# taz.de -- Marco Rubio als neuer US-Außenminister: Little Marco in Osteuropa
> Niemand kann Trumps Westbalkan-Politik vorhersagen. Gerade deswegen muss
> sich die EU gegen russisch-serbische Aggressionen wappnen.
IMG Bild: Trump will Senator Rubio zum Außenminister machen
Die Nominierung von Senator Marco Rubio zum Außenminister durch den
wiedergewählten Präsidenten Donald J. Trump kam überraschend. Der ehemalige
Wettbewerber, den Trump während des republikanischen Wahlkampfes 2016 als
„little Marco“ verspottete, ist ein außenpolitischer Falke und
Transatlantiker.
Dass [1][Trump prompt ihn für das wichtige Amt auswählte] und nicht, wie
von vielen Beobachtern erwartet, seinen engsten Berater Richard Grenell,
ist erstaunlich. Letzterer wird nun als Gesandter für den Ukrainekrieg
gehandelt.
Die Nominierung Rubios könnte eine Hoffnung für die [2][Opfer der
serbischen Aggressionen auf dem Balkan] sein, denn Grenell fällt immer
wieder durch eine proserbische Haltung auf. Der serbische Präsident
Aleksandar Vučić verlieh ihm 2023 den höchsten Verdienstorden.
Als Balkan-Gesandter Trumps war er 2020 der Drahtzieher des Sturzes von
Kosovos Premier Albin Kurti. Der frei von Korruptionsvorwürfen regierende
Politiker Kurti hat es geschafft, die Rechtsstaatlichkeit mit EU-Hilfe
erheblich voranzutreiben, womit Kosovo nun weit besser dasteht als Serbien.
## Sturz von Kosovos Präsident Kurti
„Meine Regierung wurde für nichts weniger gestürzt, weil Botschafter
Grenell es eilig hatte, ein Abkommen mit Serbien zu unterzeichnen“, so
Kurti im April 2020. Seine Weigerung, einem Gebietsaustausch zwischen
Serbien und Kosovo nach ethnischen Kriterien zuzustimmen, beendete vorerst
seine Karriere.
Geplant war, die [3][serbischen Mehrheitsgemeinden Nordkosovos] gegen das
albanisch dominierte Preševo-Tal Südserbiens auszutauschen.
Dies hätte eine Kettenreaktion auf dem multiethischen Balkan auslösen
können: Der serbisch dominierte Teil Bosniens, die Republika Srpska (RS),
hätte sich etwa Serbien angeschlossen, Albaner in Nordmazedonien und
Montenegro Kosovo.
Ein Dominoeffekt hätte bewaffnete Konflikte zur Folge haben können. Da der
damalige Präsident Kosovos, Hashim Thaçi, durch das Haager
Kriegsverbrechertribunal angeklagt wurde, war der Plan undurchführbar.
## Serbien feiert Trumps Wahlsieg
Dieses Jahr fädelte Grenell laut New York Times einen
500-Millionen-US-Dollar Deal für die Immobilienfirma von Trumps
Schwiegersohn Jared Kushner in Belgrad ein. Es ging um das ehemalige
Generalstabsgebäude der Jugoslawischen Volksarmee, das von Nato-Bomben 1999
zerstört wurde.
Solch einen „guten Deal“, wie Trump sie liebt, sollte man beachten, gerade
weil er Jahre vor Kushner ein Auge auf dasselbe Projekt geworfen hatte.
Es ist kein Geheimnis, dass die serbischen Führungen und die RS einem Sieg
Trumps entgegenfieberten. Der Führer der bosnischen Serben, RS-Präsident
Milorad Dodik, organisierte sogar eine Siegesparty zu Ehren Trumps in
seinem Präsidentenpalast in Banja Luka.
Dann spekulierte er, wie Männer aus der RS Wehrdienst in den
[4][Streitkräften Serbiens] ableisten könnten – ein weiterer Schritt zur
Unterwanderung Bosniens.
## Waffenlieferungen als guter Deal für Trump?
[5][Niemand kann Trumps Politik voraussagen.] Er wird sie so formen, wie es
gerade passt, auch hinsichtlich „guter Deals“. In Trumps erste Amtszeit
fielen 2017 allerdings zwei wichtige Entscheidungen, die überraschten: Er
lieferte erstmals (!) „tödliche Waffen“, wie die legendäre
Panzerabwehrrakete „Javelin“, an die ukrainischen Streitkräfte.
Sein Vorgänger, Barack Obama, hatte Kyjiw diese seit dem russischen
Überfall 2014 versagt. Ohne die „Javelin“, die Präsident Biden vor der
[6][russischen Vollinvasion] 2022 lieferte, ist es unwahrscheinlich, dass
die Ukraine den Angriff hätte stoppen können.
Eine Sprecherin des State Departments unter Trump sagte 2017, die USA
hätten entschieden, es der Ukraine zu ermöglichen „weitere Aggressionen
abzuwehren“.
Eine weitere langfristig wichtige Entscheidung betraf Bosnien, nämlich
finanzielle Sanktionen gegen den sezessionistischen RS-Präsidenten Dodik
und seine Regierung zu erlassen. Diese wurden seit 2017 verschärft, zuletzt
nach Trumps Wahlsieg. Die Sanktionen haben das Regieren Dodiks erheblich
erschwert.
## Russlands Außenposten im Westbalkan
Es stellt sich die Frage, ob Trump tatsächlich zwei der wichtigsten
US-geführten Friedensprojekte nach dem Marshallplan – Bosnien und Kosovo –
aufs Spiel setzen würde, sprich diese Serbien „zu überlassen“. Wenn Belgrad
versuchen würde, die „Serbische Welt“ umzusetzen, wäre Moskau der Gewinner.
Vučić und Dodik sind de facto Russlands Außenposten auf dem Balkan. Putin
könnte dann Nato-Kräfte hier binden, um die Friedensmissionen in Kosovo und
Bosnien zu retten. Bei einen serbischen Sieg hätte er über seine
Verbündeten erheblichen Einfluss im „Innenhof“ der Nato und der EU. Ein
solches Chaos zugunsten Moskaus könnte Trump als Verlierer dastehen lassen,
ähnlich wie es für Biden bei Afghanistan war.
## Grenell als Vize U.S. Außenminister
Falls Grenell nicht zum Sondergesandten ernannt würde, könnte er
„Stellvertretender Außenminister für Europäische Angelegenheiten“ werden.
Während der Balkan-Kriege hatte der Architekt des Dayton-Friedensabkommens,
Richard Holbrooke, diese wichtige Position inne. Holbrooke war zuvor, wie
Grenell, US-Botschafter in Berlin.
Bemerkenswert bei Grenell, den Trump „meinen Gesandten“ nennt, ist: Er gilt
als einziger Vertrauter außerhalb von Trumps Familie, der ihm über die
Jahre stets treu geblieben ist.
Unabhängig von Trumps Politik gegenüber dem Balkan sollte die EU ihrer
historischen Verantwortung nachkommen und aus den [7][gravierenden Fehlern
der 1990er Jahre] lernen. Hierfür wäre eine signifikante Aufstockung der
Friedenstruppe Eufor Althea in Bosnien, auch mit britischen Soldaten,
unerlässlich, um eine serbische Sezession zu verhindern und serbische
Angriffe abzuschrecken.
Wenn die EU dazu nicht bereit ist, sollte sie die legitimen Streitkräfte
Bosniens und Kosovos so ausstatten, dass sie sich eines erneuten Angriffs
erwehren könnten.
3 Dec 2024
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## AUTOREN
DIR Alexander Rhotert
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