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       # taz.de -- Deutsches Schulbarometer: Schulalltag ist für Kinder und Jugendliche belastend
       
       > Ein Fünftel der Schüler:innen fühlt sich psychisch belastet, zeigt
       > eine neue Studie. Auch die schulpsychologische Versorgungslage ist
       > dramatisch.
       
   IMG Bild: Jubeltag Einschulung – aber dann? Jede fünfte Schüler:in sieht sich psychisch belastet
       
       Berlin taz | Auch nach der Coronapandemie nehmen viele Kinder und
       Jugendliche ihren Schulalltag als belastend wahr. Das zeigt eine bundesweit
       repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung, die am Mittwoch
       veröffentlicht worden ist. So bezeichnet fast jede:r dritte Schüler:in
       die eigene Lebensqualität als niedrig. Jede:r fünfte sieht sich psychisch
       belastet. Ebenso viele geben an, sich in der Schule nicht wohl zu fühlen.
       
       Ein weiterer Befund des „Deutschen Schulbarometers“, das [1][erstmals
       gezielt Schüler:innen zum Schulalltag] befragt hat: Ein Viertel der
       Kinder und Jugendlichen, die psychosoziale Hilfe in Anspruch nehmen
       möchten, erhält an der Schule selbst auf Nachfrage keine Hilfe. Auf
       außerschulische Angebote ist laut der Umfrage kein Verlass: Ein
       therapeutisches Erstgespräch kommt im Schnitt erst nach vier Monaten
       zustande.
       
       „Diese Antworten zeigen, dass wir die psychische Gesundheit von
       Schülerinnen und Schülern sehr ernst nehmen müssen“, sagt Dagmar Wolf,
       Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung. „Besonders
       dramatisch“ seien aus ihrer Sicht die Lücken in der Versorgungsstruktur.
       
       Zwar habe sich die Belastungssituation von Kindern und Jugendlichen seit
       der Coronapandemie insgesamt verbessert. Allerdings habe sich die Lage noch
       nicht so entspannt wie in anderen Ländern, so Wolf. Auf die Krisen in der
       Welt lässt sich die anhaltende Belastung der Schüler:innen also nur
       bedingt zurückführen.
       
       Die Weltlage spielt natürlich eine Rolle: So ist die momentan größte Sorge
       unter den befragten Schüler:innen, „dass es Krieg auf der Welt gibt“,
       gefolgt von Leistungsdruck. Auch die Klimakrise und die persönliche Zukunft
       treiben viele Schüler:innen um. Das Schulbarometer zeigt aber, dass auch
       der Unterricht einen großen Einfluss auf das schulische Wohlbefinden hat.
       
       ## Schüler:innen vermissen individuelles Feedback
       
       Vier Aspekte hat die Bosch-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für
       klinische Kinder- und Jugendpsychologie der Universität Leipzig dafür
       ermittelt und gezielt abgefragt: Wie Lehrkräfte ihren Unterrichts
       durchführen, wie sehr sie die Schüler:innen unterstützen, wie gut sie
       die Klasse zum Mitmachen anregen und wie es um das Klassenklima bestellt
       ist. Daten, die selten aus Perspektive der Schüler:innen erhoben werden.
       
       Damit schließe das Schulbarometer „eine große Datenlücke“, freut sich der
       Projektleiter an der Universität Leipzig, Professor Julian Schmitz. Weniger
       erfreulich sind aus seiner Sicht die Ergebnisse: Schulbezogene Themen wie
       Leistungsdruck, belastete Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschüler:innen,
       mangelhafte Unterrichtsqualität und ein schlechtes Lernklima seien
       „wichtige Faktoren“ für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der
       Schüler:innen.
       
