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       # taz.de -- Entscheidung des Bundesgerichtshofs: K.-o.-Tropfen sind kein „gefährliches Werkzeug“
       
       > Der Bundesgerichtshof sieht K.-o.-Tropfen nicht als gefährliches
       > Werkzeug. Hohe Strafen drohen dennoch: Da der Einsatz eine Todesgefahr
       > verursache.
       
   IMG Bild: K.O.-Tropfen sind laut Bundesgerichtshof kein „gefährliches Werkszeug“
       
       Berlin taz | Wer das Opfer bei einem sexuellen Übergriff mit
       [1][K.o.-Tropfen] gefügig macht, nutzt kein „gefährliches Werkzeug“. Dies
       hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem jetzt veröffentlichten Beschluss
       entschieden. Allerdings hält der BGH beim Einsatz von K.-o.-Tropfen andere
       Strafschärfungen für möglich.
       
       Im konkreten Fall hatten der Angeklagte und seine Verlobte zwei Freundinnen
       zum Abendessen eingeladen. Der Mann tropfte [2][mit einer Pipette
       K.-o.-Tropfen] in das Glas einer der eingeladenen Frauen und seiner
       ahnungslosen Verlobten. Er wollte die Frauen „dadurch sexuell enthemmen, um
       dann mit und an ihnen sexuelle Handlungen zu vollziehen und sich durch
       gegenseitige sexuelle Handlungen der Frauen sexuell zu erregen“, wie der
       BGH schrieb.
       
       Tatsächlich begannen die beiden Frauen ausgelassen zu tanzen, sich
       auszuziehen und sich zu küssen. Der Täter fasste der eingeladenen Frau über
       der Unterwäsche an Brust und Vulva. Danach verschwand die Frau und wurde
       erst später im Garten gefunden, sie schlief unterkühlt und durchnässt im
       Garten. Das Landgericht Dresden verurteilte den Mann wegen eines sexuellen
       Übergriffs zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe.
       
       Der BGH hob die Verurteilung nun aber auf, weil das Landgericht zu Unrecht
       strafschärfend den Einsatz eines „gefährlichen Werkzeugs“ angenommen habe.
       K.-o.-Tropfen seien nämlich kein gefährliches Werkzeug, stellte das oberste
       deutsche Strafgericht fest. Ein Werkzeug sei ein „Gegenstand“ und ein
       Gegenstand habe einen „festen Körper“. Eine Flüssigkeit oder ein Gas sei
       also kein Gegenstand und könne daher kein gefährliches Werkzeug sein, so
       der 5. BGH-Strafsenat unter der Vorsitzenden Richterin Gabriele Cirener.
       
       ## Ein Freispruch ist ausgeschlossen
       
       Zwar könne der Einsatz von K.-o.-Tropfen die gleiche Wirkung haben wie der
       Schlag mit einem Holzknüppel. Solche Gerechtigkeitserwägungen dürften aber
       nicht dazu führen, dass der Wortlaut der Strafnorm ignoriert wird, so der
       BGH. Im Strafrecht sei der Wortlaut vielmehr besonders streng zu beachten.
       Die BGH-Entscheidung wäre freilich überzeugender, wenn nicht in der
       gleichen Entscheidung der Einsatz von Säure als gefährliches Werkzeug
       akzeptiert würde.
       
       Der BGH verwies den Fall zu neuer Entscheidung an das Landgericht Dresden
       zurück. Dabei wird es in keinem Fall zu einem Freispruch kommen. Auf jeden
       Fall wird der Mann wegen sexuellen Übergriffs verurteilt. Strafschärfend
       ist laut BGH zu berücksichtigen, dass der Täter ein „Mittel“ nutzte, um den
       Widerstand des Opfers zu verhindern. Laut Strafgesetzbuch besteht hier eine
       Mindeststrafe von drei Jahren (Paragraf 177 Absatz 7 Nr. 2).
       
       Beim Einsatz eines „gefährlichen Werkzeugs“ läge die Mindeststrafe zwar bei
       fünf Jahren (§ 177 Abs. 8 Nr. 1). Allerdings kommt beim Einsatz von
       K.-o.-Tropfen die fünfjährige Mindeststrafe auch in Betracht, wenn eine
       konkrete Lebensgefahr verursacht wurde (§ 177 Abs. 8 Nr. 2b). Im konkreten
       Fall hätte das Opfer wegen der „starken Bewusstseinstrübung“ an Erbrochenem
       oder an der eigenen Zunge ersticken können.
       
       14 Nov 2024
       
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