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       # taz.de -- ZDFneo-Serie „Hungry“: Die Angst vor der Pizza
       
       > Die ZDFneo-Serie „Hungry“ handelt von Jugendlichen mit psychischen
       > Erkrankungen. Sie erzählt einfühlsam von Magersucht, ohne zu beschönigen.
       
   IMG Bild: Ronnie (Zoe Magdalena) holt sich ihre erste Essensration ab
       
       Ronnie ist 17 Jahre alt, als ihre Mutter sie wegen Magersucht gegen ihren
       Willen in die [1][Kinder- und Jugendpsychiatrie] einweist. Was für Ronnie
       als Albtraum beginnt, entwickelt sich zum Schutzraum für besondere
       Freundschaften, bessere Tage und Heilung – so schwankend und unstet der
       Prozess auch aussehen mag.
       
       Die autofiktionale Drama-Serie „Hungry“ der Drehbuchautorin Zoe Magdalena,
       die auch Ronnie verkörpert, ist in ihrer ungeschönten Ehrlichkeit rührend
       und relevant – und ein echter Gewinn im Jugendprogramm der
       Öffentlich-Rechtlichen.
       
       Sie bietet Einblicke in den Therapiealltag [2][von Patient:innen mit
       Essstörung,] besonders nachdrücklich sind dabei die Tischszenen: Die
       Unerbittlichkeit eines mit Sahnenudeln beladenen Tellers etwa und das
       obligatorische Dessert zu [3][jeder Hauptmahlzeit] werden so gekonnt
       inszeniert, dass die emotionale Überforderungsreaktion der
       Patient:innen ins Zentrum des Geschehens rückt.
       
       ## Eine triggerfreie Halloweenparty ist ziemlich schwierig
       
       Das 30-minütige Sitzen vor einem Teller, der einfach nicht leerer werden
       will, wird zur dreimaligen Qual an jedem Tag in der Klinik, ein Pizzaessen
       zur angstauslösenden Not.
       
       Auch die Gesprächstherapiesitzungen mit der Therapeutin Frau Jakobsen
       (Minna Wündrich) wirken nach. Wenn Ronnie ihren Hüftumfang schätzen muss
       und ihn dann mit der Realität abgleicht.
       
       Verschiedene psychische Erkrankungen treffen in der Klinik aufeinander –
       Nick (Alessandro Schuster) leidet zum Beispiel unter einer bipolaren
       Störung, Esta (Saron Degineh) unter Depressionen. Da wird eine triggerfreie
       Halloweenparty ziemlich schwierig, wenn Kostüme von Tod („wegen Suizid“)
       über Piraten („weil sie das R rollen“) bis hin zu Männern („muss ich jetzt
       nicht viel zu sagen“) vermieden werden müssen.
       
       ## Billie Eilish spendet Trost
       
       Voller Fingerspitzengefühl und Empathie hat Regisseurin Eline Gehring eine
       Figurenwelt erschaffen, die zwischen groteskem Humor, gegenseitiger
       Fürsorge, Wut auf das eigene Schicksal und Hoffnung auf die Zukunft
       ziemlich jugendlich ist. Mit allen Verwirrungen und Unsicherheiten, die
       diese Lebensphase bereithält.
       
       Eine musikalische Einbettung in die vorwiegend weibliche Popkultur von
       Billie Eilish, Taylor Swift und Sabrina Carpenter trägt die Serie über die
       traurigsten Momente hinweg und verortet sie in der Jetztzeit. Dafür sorgen
       auch politische Witze der Gen Z und Verweise auf Patient:innen wie
       Milan (Amadin Piatello), deren psychische Erkrankungen durch die
       Covidpandemie massiv verschlimmert wurden.
       
       Die mutige und sensible Serie ist dabei weder didaktisierend noch
       pseudojugendlich, sondern authentisch und intelligent. „Nicht pädagogisch,
       sondern echt und roh“, beschreibt Zoe Magdalena ihren Anspruch, und:
       „Ironischerweise hilft sie genau dadurch.“
       
       ## Ein tägliches Ringen
       
       Vor allem bedient die Serie nie das große Missverständnis rund um die
       Therapie psychischer Erkrankungen: Heilung wird in „Hungry“ nicht linear
       dargestellt und ist kein abschließbares Endziel. Sie ist stattdessen ein
       tägliches Ringen. Gerade in filmischer Darstellung ist doch normalerweise
       die Versuchung der steten Verbesserung mit einem Happy End groß.
       
       „Hungry“ widersteht ihr und zeigt bis zum Ende alle Grautöne, die bestehen
       bleiben. Gesellschaftlich relevant ist das Thema derzeit mehr denn je:
       Bundesweit steigen die Zahlen von Essstörungen unter Jugendlichen,
       insgesamt sind rund 50.000 junge Menschen zwischen zwölf und siebzehn
       Jahren betroffen.
       
       2 Dec 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marie-Sofia Trautmann
       
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