# taz.de -- Der Tierarzt von nebenan: Mensch oder Meerschwein? Alles eine Frage der Dosierung
> Mit Bauchschmerzen Termine erkämpfen und in vollen Wartezimmern sitzen?
> Nicht mit mir, da gehe ich lieber zu meinem neuen Nachbarn, der ist
> Tierarzt.
IMG Bild: „Mein lieber Nachbar Osman, heute bist du ein Zuchtbulle“, sagt Ernie von nebenan
Das Leben kann so einfach sein, wenn man das große Glück hat, die richtigen
Nachbarn zu bekommen. Nicht umsonst sagt man `Finde keine gute Wohnung –
finde gute Nachbarn´.
Seitdem der dicke Herr Klappermeier bei uns im Haus in die dritte Etage
eingezogen ist, lebe ich regelrecht im Paradies.
Es ist nicht Herr Klappermeiers [1][Fettsucht], die mir mein Leben wie ’n
Paradies erscheinen lässt, nach dem Motto, `Es gibt noch dickere im Haus,
jetzt kann ich mich richtig gehen lassen', sondern sein medizinisches
Fachwissen. Herr Klappermeier ist nämlich Arzt.
Vorbei sind die Zeiten, in denen ich mir mit Rücken- und Bauchschmerzen
Termine erkämpfen und mir in überfüllten, [2][stickigen und stinkenden
Warteräumen] neben hustenden und rotzenden unhöflichen Kreaturen
stundenlang die Beine in den Bauch stehen musste.
## Mit Wehwehchen auf zu Ernie
Wenn ich jetzt Wehwehchen habe, steige ich abends nach dem Essen gemütlich
die ein paar Stufen nach oben und klingele beim lieben Ernie. Seine wenigen
wahren Freunde dürfen Ernie, ich meine, Herrn Doktor Arnold Klappermeier,
gerne Ernie nennen. So wie ich.
„Na, was haben wir denn heute wieder so Tödliches angeschleppt?“, begrüßt
er mich wie immer höchst freundlich.
Er ist überhaupt nicht genervt, dass ich ihn bei seinem sonntäglichen
[3][Tatort-Gucken] gestört habe. Heute stand der Mörder sowieso von Anfang
an fest. Sonst hätte ich auch bis zum Schluss gewartet. So schlimm sind
meine heutigen Nieren- und Knieschmerzen nicht, dass ich nicht bis 22 Uhr
hätte warten können.
Nach einer gründlichen Untersuchung – das ist der Vorteil, wenn man der
einzige Patient an dem Tag ist – verschreibt mir der gute Ernie zwei
Medikamente.
## Ganz zur Apotheke nicht mehr nötig
Selbst den Gang zur Apotheke spare ich mir. Mein lieber Nachbar drückt mir
die beiden Medikamente für Nieren und Knie direkt in die Hand, damit ich
sie sofort schlucken kann. Werbegeschenke der Pharmaindustrie. Danach
stelle ich wie immer die obligatorische Frage:
„Mein lieber Ernie, welches Tier bin ich denn heute?“
„Mein lieber Nachbar Osman, heute bist du ein Zuchtbulle und ein
Meerschweinchen. Genauer gesagt, dein Knie ist ein Zuchtbulle und deine
Nieren sind Meerschweinchen“, lacht er.
Ach ja, zur Vervollständigung der Geschichte muss ich hinzufügen, dass
Ernie natürlich ein Tierarzt ist. Nach 15 Minuten stöhne ich:
„Ich fühle mich aber immer noch hundeelend und unter aller Sau!“
„Kann sein. Vielleicht wirken die Tabletten bei dir etwas später als bei
einem Meerschweinchen“, spekuliert er.
„Sollte ich vielleicht die doppelte Dosis nehmen? Du weißt doch hoffentlich
noch, dass ich ein Mensch bin, oder?“
Ernie lacht aus vollem Bauch und meint:
„Klar, weiß ich das. Du bist doch der einzige Patient, den ich nach der
Behandlung nicht essen darf.“
8 Dec 2024
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## AUTOREN
DIR Osman Engin
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