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       # taz.de -- Grüne Parteitagsbeschlüsse: Gerade noch mal abgeräumt
       
       > Auf dem Grünen-Parteitag ging es nicht nur um Personal, sondern auch um
       > inhaltliche Bestimmungen. Ein Überblick über die wichtigsten Beschlüsse.
       
   IMG Bild: Eindeutige Mehrheiten: Abstimmung auf dem Grünen-Parteitag in Wiesbaden
       
       Wiesbaden taz | Vor einigen Wochen schien es noch so, als könnte es auf dem
       Grünen Parteitag in Wiesbaden heiß hergehen. In der Basis hatte sich eine
       Menge Frust aufgestaut über die vielen Kompromisse in der Ampel, die
       schlechten Wahlergebnisse in den vergangenen Monaten, dem Hass und die
       Hetze gegen die Grünen. Wenn es nötig sei, werde die Grüne Jugend den
       Parteitag „anzünden“, kündigte Jette Nietzard an, die neue Vorsitzende der
       grünen Nachwuchsorganisation.
       
       Doch dann fackelte Christian Lindner die Ampel ab – und der Parteitag liegt
       plötzlich am Beginn eines sehr kurzen Wahlkampfs für eine vorgezogene
       Bundestagswahl. Kontroversen? Sind auf dem Parteitag nicht mehr so
       angesagt. Die meisten wurden schon im Vorfeld abgeräumt.
       
       Die Verhandlungen über die Details zogen sich hinter den Kulissen zwar noch
       lange hin. In den meisten Punkten kam es gerade rechtzeitig aber doch noch
       zu Kompromissen. Zu gering war unter den Delegierten das Interesse an
       Redeschlachten und Kampfabstimmungen drei Monate vor der Wahl.
       
       Einer der ursprünglich großen Streitpunkte: die Asyl- und
       Migrationspolitik. „Zurück zur Vernunft“ heißt der Antrag, den unter
       anderem der linke Europaabgeordnete Erik Marquardt eingereicht hatte.
       Eingegangen waren dazu 175 Änderungsanträge. Auf der Parteitagsbühne
       erinnert sich Marquardt daran, wie er gedacht habe: „Oh Gott, die liegen ja
       komplett durcheinander!“ Am Ende sei es aber gelungen, in einer geeinten
       Fassung die „Breite der Partei“ widerzuspiegeln. Das hat allerdings auch
       einen Preis: Viel Klarheit über den künftigen Kurs der Grünen verschafft
       der Beschluss nicht.
       
       Eine der strittigen Fragen war etwa, [1][wie sie zu Abschiebungen nach
       Syrien und Afghanistan stehen]. „Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete
       verbieten sich“, heißt es dazu im Text. Kurz darauf kommt eine
       Einschränkung: „Doch besonders bei Menschen, die schwere Straftaten
       begangen haben oder Gefährder sind, muss der Rechtsstaat durchgreifen.“
       Also gehen die Abschiebungen in Ordnung? Nein, sagen Parteilinke: An ganz
       anderer Stelle im Text werden Afghanistan und Syrien als Krisengebiet
       definiert – und zu Krisengebieten sei die Aussage doch klar.
       
       Stellenweise geht es im Text auch in anderen Punkten durcheinander. Dass
       darin etliche Positionen vereint werden sollten und die Verhandlungen am
       Samstag bis kurz vor Schluss gingen, merkt man dem Ergebnis an.
       
       Etwas früher endeten die Verhandlungen zu einem Antrag, der in Teilen
       umstritten war. Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen und weitere Grüne
       [2][forderten darin mehr Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit].
       
