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       # taz.de -- Ausstellung über klimagerechtes Bauen: Mit Dung gedämmt
       
       > Eine Ausstellung im Jahrhunderthaus Molfsee zeigt die Geschichte
       > klimagerechter Bauprinzipien. Sie soll helfen, auch heute klimaschonender
       > zu bauen.
       
   IMG Bild: Fotos zeigen, wie verschiedene Bauprinzipien über die Jahrhunderte umgesetzt wurden
       
       Eine Dämmschicht aus Dung, ein aufgeplustertes Seegrasdach oder eine grüne
       Oase im Innenhof: Seit Menschen Häuser bauen, suchen sie nach
       Möglichkeiten, um die Temperatur in den Wohnräumen [1][angenehm zu machen].
       Die Ausstellung „Wohltemperiert. Für klimagerechte Architektur“ im
       Jahrhunderthaus des Freilichtmuseums Molfsee bei Kiel [2][zeigt mit Fotos
       und Nachbauten] solche baulichen Prinzipien. Der Blick zurück soll der
       Architektur von heute helfen, energiesparender zu bauen, wünschen sich die
       Verantwortlichen.
       
       Rot, violett und orange leuchten die „Thermografien“, die der slowenische
       Fotograf Klemen Ilovar mit einer Wärmebildkamera gemacht und so bearbeitet
       hat, dass sie wie abstrakte Kunst aussehen. Die farbigen Riesenbilder
       finden sich im Vorraum der eigentlichen Ausstellung.
       
       Die nimmt einen Saal im Untergeschoss des Jahrhunderthauses ein. Von der
       Decke hängt Baumwollstoff in gleichmäßigen Wellen: Das macht den Raum
       niedriger und damit leichter zu heizen. Wie dieses und andere Bauprinzipien
       im Laufe der Jahrhunderte in Häusern umgesetzt wurden, zeigen 50
       Schwarz-Weiß-Fotos mit historischen Bauten. Sie entstanden ursprünglich für
       eine Ausstellung im slowenischen Pavillon der Architekturbiennale 2023.
       Dazu seien 50 Architekturbüros in ganz Europa gebeten worden, regionale
       Vorbilder für ihre heutige Arbeit zu nennen, berichtet der slowenische
       Architekt Jure Grohar, einer der Verantwortlichen der ursprünglichen
       Ausstellung.
       
       ## Bauen mit Seegras und Stroh
       
       Das Team des Freilichtmuseums um Leiterin Kerstin Poehls und Kuratorin
       Babette Tewes hat die Arbeiten nach Schleswig-Holstein geholt, den Raum
       dazu gestaltet und Gebäude auf der Freifläche des Museums identifiziert, in
       denen sich die Ideen wiederentdecken lassen.
       
       Nicht alles passt noch ins Hier und Heute: Sich das Haus mit dem Vieh
       teilen oder im Winter in einem Raum zusammenrücken, stieße vermutlich auf
       wenig Begeisterung. Aber Naturmaterial wie Seegras oder Stroh als Dämmung
       zu verwenden – warum nicht, findet Innen- und Bauministerin Sabine
       Sütterlin-Waack (CDU), die zu den ersten Besucher:innen dieser
       Ausstellung zählte: „Bauen ist etwas sehr Regionales, und es ist sinnvoll,
       sich auf Dinge zu besinnen, die es bereits gab.“
       
       [3][Energiesparend] zu bauen, sowohl was die verwendeten Materialien als
       auch die Dämmung angeht, ist eine zentrale Frage, um die Klimaziele zu
       erreichen. Schleswig-Holsteins [4][schwarz-grüne Regierung will] bis 2040
       zum „klimaneutralen Industrieland“ werden. „Bei einer Tagung mit
       Vertretern der Bauwirtschaft haben alle angesichts unseres Zeitplans die
       Köpfe geschüttelt“, berichtet die Ministerin. „Aber wir dürfen unsere Ziele
       nicht aufgeben.“
       
       ## Basteln mit Moos und Lehm
       
       Wie aus klassischen Vorbildern zeitgemäße Bauten werden, zeigt der
       Ausstellungsraum mit modernen Interpretationen von fünf ausgewählten Ideen.
       Ein Kubus aus gelbem Ziegelstein, dessen Form an einen Ofen erinnert,
       symbolisiert das wärmende und soziale Zentrum eines Hauses. Eine
       durchbrochene Wand aus Holzlatten teilt den Raum und schafft so mehrere
       Zonen. Eine Wand trennt einen „Raum im Raum“ ab, eine Wandnische steht für
       geschützte Schlafplätze wie Alkoven oder Himmelbetten. „Wir hätten auch
       einen historischen Alkoven aufstellen können, fanden aber diese moderne
       Übersetzung besser“, sagt Kerstin Poehls.
       
       Um die Gedankenanstöße in die Praxis zu bringen, finden während der
       einjährigen Laufzeit der Ausstellung zahlreiche Veranstaltungen statt,
       sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für Fachpublikum. So tagt
       der „ArchitekturClub“ des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten
       (BDA) regelmäßig in Molfsee. Selbst basteln können Besucher:innen an
       einem Tisch, auf dem [5][Material wie Moos und Lehm liegen].
       Museumsleiterin Kerstin Poehls sieht die Ausstellung als Beitrag zur
       Debatte um die Energiewende: „Wir können die Geschichte mit der Frage
       kombinieren, wie wir in Zukunft leben wollen.“
       
       24 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Energetische-Kriterien-beim-Bauen/!5754122
   DIR [2] https://freilichtmuseum-sh.de/de/wohltemperiert-fuer-klimagerechte-architektur
   DIR [3] /Teure-Waerme/!6047341
   DIR [4] https://sh-gruene.de/wp-content/uploads/2022/06/Koalitionsvertrag-2022-2027_.pdf
   DIR [5] /Erde-als-Waermespeicher/!5891800
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
       ## TAGS
       
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