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       # taz.de -- Nachruf auf Hans Hammerschmidt: Hipster der Popmusik
       
       > Er ließ rote Rosen für Hildegard Knef regnen und bastelte die
       > musikalischen Intros für die Schwarzwaldklinik: Der Komponist Hans
       > Hammerschmid ist tot.
       
   IMG Bild: Hans Hammerschmid wurde 94 Jahre alt
       
       BERLIN taz | Seine buchstäblich ihm nachgesagte Lebenslust äußerte sich vor
       allem in der Musik: Hans Hammerschmid, 1930 in Wien geboren, geprägt vom
       Jazz und vom Swing, die die amerikanischen Aliierten ins kriegsbesiegte
       Naziösterreich brachten, war früh und nachhaltig geflasht von der Moderne,
       die von der anderen Seite des Atlantiks eingeweht wurde. Das ganze
       Dudel-&-Apfelstrudel-Gepäck der deutschsprachigen Unterhaltungsästhetik war
       ihm vielleicht kein Graus, aber einfach nicht sein Passion.
       
       Er hatte mit all den Kollegenjuwelen seiner jungerwachsenen Jahre produktiv
       zu tun: Er arbeitete mit Stan Getz, lebte in New York und leitete, zurück
       in Europa, das Südwestfunk-Tanzorchester – alle öffentlich-rechtlich
       finanzierten Combos waren fest in der Hand von jazzaffinen Arrangeuren und
       Komponisten. Hammerschmids Haus in München zählt zu den architektonischen
       Brillanten der Gegend: bungalowartig, luftig, wie unverschlossen, offen –
       ganz wie dieser Musiker von Kollegen und Kolleginnen selbst immer
       beschrieben wurde.
       
       In den sechziger Jahren war er der entscheidende Musikmacher,
       Orchesterpartiturenschreiber wie Tonsetzer, der spätere Megastars wie die
       Ofarims produzierte und vor allem in der Kooperation mit der Chanteuse (und
       Schauspielerin) Hildegard Knef sein Lebenswerk krönte. Ihr schrieb er
       [1][„Für mich soll’s rote Rosen regnen“] und „[2][Von nun an ging’s
       bergab“] – elegante, jazzig angehauchte Stücke, geeignet für eine Sängerin,
       deren größte Begabung nicht in der Entfaltung von Großstimmigkeit lag,
       sondern in der Entwicklung von intimen Atmosphären mit absolut
       geschmackvoller Orchesterbegleitung.
       
       Mit ihr erarbeitete er auch in den frühen Siebzigern, als die Knef zum
       bundesdeutschen Megastar geworden war, die LP namens „KNEF“, ein
       kommerzieller Flop, künstlerisch eines der besten Alben, swingend, jazzy,
       unter anderem mit dem Lied „Die Herren dieser Welt“ oder „Ich brauch’
       Tapetenwechsel“.
       
       ## Auch beim Grand Prix Eurovision reüssierte er
       
       Er kannte im Übrigen keine Genregrenzen im engeren Sinne. Er war ein, in
       seiner Zeit, Hipster der popularen Musiken, ein Pop-Erfinder, verstand sich
       indes auch auf die Komposition von kongenialen TV-Jingles. Die
       musikalischen Intros der „[3][Schwarzwaldklinik]“ oder des „Traumschiffs“
       hatte er sich aus Noten erbastelt, durchaus die Wünsche der Produzenten
       (beim ZDF) ernst nehmend, dass einleitende Tonspuren nicht von der
       Filmgeschichte ablenken sollen – sondern dabei helfen, das Publikum am Ball
       zu halten, einzuschmusen, mit gefälligen Sounds etwas zu verheißen.
       
       Hans Hammerschmid war ein verehrter Held von Musikern: 1966 dirigierte er
       beim ESC (damals: Grand Prix Eurovision) in Luxemburg das Siegeslied mit
       Udo Jürgens, „Merci, Chérie“ und machte in drei Minuten aus einer einfachen
       Melodie eine existenziell angehende und verführende Geschichte.
       
       Mit ihm wollten sie arbeiten, er hatte das Händchen, aus Popularem Pop zu
       machen, eingängig und doch nicht simplizierend: Donna Summer, Anneliese
       Rothenberger, Helmut Zacharias, Miriam Frances, Curd Jürgens und eben immer
       wieder die Knef. Auszeichnungen hat er natürlich auch erhalten, noch als
       Minderjähriger 1947 mit dem Mozartpreis, 2016 das Große Ehrenzeichen der
       Republik Österreich. Er machte aus potenziell zur Seifigkeit einladenden
       Kompositionswünschen anständige, irgendwie weltgewandt sich anhörende
       Musiken.
       
       Am 30. November ist Hans Hammerschmid im bayerischen Gräfelfing im Alter
       von 94 Jahren im Kreis seiner Lieben gestorben.
       
       3 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=PuXU6zOg1YA
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=s9v2XBNVRtw
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=DW-_BpptVIU
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
       
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