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       # taz.de -- Debatte um Bezahlkarte: Hundegulasch und Auslandsüberweisungen
       
       > Geflüchtete kassieren Geld und schicken es in die Heimat? Das ist
       > Quatsch, belegt eine Studie. Ein Beispiel für faktenfreie asylpolitische
       > Debatte.
       
   IMG Bild: Symbolbild: Auslandsüberweisungen, die es gar nicht in dem Ausmaß gibt, wie es manche fabulieren
       
       Alternative Fakten, in Deutschland kennen wir die ja vor allem aus den USA,
       nicht? Vom ehemaligen und zukünftigen Präsidenten Donald Trump, der im
       Wahlkampf irgendetwas behauptet, was nicht stimmt, aber gut in seine
       Erzählung von den bösen Einwanderern passt.
       
       Zum Beispiel, dass [1][Migranten im Bundesstaat Ohio] Haustiere der
       Einheimischen verzehrten. Die Amis halt, denken wir da kopfschüttelnd, so
       etwas würde uns Deutschen natürlich niemals passieren! Trotz aller
       Meinungsverschiedenheiten über Schuldenbremsen, Heizungsgesetze oder
       Kindergrundsicherungen diskutieren wir Deutschen ja immer auf Grundlage
       gesicherter Fakten. Oder doch nicht?
       
       [2][Eine Studie] des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
       gibt nun Anlass, dieses Selbstbild zu hinterfragen. Sieben Prozent der
       Geflüchteten in Deutschland haben im Jahr 2021 Geld ins Ausland gesendet.
       Die Studie basiert auf repräsentativen Haushaltsbefragungen des
       Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und zeigt, dass der Anteil der
       Geflüchteten, die Geld ins Ausland verschicken, sogar gesunken ist. 2012
       lag er noch bei 13 Prozent.
       
       Interessant ist das nun, weil sich die [3][Ampelregierung im Frühjahr 2024]
       auf ein Gesetz für eine bundesweite Regelung für die Bezahlkarte geeinigt
       hatte – auf Druck der Bundesländer. Ihre Befürworter, allen voran [4][die
       FDP], argumentierten, dass Geflüchtete Geld an Verwandte in
       Herkunftsländern oder an Schleuser senden würden.
       
       Sozialdemokraten und Grüne, die in einer immer irrationaleren Asyldebatte
       nicht das Nachsehen haben wollten, zogen mit. Heute findet man diese
       Begründung auch in einem Beitrag über die Änderung des
       Asylbewerberleistungsgesetzes auf der [5][Webseite der Bundesregierung].
       
       Das Problem: Wie für die Trump’sche [6][Fantasie vom Hundegulasch] gibt es
       auch für die Behauptung, Geflüchtete würden in bedeutendem Ausmaß Geld ins
       Ausland schicken, keine Belege. Im Gegenteil: Auf Nachfrage hatte die
       Bundesregierung gar erklärt, ihr lägen [7][keine Daten] zum Umfang von
       Überweisungen in Herkunftsländer vor, die durch Asylbewerberleistungen
       finanziert sind. Heute wissen wir es besser. Aber Tatsachen sind längst
       geschaffen.
       
       Viel über die asylpolitischen Debatten in Deutschland sagt aus, dass es für
       diese Erkenntnis eigentlich nicht mal eine Studie bräuchte. [8][460 Euro
       monatlich] bekommt eine alleinstehende Asylbewerberin in Deutschland.
       Das ist weniger als das Bürgergeld. Man muss keine schwäbische Hausfrau
       sein, um festzustellen, dass sich davon kaum etwas beiseitelegen lässt, um
       es an Geschwister und Eltern abzutreten.
       
       Und selbst wenn Geflüchtete Geld an ihre Verwandten schicken würden – warum
       sollten sie nicht wie andere Menschen das Recht haben, frei über den Betrag
       zu verfügen, der ihnen gesetzlich zusteht? Auf dieses Recht verweisen auch
       die [9][Autorinnen der DIW-Studie], ebenso darauf, dass
       Auslandsüberweisungen nebenbei ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung in
       den Herkunftsländern sind.
       
       Aktuell beraten die Innenminister der Bundesländer [10][weitere
       asylpolitische Verschärfungen]. Die Liste der Forderungen ist sehr lang und
       liest sich wie die Wunschliste der AfD an den Weihnachtsmann. Besorgen
       sollte das auch jene ohne Flucht- und Migrationsgeschichte. Denn
       Leidtragende dieses Vorgangs werden am Ende nicht allein Geflüchtete sein.
       Es geht hier auch um die Frage, ob Politik in Deutschland auf Grundlage von
       Fakten oder von Fantasien verhandelt wird. Und ob hierzulande bald
       US-amerikanische Verhältnisse herrschen.
       
       5 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Haitianische-Migranten-in-den-USA/!6035848
   DIR [2] https://www.diw.de/de/diw_01.c.928587.de/gefluechtete_senden_seltener_geld_ins_ausland_als_andere_migrant_innen.html
   DIR [3] /Bezahlkarte-fuer-Gefluechtete/!6004003
   DIR [4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sachleistungen-asyl-100.html
   DIR [5] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bezahlkarte-fluechtlinge-2263574
   DIR [6] https://www.spiegel.de/wirtschaft/donald-trump-fabuliert-weiter-ueber-angeblich-verspeiste-haustiere-a-11a262b2-ef69-42d8-b3f6-476092a4b0fd
   DIR [7] /Massnahme-gegen-Migration/!6002676
   DIR [8] /Leistungen-fuer-Asylbewerber/!6025216
   DIR [9] https://www.diw.de/de/diw_01.c.928587.de/gefluechtete_senden_seltener_geld_ins_ausland_als_andere_migrant_innen.html
   DIR [10] /Innenminister-zur-Migrationspolitik/!6050110
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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