# taz.de -- Rebellenoffensive in Nordwest-Syrien: Die wichtigen Kämpfe kämpft die syrische Zivilgesellschaft
> In Aleppo kämpfen Rebellen gegen Assad. Für die Bevölkerung ist das nicht
> unbedingt eine frohe Nachricht. Und sicherer wird Syrien dadurch auch
> nicht.
IMG Bild: Ein zerstörter Panzer der syrischen Armee steht im Dorf Anjara am westlichen Stadtrand von Aleppo
In Nordwest-Syrien kämpfen Assad-Gegner mit einer Militäroffensive darum,
Aleppo einzunehmen. Zur Erinnerung: 2011 gingen Oppositionelle friedlich
auf die Straßen, um gegen das Überwachungs- und Folterregime unter
Präsident Baschar al-Assad zu protestieren. Assad schlug die Bewegung
gewaltsam nieder. Über die Hälfte der Bevölkerung des gesamten Landes ist
geflohen, Hunderttausende wurden getötet, Zehntausende sind verschwunden.
Mit Luftangriffen, Fassbomben und Folter kämpft Assad gegen jegliche
Opposition, unterstützt von Russland und Iran.
60 Prozent des Landes sind unter Assads Kontrolle. Einige Gebiete im
Nordosten werden syrisch-kurdisch verwaltet, dort bombardiert die Türkei
zivile Orte. Assad und Russland bombardieren täglich den Nordwesten. Dort
gilt die Provinz Idlib als letzte Oppositionsbastion und wird von Hayat
Tahrir al-Sham (HTS) kontrolliert. Die Rebellen der HTS sagen, sie kämpfen
für die Rückkehr der Vertriebenen in die von Assads Truppen besetzten
Städte. In diesen Tagen begannen sie eine [1][Offensive auf die von
Assad-Truppen gehaltene Stadt Aleppo].
HTS hat quasi-staatliche Strukturen aufgebaut, die nicht zwingend besser
sind als jene von Assad. Die Gruppe ist politisch sunnitisch-islamistisch,
aber nicht so drakonisch wie der sogenannte Islamische Staat (IS), gegen
den sie sich stellt. Über eine selbsternannte Zivilbehörde regiert HTS über
4,5 Millionen Menschen in Idlib. Die Bevölkerung kritisiert Missmanagement
und Korruption. Proteste im Mai, unter anderem gegen Folter und hohe
Steuern für Bauern, hat die Gruppe mit Schlagstöcken, Tränengas und
Panzerfahrzeugen niedergeschlagen.
Möglicherweise unterstützt die Türkei HTS und die Kämpfe zielen darauf ab,
eine von ihr kontrollierte „sichere Zone“ in Aleppo zu schaffen. Das deckt
sich mit der Rhetorik Ankaras. Von „Safe Zones“ in Syrien schwafelt auch
die EU, allen voran Ursula von der Leyen. Auch in Deutschland wird über
Abschiebungen nachgedacht.
Die Türkei ist einer der brutalen Türsteher für die Festung Europa, mit
zahlreichen „Flüchtlingsabkommen“ zahlt die EU Geld für Repression oder
Abschiebung. Tausende Schutzsuchende werden von ihr jeden Monat nach Syrien
abgeschoben. Gleichzeitig senden EU-Politiker Signale, Assads Ächtung zu
überdenken, damit Syrer*innen in Regimegebiete zurückkehren – und
spielen damit ein doppeltes Spiel mit beiden Kriegsparteien.
In Syrien stellen sich Menschen ohne Waffen sowohl gegen [2][Assad] als
auch gegen islamistische Milizen, gehen den steinigen Weg durch die Justiz.
Zivilgesellschaftliche Akteur*innen versorgen Binnengeflüchtete in
Lagern, leisten psychosoziale Unterstützung, organisieren Workshops zur
Konfliktlösung und arbeiten an der Reintegration von IS-Angehörigen, die
auch Deutschland nicht zurücknimmt. Für die Festung Europa haben diese
zivilgesellschaftlichen Kämpfe gegen Unrecht und Kriegsverbrechen wohl
keine Priorität mehr.
29 Nov 2024
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## AUTOREN
DIR Julia Neumann
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