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       # taz.de -- Thriller „The Dating Game Killer“: Die Männer und der Staat sahen weg
       
       > Der Film „The Dating Game Killer“ ist das Regiedebüt der Darstellerin
       > Anna Kendrick. Sie erzählt den wahren Fall eines Frauenmörders aus
       > Opfersicht.
       
   IMG Bild: Cheryl Bradshaw (Anna Kendrick) und Rodney Alcala (Daniel Zovatto) in der Show „The Dating Game“
       
       Cheryl Bradshaw (Anna Kendrick) lebt in L. A. und wartet auf ihren
       Durchbruch als Schauspielerin. Die Angebote sind rar, ein Vorsprechen sieht
       man: zwei unangenehme Männer in einem schäbigen Zimmer, die sie kurz
       mustern; als sie die Frage nach ihrer Bereitschaft zu „Nudity“ verneint,
       ist die Sache gelaufen.
       
       Es sind die späten siebziger Jahre, ein Historienfilm also, und einer über
       den Male gaze, über die zudringlichen und mehr als zudringlichen Blicke von
       Männern auf Frauen. #Metoo noch in weiter Ferne, wenngleich es Cheryl an
       feministischem Bewusstsein nicht unbedingt fehlt. Einmal dropt sie den
       Namen Gloria Steinem.
       
       An den Ort, an dem sie das tut, ist sie eher aus Verzweiflung geraten. Die
       Agentin hat sie, Sichtbarkeit jeder Art könne nur helfen, zum Auftritt in
       einer TV-Show gedrängt. Sie heißt „The Dating Game“, eine deutsche Version
       ist später unter dem Titel „Herzblatt“ gelaufen. Eine Frau stellt „witzige“
       Fragen an drei hinter einer Wand verborgene Männer, die darauf nach
       Möglichkeit geistreich antworten sollen. Am Ende wählt sie den, dessen
       Antworten ihr am besten gefallen. Und ab zur gemeinsamen Reise.
       
       Zum Ärger des Moderators, der ähnlich creepy daherkommt wie einst Rudi
       Carrell, weicht Cheryl in der Live-Sendung ab vom vorgeschriebenen Skript,
       in Richtung Gloria Steinem, [1][Immanuel Kant] und Relativitätstheorie. Gut
       ist die Wahl, die sie am Ende trifft, jedoch nicht. Der Mann, der ihr am
       besten gefällt, klingt wie ein Frauenversteher. In Wahrheit aber ist er
       Rodney Alcala, ein Killer. Als Zuschauer wissen wir das schon, denn wir
       sahen ihn bei seinen Verbrechen.
       
       „The Dating Game Killer“, erzählt eine wahre Geschichte, gehört also ins
       Genre True Crime. Rodney Alcala hat viele, sehr viele, man weiß bis heute
       nicht, wie viele Frauen vergewaltigt und getötet. Und er ist in „The Dating
       Game“ aufgetreten. Daniel Zovatto legt die Figur als einen an, der den
       Frauen zu schmeicheln versteht.
       
       Er hat in New York Film bei (auch wieder passend) Roman Polański studiert,
       das war realiter so und wird im Film auch erwähnt. Er ist Fotograf, die
       Frauen fühlen sich von ihm gesehen: nicht nur buchstäblich, sondern auch im
       übertragenen Sinn. Sein Trick hat Effekt, weil er sich darin von den
       meisten der anderen Männer, von ihren Worten und ihren Blicken, so stark
       unterscheidet.
       
       ## Kendrick erzählt nüchtern und hart
       
       Der Film ist [2][Anna Kendricks] Regiedebüt. Es ist ein Film, der genau
       weiß, was er will, nichts am Bild der Vergangenheit ist nostalgisch
       verklärt. Kendrick erzählt vom Killer, aber vor allem von den Männern und
       ihren Blicken und Taten, nüchtern und hart.
       
       Die Fallen des „True Crime“-Genres, das Spekulative daran, versucht sie zu
       vermeiden. Indem sie nicht den Killer ins Zentrum rückt, und auch nicht die
       Ermittlung, sondern die Frauen. Indem sie einem Bilder von den Taten selbst
       erspart, ohne die Gewalt auszublenden. Indem sie nicht auf Grusel und
       Spannung setzt, sondern auf die Auflösung des Verhältnisses von Männern und
       Frauen in schlagende Szenen.
       
       Es hat nicht an Frauen gefehlt, die Begegnungen mit ihm überlebten und zur
       Polizei gingen damals. Man hat ihnen nicht geglaubt, Rodney Alcala kam
       immer wieder davon. Noch während seiner Entlassung auf Kaution aus dem
       Knast hat er gemordet. Die Männer, der Staat, sahen weg, wieder und wieder.
       
       Der Film verdichtet das auf eine Frau, die als Zuschauerin in der Sendung
       den Kandidaten als Mörder einer Freundin wiedererkennt – und bei der
       Polizei nichts erreicht. Cheryl Bradshaw, der im Film und auch der realen,
       wird beim ersten Date klar, dass mit dem Typen etwas nicht stimmt. Die
       „Herzblatt“-Reise nach Carmel tritt sie gar nicht erst an. Und kommt mit
       dem Leben davon.
       
       27 Nov 2024
       
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   DIR Ekkehard Knörer
       
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