       So geben beispielsweise Schüler:innen auf die Frage, was ihnen an der
       Schule „nicht gut“ gefällt, am häufigsten an: „Lehrkräfte, Umgang mit
       Schüler:innen“. Jeweils rund ein Drittel der Schüler:innen sagen zudem,
       dass „keine oder wenige Lehrkräfte“ sich um sie kümmerten oder
       individuelles Feedback gäben. Auffällig aus Sicht der Autor:innen: Bei
       Schüler:innen, die sich selbst als belastet bezeichnen, teilen bis zu
       doppelt so viele diese Eindrücke. Um das schulische Wohlbefinden aller
       Schüler:innen zu stärken, müssten in diesem Bereich „dringend mehr
       Anstrengungen unternommen werden“, fordert Schmitz.
       
       Handlungsbedarf sieht auch Fabian Schön, Generalsekretär der
       Bundesschülerkonferenz: „Das sind schockierende Zahlen, die für uns zur
       Normalität geworden sind“, sagt er. Vor allem kritisiert er, dass die
       Schule in vielen Fällen selbst für den Stress von Kindern und Jugendlichen
       verantwortlich sei. Es sei nicht zu dulden, dass der Leistungsdruck an
       Schulen nach den Kriegen in der Welt die zweitgrößte Sorge von
       Schüler:innen sei. Die Bundesschülerkonferenz fordere schon lange einen
       „anderen Leistungsgedanken“: mehr individuelles Feedback, etwa in Form von
       Wortzeugnissen oder Evaluationsgesprächen mit den Schüler:innen. Schulnoten
       hingegen sollten „so spät wie möglich“ zählen.
       
       ## Eine Fachkraft auf 5.000 Schüler:innen
       
       Insgesamt erkennt Schön eine „Tabuisierung der psychischen Gesundheit“ an
       Schulen. Zwar bekomme das Thema seit der Pandemie mehr Aufmerksamkeit.
       Allerdings, so Schön, hänge es bis heute davon ab, wie engagiert Schulen
       hier seien. Er fordert, das Thema zu institutionalisieren. Etwa indem alle
       Schulen mit ausreichend Schulpsycholog:innen und
       Schulsozialarbeiter:innen ausgestattet werden.
       
       Wie schlecht es um die Versorgung mit Fachkräften bestellt ist, zeigt eine
       [2][Erhebung des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen
       (BDP)] vom August dieses Jahres. Demnach muss sich ein:e
       Schulpsycholog:in im Schnitt um 5.218 Schüler:innen kümmern.
       Besonders dramatisch ist die Versorgungslage demnach in Rheinland-Pfalz,
       Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
       
       Julian Schmitz von der Universität Leipzig weist auf die
       gesamtgesellschaftliche Bedeutung früher Prävention hin: „Wir wissen, dass
       psychische Erkrankungen der Hauptgrund sind, warum Menschen arbeitsunfähig
       werden.“ Gleichzeitig wisse man, dass drei Viertel aller psychischen
       Erkrankungen bereits in einem Alter bis 24 Jahren begännen. Allein aus
       diesem Grund sei es wichtig, auf die Gesundheit von Kindern und
       Jugendlichen zu blicken, so Schmitz.
       
       Es gibt jedoch noch weitere Gründe: „Besonders in unseren Zeiten, in denen
       unsere Demokratie unter Druck steht, ist es wichtiger denn je, junge
       Menschen zu beteiligen und ihnen zuzuhören.“
       
       Seit 2019 führt die Robert Bosch Stiftung Umfragen zum Schulalltag durch.
       Für das vorliegende „Deutsche Schularometer Schüler:innen“ wurden
       bundesweit rund 1.500 Schüler:innen im Alter von 8 bis 17 Jahren sowie
       je ein Elternteil befragt. Die Befragung hat das Meinungsforschungsinsitut
       forsa zwischen 26. April und 20. Mai 2024 durchgeführt.
       
       20 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bosch-stiftung.de/de/storys/kriege-leistungsdruck-und-klimakrise-belasten-schuelerinnen
   DIR [2] /:
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
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