       Unter anderem: eine Vermögenssteuer von mindestens 1 Prozent auf Vermögen
       über 2 Millionen Euro. Vor allem unter Realos gab es dagegen Vorbehalte –
       nicht zuletzt aus der Sorge heraus, mit der Forderung im Wahlkampf nicht
       mehrheitsfähig zu sein. Geeinigt haben sich beide Seite am Ende darauf,
       dass das V-Wort im Parteitagsbeschluss zwar vorkommt. Die Formulierung ist
       jetzt aber weniger konkret. Gelten soll die Steuer nur noch „auf sehr hohe
       Vermögen oberhalb eines Freibetrags von mehreren Millionen Euro“. Und vor
       allem: Als steuerpolitische Priorität werden ausdrücklich andere Maßnahmen
       genannt, unter anderem, Lücken bei der Erbschafts- und Immobiliensteuer zu
       schließen.
       
       Im gleichen Antrag hatten Andresen und Co ursprünglich einen Mindestlohn
       von 16 Euro gefordert. Damit hätten sich die Grünen sogar vor die SPD
       gesetzt. In der Einigung stehen jetzt 15 Euro für 2025 – und danach ein
       schrittweiser Anstieg gekoppelt an die generelle Lohnentwicklung im Land.
       Die Grüne Jugend wollte durchsetzen, dass dieser Mindestlohn auch für
       Azubis gilt. Für diese soll es nun aber nur eine
       „Mindestausbildungsvergütung“ geben. Deren Höhe? Unklar. Sie soll aber ein
       „eigenständiges Leben ermöglichen“.
       
       In einem weiteren Antrag bekräftigen die Grünen ihre Forderung nach einem
       Klimageld. Die Auszahlung soll sozial gestaffelt erfolgen. Was das heißt?
       Die Grüne Jugend klang in einem Änderungsantrag kämpferisch: „Mit dem
       Klimageld sorgen wir dafür, dass die Reichsten am meisten für die
       Transformation bezahlen“, hieß es darin. Ein anderer Antrag forderte, das
       Klimageld nicht an die 30 Prozent der Bevölkerung mit den höchsten
       Einkommen auszuzahlen.
       
       Stattdessen heißt es im Ergebnis nüchterner, das Klimageld solle „etwa
       durch eine spezifische Besteuerung oder eine Kappung ab einer bestimmten
       Einkommenshöhe“ gestaffelt werden. Einer der wenigen Abstimmungen des
       Abends gab es zur Frage, ob das Klimageld schon 2025 kommen soll. Die
       Jahreszahl schaffte es am Ende aber nicht in den Beschluss.
       
       Ebenfalls abgestimmt wurde über die Schuldenbremse. Deren komplette
       Abschaffung forderte unter anderem der Berliner Fraktionsvorsitzende Werner
       Graf. Dagegen wandte sich in der Debatte der neue Parteivorsitzende Felix
       Banaszak. Mit Erfolg: Die Mehrheit stimmte dafür, die Schuldenbremse
       lediglich zu reformieren.
       
       Unumstritten war zudem die Entscheidung zum Paragrafen 218. Die Grünen
       sprechen sich jetzt für eine Liberalisierung aus. Abtreibungen in den
       ersten zwölf Schwangerschaftswochen sollen demnach generell erlaubt werden.
       Diese Fristenregelung soll demnach außerhalb des Strafrechts
       festgeschrieben werden. Statt einer Beratungspflicht vor einem Abbruch soll
       es ein Recht auf eine kostenfreie Beratung geben. Es gehe um eine Frage von
       Selbstbestimmung und Gesundheitsversorgung, sagte Ex-Parteichefin Ricarda
       Lang, die den Antrag einbrachte. „Gerade wir Frauen sollten um dieses Recht
       nicht betteln müssen.“
       
       Mit großer Mehrheit stellte sich der Parteitag auch hinter [3][die
       parteiübergreifende Initiative von Bundestagsabgeordneten] „als ersten
       Schritt zu einem AfD-Verbot“. Das Grundgesetz biete die Mittel, die
       Grundrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen,
       heißt es in dem Beschluss. „Es ist die Verantwortung aller demokratischen
       Parteien, des Bundestages, des Bundesrates und der Länder sowie der
       Bundesregierung, diese Mittel im Kampf gegen Verfassungsfeinde auch zu
       nutzen.“
       
       17 Nov 2024
       
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