibt. Schließlich war es
       Faesers Haus, das die Einsparungen vorgeschlagen hatte, vor allem, um mit
       dem freigewordenen Geld die Sicherheitsbehörden zu stärken.
       
       Letztendlich liegt die Entscheidung über die Grundlage der vorläufigen
       Haushaltsplanung beim Bundesfinanzministerium. Spätestens Mitte Dezember
       ist dort mit einem Beschluss zu rechnen.
       
       14 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
       
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