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       # taz.de -- Die Wahrheit: Sekte bei Santa
       
       > Neues aus Neuseeland: Im Südhalbkugelsommer wird dort weihnachtstechnisch
       > voll aufgedreht. Nun ist auch eine umstrittene Meditationssekte am Start.
       
       Alle Jahre wieder macht der Weihnachtsmann Neuseelands Städte unsicher. Die
       Santa-Parade ist für Kiwi-Kids das, was der Rosenmontagszug für kölsche
       Pänz ist: ein lauter Straßenumzug, kein bisschen besinnlich, mit allerlei
       Glitzer und Kommerz bestückt. Doch diesmal mischte eine Sekte im
       Adventsmarsch mit.
       
       Die neuseeländische Tradition ist fast 120 Jahre alt. Zuvor begann ein
       Kaufhaus in Wellington damit, sein Schaufenster mit Weihnachtsmann,
       Spielzeug und Tannenbaum zu dekorieren. Später kamen im Zeitalter der
       Technik elektrisch bewegte Elfen dazu. Die waren so beliebt, dass sie nach
       ihrer Dienstzeit ans Museum gespendet wurden.
       
       Die Dekoschlacht der Kaufhäuser setzt sich bis heute fort. Bei Ballantynes
       in Christchurch – unser Pendant zum KaDeWe – gibt es im Südhalbkugelsommer
       stets eine Miniaturwinterlandschaft und anderen Christmas-Kitsch zu
       bestaunen. Das ersetzt den Weihnachtsmarkt. Aber nichts reicht an die
       Santa-Parade heran, die 1905 erstmals abgehalten wurde.
       
       Ein Gardinengeschäft war der Startpunkt. Da es dort einen Brandschaden
       gegeben hatte, lud man Kinder ein, „Mother and Father Christmas“ lieber am
       Bahnhof bei ihrer Ankunft vom Nordpol zu begrüßen. Der Jubel war groß, und
       die Konkurrenz zog nach. Die Ideen, wie man Nikolausdarsteller alljährlich
       unters Volk bringt, wurden immer ausgefallener und kompetitiver.
       
       ## Fallschirmsprung von Santa inklusive
       
       1930 landete der Weihnachtsmann in Christchurch im Propellerflugzeug, bevor
       er zur Eröffnung einer Spielwarenmesse fuhr. Im Jahr darauf hatte er einen
       lebensgroßen Eisbären in seiner Pferdekutsche dabei. Woanders ritt er auf
       einem Zirkuselefanten ein. Das wurde 1937 hochdramatisch durch Santas
       Fallschirmsprung übertroffen.
       
       Er endete beinahe tödlich. Unterm roten Kostüm verbarg sich George Sellars,
       der erste Fallschirmspringer Neuseelands. Statt auf dem öffentlichen Platz
       zu landen, wo er Geschenke verteilen sollte, krachte er fast in einen
       Glaspalast. Der Zweite Weltkrieg dämpfte bald darauf die Santa-Manie
       ebenfalls. Aber danach waren der Fantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Je
       unchristlicher und spektakulärer, desto besser.
       
       Es kamen Motorräder dazu, Schönheitsköniginnen, Oldtimer und Marschmusik.
       Bei allen Paraden winkt Santa hoch oben von seinem Wagen, auf dem auch
       Kinder mitfahren dürfen. In den Sechzigerjahren thronte er mal auf einer
       Rakete, gezogen von Clowns – Kritik am Kalten Krieg? Doch das größte Rätsel
       wirft der letzte Umzug in Auckland auf.
       
       Da lief dieses Jahr auch fahnenschwingend und tanzend Falun Gong mit. Die
       weltweite Meditationssekte wird von der Kommunistischen Partei Chinas
       verfolgt, aber betreibt laut Aussteigern und Experten nicht nur gefährliche
       Gesundheitspraktiken und Trump-Propaganda, sondern auch Gehirnwäsche und
       Ausbeutung, vor allem von Kindern.
       
       „It’s a cult!“, schrie jemand am Straßenrand und auf Tiktok. Doch die Show
       zog weiter.
       
       5 Dec 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
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