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       # taz.de -- Rameza Monir über Algorithmen in der Nahost-Debatte: Das verzerrte Gedächtnis
       
       Der Nachrichtenstrudel auf Instagram scheint unendlich. Die Storys der
       Menschen, denen ich folge, sind voll von wütenden politischen Statements
       und grausamen Videos von weinenden Kindern. Überall sehe ich Israelflaggen
       und Bekenntnisse der Solidarität. Dabei nehme ich mir jedes Mal vor, etwas
       Abstand zum Geschehen in Israel und Palästina zu gewinnen. Und ertappe mich
       trotzdem ständig dabei, wie ich durch meinen Nachrichtenfeed scrolle und
       alle möglichen Beiträge kommentiere.
       
       Wann konnten Menschen auf der ganzen Welt schon live dabei zusehen, wie
       andere Menschen leiden? Minütliche Updates zwingen einen förmlich dazu,
       Teil des Geschehens zu sein und Verantwortung zu tragen. Verantwortung, um
       auf die schlimme Lage in Gaza aufmerksam zu machen. Eine
       Verständnislosigkeit macht sich in mir breit: Wie kann es sein, dass manche
       zu dieser Katastrophe schweigen?
       
       Mir wird genau das angezeigt, was ich like und teile. Doch anderen Menschen
       geht es genauso. Während die eine Seite also nur Bilder und Videos der
       Palästinenser in Gaza sieht, wird den anderen die verheerenden Folgen von
       Antisemitismus und Hamas-Terror gezeigt. Das Resultat ist eine toxische
       Debattierkultur in den Schulen sowie im Netz, die jede gemäßigte Stimme,
       die zum Frieden auf beiden Seiten aufruft, sofort verschlingt.
       
       Zwar sind die Soziale Medien nicht die Ursache, aber sie wirken wie ein
       Katalysator für den Konflikt. Deshalb ist es nun umso wichtiger, den
       Überblick zu behalten, nicht in der Flut von Informationen und Emotionen zu
       versinken.
       
       Bilder und Videos sind das lebendige Gedächtnis des Krieges. Gerade jetzt
       wird unser Mitgefühl mobilisiert. Das muss zwangsläufig nichts Schlechtes
       sein, es ist wichtig, laut gegen Ungerechtigkeit und Kriegsverbrechen
       einzustehen. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein, dass wir durch unsere
       Meinung keine Feindbilder schüren oder durch die Verbreitung von platten
       Parolen das Klima nicht zusätzlich erhitzen. Letztendlich sollten wir das
       Ziel vor Augen haben und das ist der Frieden für beide Seiten, egal wie
       utopisch das in der aktuellen Situation auch klingt.
       
       6 Dec 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rameza Monir
       
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