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       # taz.de -- Hochhausdebatte in Berlin: Der Regierende wünscht sich eine echte Skyline
       
       > Es gibt genug Begehrlichkeiten nach Hochhäusern in Berlin. Was die Stadt
       > am dringendsten braucht, bringen die aber nicht: bezahlbaren Wohnraum.
       
   IMG Bild: War mal mit mit 142 Metern das höchste Bürogebäude, ist schon wieder überflügelt: der Amazontower in Friedrichshain
       
       Wer Kai Wegner zuhört, der bekommt den Eindruck, dass eine Ansammlung von
       Häusern nur dann den Namen Metropole verdient, wenn ein paar von diesen
       besonders hoch ausfallen. Berlin müsse sich mehr trauen, sagte der
       Regierende Bürgermeister, als er Anfang des Monats mit einer
       Wirtschaftsdelegation im Gepäck während seiner USA-Reise auf die mehrere
       hundert Meter in den Himmel ragenden Türme New Yorks starrte. Natürlich
       wünscht er sich auch für Berlin eine „deutlich höhere Skyline“.
       
       Warum das nötig ist, verrät Wegner nicht. Vielleicht weiß er es selbst
       nicht. Das Hochhaus ist für ihn womöglich einfach ein Selbstzweck. Dabei
       fragen sich durchaus viele Berliner, die seit vergangenem Jahr den Kopf in
       den Nacken legen müssen, um bis zur Traufe des bislang höchsten Turms der
       Stadt blicken zu können: Was bringt uns dieser 142 Meter hohe Turm, der für
       das Management von Amazon aus dem Boden gestampft wurde?
       
       Was solche Hochhäuser definitiv nicht bringen, ist das, was Berlin am
       dringendsten bräuchte: bezahlbarer Wohnraum. Der Großteil der Hochhäuser
       wird für Büros gebaut. Gelegentlich finden sich auch ein paar Wohnungen in
       den Türmen, um sie als „Mixed-use“-Immobilien rechtfertigen zu können.
       Unter den gelegentlich auffindbaren Wohnungen ist dann vielleicht auch mal
       eine Sozialwohnung. Ab 60 Meter wird der Bau von Hochhäusern ohnehin so
       teuer, dass dort kein Normalverdiener mehr einziehen kann. Der Brandschutz
       stellt dann höhere Anforderungen an die Baumaterialien, zwei
       Sicherheitstreppenhäuser werden nötig. So diskutiert Berlin gerade [1][über
       ein Wohnhochhaus mit dem Namen Ruth] (71 Meter) südlich des Tempelhofer
       Feldes, in dem ein großer Teil der Wohnungen leer steht. Kein Wunder bei
       Kaltmieten ab 24 Euro pro Quadratmeter.
       
       Bei Hochhäusern geht es aber am Ende nicht nur darum, dass dort überhaupt
       etwas einzieht. Hochhäuser sind gut zum Geldparken. Wegner hätte sich in
       Manhattan nur einmal die Billionaires’ Row zeigen lassen müssen. Die acht
       Luxustürme nahe dem Central Park haben deutlich höhere Leerstandquoten als
       ostdeutsche Kleinstädte.
       
       ## Gut für den Wertzuwachs
       
       Daneben sind Hochhäuser auch, ohne dass sie überhaupt gebaut werden müssen,
       gut für den Wertzuwachs. Sobald eine Baugenehmigung für solch einen Turm
       erteilt ist, vervielfacht sich das Preisschild des Bodens, auf dem dieser
       einmal gebaut werden soll.
       
       Gut ist es deshalb, dass im Baukollegium, [2][das den Berliner Senat in
       Fragen des Städtebaus berät], am Montag vorgeschlagen wurde, es Frankfurt
       am Main nachzumachen. Wenn Investoren sich künftig mit einer Landmarke in
       Berlins Skyline verewigen wollen, sollten sie verpflichtet werden, einen
       Teil dieser Wertsteigerung in soziale Infrastruktur und Grünanlagen in der
       Umgebung zu investieren.
       
       Apropos Geltungsdrang: Von dem Stararchitekt des Amazon Tower, Bjarke
       Ingels, [3][wird berichtet, dass er sich mitunter pubertär am Namen der
       Internetadresse seines dänischen Architekturbüros erfreuen kann]. Mann muss
       sich bei BIG.dk nur zwei Buchstaben hinzudenken.
       
       Nicht überliefert ist allerdings, wie es Ingels erging, als er
       herausgefunden hat, dass er in Berlin nicht mehr den Größten hat. Seit
       Anfang des Monats hat nämlich der Rohbau des Estrel Towers in Berlin die
       150-Meter-Marke geknackt. Weitere 26 Meter sollen noch folgen.
       
       In New York mag man darüber lachen. Zum Möchtegern-Glamour der märkischen
       Metropole passt es: Das erste Hochhaus Berlins, das sich Wolkenkratzer
       nennen darf, steht ausgerechnet in einem Gewerbegebiet außerhalb des
       S-Bahn-Rings.
       
       2 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2024/11/berlin-leerstand-wohnraum-hochhaus-ruth-neukoelln-mieten.html
   DIR [2] /Debatte-um-Berliner-Hochhausleitbild/!6048452
   DIR [3] https://robbreport.com/shelter/spaces/architect-bjarke-ingels-2870034/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Yannic Walther
       
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