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       # taz.de -- Klima- und Mietenbewegung: Wärmewende von links
       
       > Bislang bedeuten energetische Sanierungen vor allem Mieterhöhungen. Die
       > Vermieter sollen zahlen, fordert die Initiative „Soziale Wärmewende
       > Jetzt“.
       
   IMG Bild: Klinkenputzen fürs Klima und gegen das Kapital: Aktivist:innen bei Haustürgesprächen in Kreuzberg
       
       Berlin taz | Das Treppenhaus eines 60er-Jahre-Mietblocks in Kreuzberg: Pro
       Stockwerk reihen sich vier schmucklose grüne Türen eng nebeneinander.
       Marina, Aktivistin bei Deutsche Wohnen & Co enteignen, wirft einen letzten
       konzentrierten Blick auf ihr Smartphone mit dem Gesprächsleitfaden. Gleich
       wird sie mit ihrem Mitstreiter Ulrich an der ersten Haustür klingeln.
       Fremde Menschen anzusprechen, koste sie viel Überwindung, erzählt Marina.
       Doch an diesem Samstag will sie mit Mieter*innen über Klimaschutz
       sprechen.
       
       Marina und Ulrich beteiligen sich an einer Aktion von „Soziale Wärmewende
       Jetzt“. Das neue Bündnis aus Aktiven der Klima- und Mietenbewegung kämpft
       für sozial gerechte energetische Sanierungen und fossilfreies Heizen.
       Bisher können Vermieter*innen die Kosten für energetische Sanierungen
       dauerhaft auf die Miete umlegen. Unabhängig davon, wie tiefgehend und
       ökologisch sinnvoll die Maßnahmen sind. [1][In der Folge steigt die Miete
       nach einer energetischen Sanierung oft an.]
       
       Soziale Wärmewende Jetzt fordert die Abschaffung dieser Regelung, der
       Modernisierungsumlage. Die Vermieter sollen gesetzlich verpflichtet werden
       zu sanieren. Wenn sie die notwendigen Mittel dafür nicht haben, sollen die
       Sanierungen durch öffentliche Gelder gefördert werden.
       
       In einem ersten Schritt will die Initiative verschiedene Botschaften für
       bezahlbares und klimagerechtes Wohnen mithilfe eines digitalen Fragebogens
       testen. Dafür arbeiten sich Martina und Ulrich Tür für Tür durch das
       fünfstöckige Haus. Schon bei der dritten Wohnung haben sie Erfolg. Ein
       junger Mann öffnet. Ulrich stellt sich vor. Der Mann tritt ungeduldig von
       einem Bein auf das andere.
       
       ## Mieten- und Klimabewegung Hand in Hand
       
       Ulrich ist Rentner und seit ein paar Monaten bei der Letzten Generation
       aktiv. Irgendwo festkleben wolle er sich aber nicht, sondern die Menschen
       „abholen“. Zu den Aktionen, die Soziale Wärmewende Jetzt organisiert,
       kommen vor allem Klima-Aktive, beobachtet Leonie Hanewinkel. Sie
       koordiniert die Ortsgruppen der Initiative in einer Handvoll Städte wie
       Berlin, Leipzig und Ulm.
       
       Die Aktivist*innen wollen das Thema Wärmewende von links besetzen. Und
       Klimaschutz wieder populärer machen, indem sie bei der sozialen Frage
       ansetzen. Menschen mit wenig Geld leben am häufigsten in unsanierten
       Gebäuden und geben überproportional viel ihres Einkommens fürs Heizen aus.
       Das haben verschiedene Studien gezeigt.
       
       Allerdings kommen energetische Sanierungen in Deutschland kaum voran. Der
       Gebäudesektor macht rund 30 Prozent aller Treibhausgasemissionen in
       Deutschland aus, doch die Sanierungsquote stagniert bei unter einem
       Prozent. Die Klimaziele in dem Sektor werden regelmäßig verfehlt.
       
       Diesen Themenkomplex versuchen Marina und Ulrich auch dem jungen Mann an
       der Kreuzberger Haustür näherzubringen. Sein Deutsch ist nicht so gut,
       Marina übersetzt die Botschaften auf Englisch. „Heizen muss bezahlbar“
       bleiben. Nicken. „Für alle, egal wie lange wir schon hier wohnen.“ Das
       Nicken wird kräftiger.
       
       ## Vermieter sollen zahlen
       
       Die Vermieter zahlen lassen – das kommt auch an der nächsten Haustür gut
       an. Der Mieterin sind die Forderungen aber noch zu unkonkret. Leonie
       Hanewinkel von Soziale Wärmewende Jetzt erklärt, dass die Initiative zuerst
       die Ortsgruppen aufbauen und die Haustürgespräche auswerten will. Danach
       werde man die nächsten Schritte planen. Etwa eine Petition oder einen
       Wahlprogrammcheck zur Bundestagswahl.
       
       Verschiedene Forschungsinstitute haben im Auftrag von Umweltschutzverbänden
       in den letzten Jahren [2][konkrete Reformvorschläge zur
       Modernisierungsumlage vorgelegt]. So empfiehlt das Heidelberger
       ifeu-Institut, die Kosten für energetische Sanierungen zwischen
       Mieter*innen, öffentlicher Hand und Vermieter*innen aufzuteilen.
       Vermieter*innen sollen durch die Förderprogramme einen Anreiz bekommen,
       umgehend zu sanieren.
       
       Die politische Resonanz auf die Forderungen nach einer [3][Reform oder
       Abschaffung der Modernisierungsumlage] sind bisher eher gering. Die
       Ampelkoalition hat die Regelung nicht angetastet. Leonie Hanewinkel will
       nicht kleinreden, dass die Zeiten herausfordernd seien. Doch die Gespräche
       hätten sie bisher positiv überrascht: „Tatsächlich sind die Menschen viel
       offener für Klimathemen, als wir dachten. Wenn man die soziale Frage mit
       thematisiert, finden das viele wichtig.“
       
       26 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Energetische-Sanierung/!5879233
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       ## AUTOREN
       
   DIR Lisa Westhäußer
       
       ## TAGS
       
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