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       # taz.de -- Parteitag der Berliner Grünen: Mietern helfen, nicht Eigentümern
       
       > Die Grünen wollen ein Wohnungswirtschaftsgesetz und einen
       > „Vermieter-Führerschein“. Eine Mitgliederbefragung für die
       > Spitzenkandidatur lehnen sie ab.
       
   IMG Bild: Die Berliner Grünen versammelten sich an diesem Wochenende zu einem Parteitag, in dessen Mittelpunkt Wohnungspolitik stand
       
       Berlin taz | Keine Fenster, funktionale Einrichtung. Als die Berliner
       Grünen – genauer: ihre rund 150 Delegierten – am Samstag in einem Moabiter
       Tagungshotel zusammenkommen, ist fast genau ein Jahr seit einem
       abgebrochenen Parteitag Ende 2023 an selber Stelle vergangen. Damals
       [1][scheiterte eine Vorstandswahl, die Partei wirkte tief gespalten], von
       Chaos war die Rede. Ein Jahr später bleibt nun alles gesittet. Eine
       Spaltung aber ist weiter wahrnehmbar.
       
       Vorstandswahlen stehen dieses Mal nicht an. Um Wohnen und Mieten geht es,
       als Landesparteichef Philmon Ghirmai dazu den [2][zentralen Antrag des
       Treffens] vorstellt – und das gleich mit einer Attacke auf Regierungschef
       Kai Wegner (CDU) verbindet. Die Mieter hätten nämlich mehr verdient „als
       einen Kai-guck-in-die Luft, der nur Scheindebatten über Hochhäuser und die
       Bebauung des Tempelhofer Feldes führt“, sagt Ghirmai. Breiter Applaus
       begleitet seine Worte. Im Saal ist nicht die Frage strittig, ob Berlin mehr
       bezahlbare Wohnungen braucht, sondern der Weg dorthin.
       
       Kern des Antrags – aus dem ab einer erhofften Rückkehr der Grünen in den
       Senat 2026 Regierungspolitik werden soll – ist ein
       Wohnungswirtschaftsgesetz. Ghirmai hat es im Vorfeld Journalisten gegenüber
       für als bislang einmalig in Deutschland bezeichnet. Es würde den
       Wohnungsmarkt mehr als bisher regeln und Vermieter stärker kontrollieren.
       Wer mehr als 100 Wohnungen vermietet, soll das ohne eine Lizenz – den
       sogenannten „Vermieter-Führungsschein“ – nicht länger dürfen. Wer mehr als
       1.000 davon in seinem Eigentum hat, soll einen Teil davon für Menschen mit
       geringem Einkommen reservieren müssen, wie es bereits für die landeseigenen
       Wohnungsunternehmen gilt.
       
       Die Grenzziehung bei 100 Wohnungen erscheint manchen zu niedrig und zu sehr
       auch jene anzugehen, die die Grünen gar nicht im Visier haben: sozial
       eingestellte kleinere Vermieter und Genossenschaften. 500 sollen es
       stattdessen sein, fordert ein Antrag, den schließlich am stärksten
       Delegierte des vom Realo-Flügel dominierten Kreisverbands Mitte
       unterstützen. Eine einzelne Delegierte hingegen fordert den Führerschein
       schon ab 10 Wohnungen – nach einem aufwendigen Abstimmungsverfahren bleibt
       es bei 100.
       
       ## Ruf nach „radikalen Veränderungen“
       
       Was immer wieder auftaucht, ist Kritik daran, Wohnungen als Weg zum
       Geldverdienen zu betrachten. „Keine Profite mit der Miete“, fordert in der
       Debatte etwa die Grüne-Jugend-Chefin Marie Graser. Sie sieht in dem Antrag
       des Landesvorstands einen Anfang für „radikale Veränderungen in der
       Wohnungspolitik“. Eine Definition jenes Begriffs, gegen den sich Graser
       wendet, fehlt jedoch: Wo beginnen „Profite“? Und was ist noch zulässiger
       Ertrag, der Vermietern ein Einkommen sichert und Unterhalt, Sanierung und
       vielleicht auch von den Grünen gewünschten Neubau ermöglicht?
       
       Eine Streichung hingegen kann sich durchsetzen: Die Eigentumsförderung für
       Familien auf Landesebene zu prüfen fällt auf Drängen der Kreuzberger
       Landesparlamentarierin Katrin Schmidberger, führende Vertreterin des linken
       Parteiflügels, aus dem Antragtext. Aus ihrer Sicht gibt es angesichts von
       Berlins miserabler Haushaltslage Wichtigeres, als den Eigentumserwerb zu
       fördern.
       
       Ghirmais Co-Parteichefin Nina Stahr versucht für den Landesvorstand mit
       einer Gegenrede die Förderung zu retten. Doch am Ende folgt eine knappe
       Mehrheit von 71 zu 68 Schmidbergers Position.
       
       Weit weniger knapp fällt das Nein zu einem Antrag aus, über künftige
       Spitzenkandidaturen zur Abgeordnetenhauswahl [3][per Mitgliederbefragung zu
       entscheiden]. Das hatte der Kreisverband Mitte gefordert, mit rund 2.300
       Mitgliedern der größte im Landesverband. „Wer sich in Berlin zur Wahl
       stellt, sollte keine Angst vor den Mitgliedern haben“, argumentiert
       Kreisvorstandsmitglied Timur Ohloff – ohne eine Mehrheit der Delegierten
       davon überzeugen zu können.
       
       ## Künftig mehr Delegierte
       
       Was die Grünen tatsächlich ändern, ist die Zahl der Delegierten bei ihrem
       Landesparteitag: In der von 2016 bis heute von 6.000 auf 14.000 Mitglieder
       gewachsenen Verband entschieden bislang unverändert nur rund 150 Delegierte
       über Parteiangelegenheiten – bei der CDU beispielsweise sind es fast 300
       bei rund 12.000 Mitgliedern. Nach einer Satzungsänderung sind es bei den
       Grünen künftig 180.
       
       1 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Landesparteitag-der-Berliner-Gruenen/!5978830
   DIR [2] https://berlin.antragsgruen.de/LDK24-2/motion/75005
   DIR [3] /Abgeordnetenhauswahl-2026/!6053270
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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