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       # taz.de -- Absagen vor Kunstsymposium: Logiken der Vermeidung
       
       > Die Neue Nationalgalerie war bei einem geplanten Symposium über Kunst und
       > Antisemitismus in Berlin um Ausgleich bemüht. Jetzt mehren sich die
       > Absagen.
       
   IMG Bild: Gestapelte Stühle in der Neuen Nationalgalerie in Berlin: „Strike Germany“ ist es gelungen, das Kunstsymposium zu verhindern
       
       Fast wäre man wohl wirklich ins Reden gekommen, auf einem für Sonntag in
       der Neuen Nationalgalerie in Berlin geplanten Symposium. Über Kunst und
       Aktivismus, Antisemitismus und Meinungsfreiheit wollte man sprechen,
       geladen waren Israelkritiker:innen wie Angehörige der Gegenseite,
       [1][etwa der Künstler Leon Kahane.] Der Streit, der sonst meist in den
       Medien, in offenen Briefen oder Social-Media-Posts ausgetragen wird, sollte
       eine große Bühne bekommen, bei der Auswahl der Redner:innen war man um
       Ausgleich bemüht.
       
       Am Dienstagabend sagte die Künstlerin Candice Breitz ihre Teilnahme jedoch
       über Instagram ab. Gründe dafür nannte Breitz, die zu den bekannten
       Israelkritiker:innen in der Kunstszene zählt [2][und in dem
       Zusammenhang auch mit dieser Zeitung in juristische Auseinandersetzung
       trat,] keine. Zuvor hatte die anonyme Boykott-Initiative „Strike Germany“
       Stimmung gegen das Symposium gemacht. Den Titel der Veranstaltung hatte man
       da gleich zu „Vagheit und Vermeidung in Zeiten des Genozids“ geändert.
       Ohnehin seien hauptsächlich „den Völkermord leugnende Zionisten“
       eingeladen, doch auch die „sympathisierenden“ Stimmen trügen mit ihrer
       Teilnahme dazu bei, den „Zionismus in Deutschland zu normalisieren“. Die
       Schlussfolgerung? „Shut it down!“
       
       Kurz nachdem „Strike Germany“ den Post veröffentlicht hatte, folgte die
       erste Absage: Hito Steyerl, die die Keynote zum Symposium halten sollte und
       im Post als „bekannte antideutsche Künstlerin“ bezeichnet wurde, zog sich
       zurück. Angesetzt hatte die Neue Nationalgalerie das Symposium anlässlich
       der Eröffnung der Nan-Goldin-Retrospektive.
       
       Die jüdische Fotografin Goldin, die zuletzt stark wegen ihres Einsatzes im
       Kampf gegen die Schmerzmittelkrise in den USA wahrgenommen wurde, gehört zu
       den scharfen Kritiker:innen Israels. So unterzeichnete sie etwa den
       schon im Oktober 2023 im Magazin Artforum erschienenen offenen Brief, in
       dem man sich für die Unterstützung der palästinensischen „Befreiung“
       aussprach. Die israelischen Opfer des Hamas-Massakers fanden darin keine
       Erwähnung. Zu einer Absage von Goldins großer Schau in Berlin kam es in
       Folge nicht. Goldin fühlte sich jedoch anscheinend bemüßigt, auch auf
       Instagram zu betonen, dass ihr das Symposium von Anfang an nicht recht
       gewesen sei.
       
       ## Auf Vorschlag von Nan Goldin
       
       Überhaupt Sprecher:innen beider Seiten zu akquirieren sei nicht einfach
       gewesen, sagt Meron Mendel, der das Symposium gemeinsam mit Saba-Nur Cheema
       organisiert, gegenüber der SZ. So habe man auf Vorschlag Goldins auch die
       Gaza mit NS-Deportationsghettos vergleichende Autorin Masha Gessen
       eingeladen, die jedoch wieder absagte, als sie von der Teilnahme des
       SZ-Redakteurs Ronen Steinke erfuhr, heißt es in der Zeitung.
       
       Bei „Strike Germany“ freut man sich indes über die Absagewelle. Neben
       Candice Breitz sind mittlerweile auch die Namen [3][Eyal Weizmans] sowie
       Raphael Maliks von der Teilnehmer:innenliste verschwunden. Zum
       Gespräch mit Andersdenkenden scheint man auf Seiten derer, die ansonsten
       gern Kundgebungen mit dem klingenden Namen „We still need to talk“
       veranstalten, wohl nicht bereit.
       
       20 Nov 2024
       
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