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       # taz.de -- Regierungsbefragung im Bundestag: Kanzler im Kampfmodus
       
       > Kanzler Scholz verteidigt im Bundestag seine Reise nach Kyjiw und verrät
       > Neues von dem Treffen mit Selenskyj. Es war ein Vorgeschmack auf den
       > Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Olaf Scholz in Begleitung von Sicherheitskräften auf dem Bahnsteig Anfang Dezember
       
       Berlin taz | Seit 2018 muss sich der Kanzler dreimal im Jahr den Fragen des
       Parlaments stellen. Das ist in der Routine des Bundestages ein Forum für
       Unvorhergesehenes, oft allerdings wird auch nach Kraut und Rüben gefragt.
       Nichts davon am Mittwoch. Olaf Scholz, der noch eineinhalb Wochen regulärer
       Kanzler sein wird, wirkt munter, die Opposition fragt aggressiv nach
       Ukraine und Krise. Kurzum: Eine vitale, konzentrierte Fragestunde, die ein
       Vorgriff auf den Wahlkampf ist.
       
       Der Kanzler verteidigt mit Elan [1][seine Reise nach Kyjiw]. Die Union hält
       diesen Trip für [2][einen Wahlkampftrick]. Scholz betont, der Termin sei
       „bewusst gewählt“ gewesen. Es gelte, der Ukraine in schwieriger
       militärischer und nach Trumps Wahl politisch heikler Lage beizustehen. Die
       Unionsfraktion quittiert dies mit Gelächter.
       
       Scholz hat zweieinhalb Stunden mit Präsident Selenskyj gesprochen. Neu ist,
       worüber. Selenskyj will, so Scholz, „in Polen und Deutschland eine
       ukrainische Behörde mit schaffen“, die Exilierte „entweder bei der Rückkehr
       oder bei der Arbeitsaufnahme in Deutschland unterstützt“. Die Ukraine hat
       Schwierigkeiten, genug Soldaten zu rekrutieren, offenbar verspricht sich
       Selenskyj davon Verbesserungen.
       
       Scholz hat Sympathien für das Projekt, das den Druck auf Ukraineflüchtlinge
       erhöhen soll. Viele UkrainerInnen seien „schon lange hier“ und müssten,
       nach Sprachkursen, „jetzt mal loslegen“, um Arbeit zu bekommen. Solche Töne
       kamen bis jetzt eher von AfD und Union.
       
       ## Scholz giftet gegen die FDP
       
       Ansonsten bleibt Scholz in der Ukrainepolitik bei der bekannten Linie: Wir
       tun mehr als die meisten anderen Länder für die Ukraine, aber nicht alles.
       Damit ist die Lieferung [3][des reichweitenstarken
       Taurus-Marschflugkörpers] gemeint. Ein FDP-Mann fragt, ob der Kanzler die
       vier Monate dauernde Ausbildung für den Taurus jetzt genehmigen müsse, um
       seinem Nachfolger eine prompte Taurus-Lieferung zu ermöglichen.
       
       Der Kanzler findet diesen Anwurf für eine Partei, die mit der
       5-Prozent-Hürde kämpft, „ganz schön tapfer“. Und er kontert, naheliegend
       und selbstbewusst: „Ich will mein eigener Nachfolger werden.“ So rauflustig
       ging es selten bei Befragungen zu.
       
       Außenministerin Annalena Baerbock hatte kürzlich eine Beteiligung der
       Bundeswehr an einer möglichen internationalen Truppe nach einem
       Waffenstillstand begrüßt. Scholz gibt den Außenministerinerklärer.
       Baerbock habe versucht, auf eine spekulative Frage „weder ja noch nein“ zu
       sagen. Das sei Diplomatie, wie man es von der Außenministerin erwarten
       könne. Und: „Bodentruppen kommen für mich in dieser Kriegssituation nicht
       in Betracht.“
       
       Sichtbar wird auch, wo die Opposition Rot-Grün im Wahlkampf angreifen wird.
       Scholz habe ein „Wirtschaftswunder wie in den 50er Jahren versprochen“, so
       CDU-Frau Julia Klöckner, und nun eine Rezession zu verantworten. Der
       Kanzler verweist etwas weiträumig auf die segensreichen Wirkungen einer von
       der SPD unterstützten Investitionsprämie und den Deutschlandfonds, mit dem
       privates Kapital für Verbesserungen der maroden Infrastruktur mobilisiert
       werden sollen. Im Übrigen sei die Union für bürokratische Hürden
       verantwortlich.
       
       Klöckner retourniert mit der rhetorischen Frage, ob Scholz bekannt sei,
       „dass die SPD in den letzten 26 Jahren 22 Jahre regiert hat“. Der Kanzler
       verweist, nicht neu, aber schlagfertig, auf die unter Merkel verschleppte
       Energiewende und den langsamen Ausbau der Stromnetze. Und er ruft Richtung
       Union: „Gut, dass sie in der Opposition sind.“
       
       Es wäre ein Fehler, Olaf Scholz zu früh wegen mieser Umfragen
       abzuschreiben.
       
       4 Dec 2024
       
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   DIR Stefan Reinecke
       
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