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       # taz.de -- Kulturkürzungen in München: München leuchtet nicht mehr
       
       > Auch Bayerns Hauptstadt muss sparen. Die dortige Kulturszene ist
       > alarmiert: Schon bald könnte die Stadt ihre kulturelle Strahlkraft
       > einbüßen.
       
   IMG Bild: Ob Performances, wie die des Briten Martin Creed in der Münchner Villa Stuck Anfang 2024, nach den Kürzungen noch drin sind?
       
       München taz | Ein Aufschrei geht durch die Münchner Kulturszene. Vor ein
       paar Tagen kursierte ein offener Brief, der es in sich hatte – auch wenn
       mehr als zwei Drittel des Platzes auf dem Papier die Namen der
       UnterzeichnerInnen einnahmen. Und das waren nur die Erstunterzeichnenden.
       Es war eine sehr bunte Runde: Kulturschaffende aus München,
       spartenübergreifend, Hochkultur ebenso wie freie Szene, Institutionen
       ebenso wie einzelne Künstler.
       
       Die Intendanten von Residenztheater, Kammerspielen und Volkstheater waren
       vertreten, aber auch DJs, Zirkusartistinnen, Designer, Schauspielerinnen
       und Dirigenten; Museen, die Stadtbibliothek und Stadtteilzentren.
       
       Grund für die Aufregung ist der neue Sparkurs der Stadt. Nun ist München
       nicht die einzige Kommune, die ihre Ausgaben runterschraubt, gerade erst
       hatte der Berliner Kultursenator Joe Chialo [1][Kürzungen in seinem
       Zuständigkeitsbereich in der Höhe von 130 Millionen Euro] bekannt gegeben.
       
       Nur: In der bayerischen Landeshauptstadt, die sich als deutsche
       „Kulturhauptstadt“ (SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter) betrachtet und
       noch immer zu den reichsten Städten der Republik gehört, schlägt eine
       solche Nachricht ganz anders ein. Wenn sich schon München keine Kultur mehr
       leisten kann, wer dann?
       
       Dazu komme, klagen die Kulturschaffenden, dass bei ihnen überproportional
       gespart werde. So sei der Kulturetat mit 3,2 Prozent des Gesamthaushalts
       der kleinste Etat, müsse aber 9 Prozent der städtischen Sparauflagen
       tragen. Die Briefeschreiber sehen nicht weniger als Münchens einzigartige
       Kulturszene in Gefahr. Gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft und ihr
       Zusammenhalt von Spaltung und Polarisierung bedroht würden, benötige die
       Stadt Räume für Austausch und Kultur.
       
       Diese spiele eine [2][wesentliche Rolle für eine funktionierende
       Demokratie.] „In ganz Deutschland instrumentalisieren demokratiefeindliche
       Kräfte bewusst einen verengten Kulturbegriff für ihre politischen Ziele und
       fordern drastische Kürzungen. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen.“ Die
       geplanten Kürzungen aber zerstörten die Struktur des kulturellen Angebots
       „unumkehrbar“.
       
       Es werde weniger Theatervorstellungen und Konzerte geben, Festivals stünden
       auf der Kippe, die kulturelle Teilhabe von Kindern, Jugendliche und
       Senioren ebenfalls. Und für Menschen, die in der Kulturszene ihren
       Unterhalt verdienten – oft weniger als den Mindestlohn –, gehe es schlicht
       um ihre Existenz.
       
       Gut, ein bisschen Kultur wird es auch weiterhin geben. Christian Stückl,
       Intendant des Volkstheaters, nahm jüngst die etwas übereilte Ankündigung
       einer drohenden Insolvenz seines Hauses wieder zurück, man habe schließlich
       noch ausreichend Rücklagen. In drei Jahren jedoch könne der an die Wand
       gemalte Teufel womöglich Realität werden.
       
       ## Konkrete Vorschläge zur Rettung der Münchner Kultur
       
       Konkret geht es um folgendes: Der gerade von der grün-roten
       Stadtratskoalition ausgehandelte Haushalt 2025 sieht Einsparungen in Höhe
       von 243 Millionen Euro vor, davon über 15 Millionen im Kulturetat. Den
       Kürzungsplan halten die Koalitionspartner für „verträglich“ und verweisen
       darauf, dass ja trotzdem notwendige Investitionen getätigt würden – etwa in
       Kita-Essen, bezahlbares Wohnen, die Sanierung des Olympiaturms und einen
       neuen Gewerbehof.
       
       Auch in der Kultur seien die städtischen Häuser weiter gut ausgestattet,
       bei Förderungen in der freien Szene werde gar nicht gekürzt. Und OB Reiter
       wiegelt ab: „Von massiven Einsparungen, wie wir es aus anderen Kommunen –
       [3][etwa aus Berlin] – hören, kann hier keine Rede sein.“
       
       Das Bündnis „München ist Kultur“ sieht das freilich anders. Bei einer
       Pressekonferenz nach der Veröffentlichung seines Offenen Briefes gaben die
       Sprecher des Bündnisses auch konkrete Vorschläge zur Rettung der Münchner
       Kultur, etwa die Einrichtung eines Kulturbeirats, der dem Stadtrat künftig
       bei entsprechenden Themen zur Seite stehen solle, oder einen
       „Soziokultur-Fonds“, in den die oberen zehn Prozent einzahlen und so die
       Kulturszene erhalten.
       
       Auch eine Kulturtaxe wie in anderen Städten wäre denkbar. So könnte die
       Stadt jedem Hotelgast pro Übernachtung noch mal 2 Euro extra für die Kultur
       in Rechnung stellen. Bei knapp 20 Millionen Übernachtungen im Jahr käme da
       einiges zusammen.
       
       1 Dec 2024
       
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   DIR Dominik Baur
       
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